Süddeutsche Zeitung

Debatte im Stadtrat:Eine Behörde für fließenden Verkehr

Das geplante Mobilitätsreferat bekommt parteiübergreifend viel Zuspruch - auch in Corona-Zeiten will der Stadtrat an diesem Vorhaben nicht sparen.

Von Ana Maria Michel

Es muss sich etwas ändern auf Münchens Straßen, darin sind sich die allermeisten Stadträte einig. Und sie wissen, dass es schnell gehen muss. Eine Debatte zum geplanten Mobilitätsreferat - jene neue Behörde, die künftig alle Aufgaben im Bereich Verkehr bündeln soll - wirkte am Mittwoch bei der Vollversammlung des Stadtrats im Gasteig wie ein Bekenntnis zur Verkehrswende. Das neue Referat soll ab 2021 mit 300 Mitarbeitern als zentrale Stelle dafür sorgen, dass der Platz auf den Straßen besser verteilt wird. Bisher kümmern sich fünf verschiedene Referate um das Thema Verkehr. Das koste angesichts des unaufhaltbaren Klimawandels zu viel Zeit, meinen viele Stadträte.

Nicht nur von den Grünen, der SPD und der ÖDP gab es am Mittwoch viel Lob für die Pläne - sogar die CSU begrüßte das neue Mobilitätsreferat. Ihr Fraktionsvorsitzender Manuel Pretzl erinnerte daran, dass der Antrag zur Gründung von seiner Partei kam. Doch er betonte auch: Das neue Referat dürfe kein "Fahrradreferat" werden, es müsse um die Mobilität aller Verkehrsteilnehmer gehen.

Drastischer drückte es die Bayernpartei aus: "Das Ganze wird eine reine Radl- und Fußgängerveranstaltung", sagte ihr Stadtrat Richard Progl. Für ihn komme in dem Vorhaben, das er als "ideologisches Umverteilungsreferat" bezeichnete, eine "Menschenfeindlichkeit gegenüber Autofahrern" zum Ausdruck. "Für ein paar Stricherl auf der Straße braucht es kein Referat." Progls Partei hat sich daher etwas einfallen lassen, um es auszubremsen: Weil sich auf eine Stellenausschreibung für eine Führungsposition im Mobilitätsreferat zu wenige Frauen beworben hätten, forderte die Bayernpartei, die Ausschreibung zu wiederholen. Geklappt hat der Trick nicht, der Antrag wurde abgelehnt.

Die Bedenken der Bayernpartei teilen im Stadtrat nur wenige. Sonja Haider von der ÖDP glaubt nicht, dass das Referat feindlich gegenüber Autofahrern eingestellt sein werde. Sie hoffe hingegen, dass es einem großen Problem entgegenwirke: dem Stau. Paul Bickelbacher von den Grünen sprach sich für eine "integrierte Verkehrs- und Mobilitätsplanung" aus, bei der alle Mobilitätsformen mitgedacht werden müssten. "Einen flüssigen Verkehr kann man nur mit ganzheitlichem Denken umsetzen", sagte Nikolaus Gradl (SPD).

Für die Verkehrswende ist der Stadtrat bereit, Geld auszugeben - obwohl wegen Corona an vielen Stellen gespart werden muss. Der Antrag der Linke, die Gründung der neuen Behörde deshalb um ein Jahr zu verschieben, wurde abgewiesen. Im Gegenteil: Eine Mehrheit im Stadtrat machte sich dafür stark, dass ausreichend Personal zur Verfügung stehen wird, wenn das Referat mit seiner Arbeit beginnt. Grüne, Rosa Liste, SPD und Volt setzten sich mit einem Änderungsantrag für eine sofortige Entfristung der bislang befristeten Stellen ein, die aus dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung sowie aus dem Kreisverwaltungsreferat ins künftige Mobilitätsreferat verlagert werden sollen. Der Antrag verlangte zusätzlich, dass die bereits beschlossenen Stellen zum Zweck der Umsetzung des Radentscheids genutzt werden sollen.

Dass das jedoch nicht ganz einfach werden könnte, machte Personalreferent Alexander Dietrich klar: Neue Stellen seien mit dem bestehenden Haushalt nicht zu finanzieren, ohne dass man das nötige Geld an anderer Stelle einspare. Dem Thema Verkehr in Corona-Zeiten im Hinblick auf die Finanzierung eine "Extrawurst" zu gewähren, sah auch CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl kritisch. Sein Parteikollege Clemens Baumgärtner, Referent für Wirtschaft und Arbeit, wehrte sich zudem dagegen, dass seinem Referat durch die Schaffung eines Mobilitätsreferats die Kontrolle über die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) aus der Hand genommen werde. Dennoch wurde der Änderungsantrag am Ende von der Mehrheit im Stadtrat angenommen. Corona kann der Verkehrswende in München offenbar nur wenig anhaben.

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SZ vom 23.07.2020/syn
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