Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise in München:Weniger Steuer bringt auch nicht mehr Umsatz

Die Münchner Einzelhändler haben kaum Hoffnung, dass die Senkung der Mehrwertsteuer auf 16 Prozent tatsächlich mehr Einnahmen bringt. Vielmehr klagen sie über den Aufwand der zeitlich befristeten Umstellung.

Von Christian Rost

Kauft sich jemand eine Jeans für mehr als hundert Euro, nur weil er nun drei Euro spart wegen der von 19 auf 16 Prozent reduzierten Mehrwertsteuer? Wolfgang Fischer, Geschäftsführer des Münchner Stadtmarketingvereins Citypartner, befürchtet, dass die Maßnahme des Bundes zur Belebung des Handels letztlich "verpufft". Die Wirkung werde marginal sein, meint auch der Handelsverband Bayern. Die Steuersenkung wirke nur dann, wenn es sich um größere Anschaffungen wie den Kauf eines Autos handle, so Verbandssprecher Bernd Ohlmann. Münchner Händler bestätigen diese Einschätzungen nach den ersten Tagen mit dem neuen Mehrwertsteuersatz. Und sie klagen über den hohen bürokratischen und technischen Aufwand, den gerade kleinere Unternehmen mit der Umstellung haben. Zumal in einem halben Jahr schon wieder alles vorbei sein soll. Dann gilt wieder der reguläre Satz von 19 Prozent.

Die Corona-Angst ist bei den Konsumenten längst noch nicht vorüber, das spürt der Handel in München deutlich. Die Zahl der Passanten in der Fußgängerzone erinnert selbst bei passablem Einkaufswetter an die von Regentagen. Die Umsätze haben sich durchschnittlich zwar wieder auf zwei Drittel des Standes vor der Pandemie eingependelt. "Vom normalen Geschäft sind wir aber noch weit entfernt", sagt Ohlmann.

Viele Kunden aus München und dem Umland verzichteten schon wegen der Maskenpflicht aufs Shopping. "Das macht keinen Spaß mit Atemschutz. Man holt sich das Nötige und ist, zack, wieder raus aus dem Laden zum Luftholen." Wolfgang Fischer stellt fest, dass sich viele Menschen nicht mehr bummelnd durch die Stadt bewegen. "Masken, Baustellen, nun die Sperrung der U-Bahnlinie 3 und 6 - da tut man sich die Fahrt in die City erst gar nicht an." Die Stadtteilzentren profitierten unterdessen davon, dass mehr vor Ort eingekauft werde. Moosach statt Marienplatz, so sieht das Einkaufserlebnis aus.

Alexander Breiter vom gleichnamigen Hut- und Modefachgeschäft in der Innenstadt erkennt kaum positive Effekte für seinen Umsatz durch den Mehrwertsteuerbonus. "Die Ersparnis beim Kauf eines Hutes ist ja nicht so groß, dass der Kunde sofort einen zweiten nimmt", beschreibt er die Situation stellvertretend für den Textilhandel in München. Den Nachlass von drei Prozent gibt er natürlich weiter. Aktuell im Sommerschlussverkauf erwarteten die Kunden aber Rabatte von 20 oder 40 Prozent, da falle die reduzierte Mehrwertsteuer kaum ins Gewicht. Von einem Schub für den Handel kann er jedenfalls nicht berichten, das Geschäft laufe eher schlecht.

Eine zusätzliche Belastung war, dass die Händler einigen Aufwand betreiben mussten, um ihre Systeme auf die neuen Preise umzustellen. "Wir haben die Kassen und unseren Online-Shop technisch angepasst", berichtet Breiter. Da sind schnell ein paar hundert Euro ausgegeben. Dasselbe kommt noch einmal auf ihn zu, wenn die Mehrwertsteuer zum Jahresende wieder steigt. Bleibt das Geschäft mau, ist außer Spesen nichts gewesen. Selbst auf das Weihnachtsgeschäft wagt Breiter nicht zu hoffen. "Mit Masken und Mindestabstand auf dem Christkindlmarkt, da fehlt das vorweihnachtliche Gefühl des Zusammenseins." Momentan könne er nicht erkennen, dass sich die Situation für den Handel bessere. "Es sei denn, alle sind irgendwann gegen das Virus geimpft."

Als großen Wurf sieht auch Autohändler Antonio Luzzi die Mehrwertsteuersenkung nicht an. Zu hoch seien die Verluste durch die Pandemie seit März gewesen. "65 000 Euro laufende Kosten pro Monat und eine einmalige Soforthilfe von 30 000 Euro", rechnet der Inhaber des Autohauses Luzzi & Luzzi vor. Da könne sich jeder die Bilanz selbst ausmalen. Gleichwohl erkennt er, dass die Steuersenkung dem Autohandel zumindest einen kleinen Schub bringt. Nicht im Service, wo die Differenz bei einer Rechnung über einige hundert Euro nicht viel ausmacht. Aber beim Autoverkauf. Hier verzeichnet der Händler einen Zuwachs von immerhin 15 Prozent, seit die Pläne der Bundesregierung für die Maßnahme bekannt wurden.

Je höher der Kaufpreis eines Fahrzeugs, desto stärker fällt nun der Nachlass aus. Für die Händler ergibt sich nun die Möglichkeit, wenigstens den geringen Drei-Prozent-Rabatt an die Kunden weiterzureichen. Wegen des harten Marktumfeldes waren zuletzt gar keine Rabatte im Autohandel mehr möglich. Dennoch: Für Antonio Luzzi ist "das Jahr rum, die Verluste werden wir nicht mehr reinholen". Er hofft nun darauf, dass die Mehrwertsteuerabsenkung über den Jahreswechsel hinaus verlängert wird. Anfangs habe er noch gelacht über Corona, sagt der Händler, der mehr als 30 Jahre im Geschäft ist und zwölf Mitarbeiter beschäftigt. Nun muss er sich mit kleinen Lichtblicken begnügen.

Im Technik-Fachmarkt von Franz Reithofer finden sich natürlich ebenfalls Kunden, die den Mehrwertsteuerrabatt gerne mitnehmen. Beim Kauf eines Markengeräts, eines Kühlschranks etwa, lässt sich schließlich etwas sparen. Die Nachfrage nach Küchengeräten zog aber nicht spürbar an, wie Reithofer berichtet. "Der normale Konsument hat vielleicht 800 Euro für den Kauf eines Geräts zur Verfügung. Wenn er eines braucht, besorgt er es sich, und nicht etwa, wenn es drei Prozent weniger kostet."

Reithofer, der auch Großhändler ist, ist dankbar, dass ihm seine Kunden auch in der schlimmsten Corona-Phase die Treue gehalten haben. Nur 14 Tage musste sein Betrieb mit zehn Mitarbeitern in Kurzarbeit. "Wir sind gut durchgekommen durch die Krise." Die Mehrwertsteuerabsenkung indes habe ihm allenfalls "einen Riesenaufwand" beschert. Ein Techniker musste die elektronische Abrechnung anpassen. Sinnvoller wäre zur Ankurbelung des Konsums nach Reithofers Meinung beispielsweise ein einmaliger Zuschuss für energiesparende Geräte. "Wenn die Leute 50 Euro bekämen, würden sie auch alte Gerät austauschen." So aber werde der gewünschte Effekt zur Ankurbelung der Wirtschaft kaum erreicht.

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Quelle:
SZ vom 07.07.2020/kafe
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