Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Urlaub ohne Reise

Münchner Hotels locken Gäste aus der eigenen Stadt mit besonders günstigen Übernachtungen. Grund sind die Corona-Verluste: "Alles ist besser als null".

Von Laura Kaufmann

Zu heikel scheint es vielen Münchnern momentan, die Landesgrenzen zu verlassen. Vielleicht ein Wochenende am Gardasee, aber ins Flugzeug steigen und weiter weg fliegen, das behagt noch nicht. Und so verbringen ungewöhnlich viele Münchner den Sommer in ihrer eigenen Stadt, in der wiederum ungewöhnlich wenig Touristen ihren Urlaub verbringen.

"Hotels sind momentan zu 20 bis 35 Prozent ausgelastet", sagt Birgit Häffner, Sprecherin der Munich Hotel Alliance MHA, einem Zusammenschluss von 27 Münchner 4- und 5-Sterne-Hotels. Normal sind etwa 80, zu Messe- und Oktoberfestzeiten bis zu 93 Prozent. Und es wirkt nicht so, als würde sich dieser Missstand in naher Zukunft ändern.

Die Tourismusinitiative München, kurz Tim, ein Zusammenschluss aus etwa 200 Unternehmen der Münchner Tourismuswirtschaft, hat deswegen mit der MHA, der Münchner Kreisstelle des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga und dem Referat für Arbeit und Wirtschaft die Aktion "Tapetenwechsel in München" initiiert. Eingebunden ist sie in die Aktion "Sommer in der Stadt", die in sicherer Entfernung voneinander Riesenräder und kleine Pop-Up-Biergärten aus dem Boden sprießen lässt. Vom 10. August bis zum 6. September können Münchner, und der Großraum München ist hier mitgemeint, zu einem deutlich reduzierten Zimmerpreis in den rund 50 teilnehmenden Hotels nächtigen. Die Preise sind gestaffelt. 79 Euro kostet die Übernachtung im Doppelzimmer mit Frühstück im 3-Sterne-Hotel, 99 Euro im 4-Sterne-Hotel, 139 Euro im 5-Sterne-Hotel. Unter muenchen.de, Stichwort "Tapetenwechsel", lassen sich die Übernachtungen buchen.

Ein ähnliches Angebot hatten die Hotels vor drei Jahren gemacht. Damals unter anderen Umständen und mit nur 444 Zimmern zu einem deutlich reduzierten Preis, die Übernachtungen wurden unter den bei der Aktion teilnehmenden Münchnern ausgelost. "Dieses Jahr ist alles anders", sagt Häffner. "Die ganze Stadt leidet unter den Auswirkungen der Coronakrise." Mit der Aktion wolle man den Münchnern die Gelegenheit geben, Urlaub zu machen, ohne zu verreisen.

Zu der Übernachtung gibt es eine München-Card dazu, die die kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ermöglicht und Rabatte und Ermäßigungen für Sehenswürdigkeiten und Ausstellungen bietet. So ausgerüstet, soll der Münchner sich eine schöne Zeit in der eigenen Stadt machen. "Das ist keine Aktion, mit der wir Geld verdienen, um das klar zu sagen", sagt Häffner. Leben in die Hotels bringen, wieder mehr Leben in die Innenstadt bringen, darum gehe es. Bestenfalls wird daraus also eine Win-Win-Situation für alle. "Alles ist besser als null", sagt die MHA-Sprecherin.

Unter normalen Umständen kostet allein beispielsweise das Frühstück im Vier Jahreszeiten 42 Euro pro Person, eine Übernachtung in einem der besten Hotels laut Häffner 450 bis vielleicht 600 Euro, je nach Haus und Saison. Momentan sind die Übernachtungen selbstverständlich günstiger zu buchen, auch abseits der Tapetenwechsel-Aktion.

Peter Inselkammer ist als Vorstand der Dehoga bei der Vorstellung des Projekts im Bayerischen Hof zugegen. "Wir haben 39 500 Mitgliedsbetriebe, die alle während dieser Krise gelitten haben und versuchen, wieder auf die Beine zu kommen", sagt er. In den Ferienregionen gelinge das ganz gut. Urlaub im eigenen Land, in den Bergen oder am See; wie beliebt das derzeit ist, merkt jeder Münchner, der spontan versucht, ein Wochenende im Umland zu verbringen, empfindlich schnell. In der Stadt hingegen sieht das anders aus. "Und es sieht auch in nächster Zeit nicht viel besser aus", sagt Inselkammer. Keine Messegäste, kein Oktoberfest.

Den potenziellen Gästen soll nun vermittelt werden, dass es sicher und angenehm ist, Urlaub in München zu machen. "Das Vertrauen in die Gastronomie wächst langsam, das merken wir", sagt Inselkammer. Auch sein Restaurant Pfistermühle im Platzl Hotel sei mittlerweile selbst an Regentagen wieder besser besucht. Aber im Hotel fehle der ausländische Markt. Neben Deutschen seien vielleicht ein paar Schweizer und Niederländer da. "Für uns sind normalerweise die Gäste aus den USA wichtig", sagt er. Jetzt hofft er, dass das Businessgeschäft langsam anläuft. Um das Hotel offen halten zu können. "Im Moment leben wir von 30 Prozent", sagt Inselkammer. Kapazität für die Tapetenwechsel-Aktion ist also da, 99 Euro kostet die Doppelzimmer-Übernachtung bei ihm.

Birgit Häffner blickt trotz allem leicht optimistisch in die Zukunft. "Die Crews von Fluggesellschaften zum Beispiel nächtigen wieder in den Hotels, die Messe München plant ab 1.9. wieder mit ersten kleinen Veranstaltungen. Es sind zarte Schritte, aber die stimmen uns optimistisch", sagt sie. Und um München einmal entspannt und ohne großen Andrang zu erleben, sei jetzt die beste Zeit. Auch für die Münchner selbst.

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SZ vom 08.08.2020/syn
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