Münchens Finanzloch: Die Krise wird für München teuer

Coronavirus - München

Im Juli wird der Stadtrat die Eckdaten für den Haushaltsplan 2022 beschließen.

(Foto: dpa)

Auch im nächsten Jahr droht im Haushalt wegen der Pandemie ein Verlust von 450 Millionen Euro. Die Aufsichtsbehörde drängt darauf, dass die Stadt massiv sparen und die Einnahmen erhöhen muss. Wer das vor allem zu spüren bekommt.

Von Anna Hoben

Der städtische Haushalt leidet an einem Long-Covid-Syndrom - er kommt aus der Krise nicht so schnell heraus. Auch im kommenden Jahr wird beim Ergebnis der Verwaltung wieder ein dickes Minus stehen. Mehr als 450 Millionen Euro Verlust könnte die Stadt nach SZ-Informationen 2022 im laufenden Geschäft ihrer Referate machen. In diesem Jahr sind es etwa 600 Millionen. Die Stadt verstößt damit gegen geltende Vorgaben und steht enorm unter Druck.

Die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde drängt darauf, dass München massiv sparen und die Einnahmen erhöhen muss. Von dort kämen deutliche Hinweise, dass man auf Disziplin bei den Ausgaben achten solle, heißt es aus dem Rathaus. Die Therapie des Long-Covid-Syndroms wird also schmerzhaft für alle. Die städtischen Mitarbeiter, aber auch alle anderen Bürgerinnen und Bürger könnten die Haushaltskrise künftig im eigenen Geldbeutel deutlich bemerken.

Der Freistaat hat im Zuge der Pandemie zwar kurzfristig die Vorgaben für die Genehmigung von Haushalten gelockert, dennoch sollte München möglichst bald keine Verluste im laufenden Geschäft der Verwaltung mehr machen. Wenn die Stadt allerdings zur Null gezwungen werde, "dann droht teilweise Handlungsunfähigkeit", sagt Kämmerer Christoph Frey. Die Stadt müsste dann mindestens 20 Prozent ihrer freiwilligen Leistungen streichen.

Im Juli wird der Stadtrat die Eckdaten für den Haushaltsplan 2022 beschließen. Die Referate haben ihre voraussichtlichen Bedarfe bereits angemeldet. Wie bereits in diesem Jahr wird die Verwaltung wieder 200 Millionen Euro einsparen müssen, 50 Millionen beim Personal und 150 Millionen in den Etats der Referate - das entspricht jeweils 6,5 Prozent vom geplanten Budget. Dadurch sinkt das prognostizierte Defizit auf immer noch mehr als 250 Millionen Euro. Doch selbst dieses Ergebnis ist von der Genehmigungsfähigkeit des Haushalts weit entfernt.

Christoph Frey bei Haushaltsdebatte im Münchner Stadtrat, 2019

Das Minus für die Jahre 2021 und 2022 in der Haushaltsplanung führe dazu, "dass die dauernde Leistungsfähigkeit der Landeshauptstadt zur Erfüllung aller Zahlungsverpflichtungen gefährdet" sei, mahnt Kämmerer Christoph Frey.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Fortgesetzt wird der Stopp von Nachbesetzungen in der Verwaltung. "Es wird 2022 einen härteren Einstellungsstopp geben als 2021", sagt Personalreferent Alexander Dietrich. 40 Millionen Euro sollen durch nicht nachbesetzte Stellen eingespart werden. In der Theorie entspräche das gut 600 Stellen, die nicht wieder besetzt werden. Tatsächlich könnte es durch die schwer vorherzusagende Fluktuation eher auf 1200 Stellen hinauslaufen. Bereits in diesem Jahr können ungefähr 1000 Stellen nicht neu besetzt werden.

Man werde auch diskutieren müssen, ob die Stadt beim Personal ihre freiwilligen Leistungen kürzt, sagt Dietrich. So könnte es Einschnitte beim Fahrtkostenzuschuss geben. Auch eine Reduzierung der Fortbildungsangebote steht zur Debatte. Wenn beides wegfiele, ließen sich weitere zehn Millionen Euro einsparen - so würden die insgesamt 50 Millionen Euro erreicht. Nicht sparen will Dietrich bei den Nachwuchskräften. "Wir wollen weiter ausbilden und die Leute dann auch übernehmen." Betriebsbedingte Kündigungen schließt der Referent aus.

Die Stadt wird auch nicht darum herumkommen, ihre Investitionen zu drosseln. Bislang hatte sie damit geplant, bis 2024 jedes Jahr 1,8 Milliarden Euro ausgeben zu können, für bereits beschlossene Projekte, die erst noch realisiert werden müssen: Schulen, Kitas, Wohnungsbau. Diese Summe will Kämmerer Frey 2022 um ein Drittel senken, auf 1,2 Milliarden Euro. Perspektivisch soll die Stadt außerdem 50 Millionen Euro mehr pro Jahr einnehmen. Da könnten dann auch die Bürger das Haushaltsloch zu spüren bekommen. Manches könnte bald teurer werden, Parken zum Beispiel, aber auch Eintrittspreise.

Jahrelang durfte die Stadt sich jedes Jahr über Haushaltsüberschüsse von mehreren Hundert Millionen Euro freuen. Doch durch die Corona-Pandemie brachen die Einnahmen durch die Gewerbesteuer ein. Sie ist für die Stadt die wichtigste Einnahmequelle. Etwa 1,74 Milliarden Euro flossen durch sie 2020 in den städtischen Haushalt - im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 950 Millionen Euro oder 35 Prozent. Im vergangenen Jahr glichen Bund und Länder die Ausfälle der Kommunen aus. Doch auch für dieses und das kommende Jahr rechnet die Stadt mit deutlichen Einbußen. In diesem Jahr könnte zwar wieder mehr Gewerbesteuer in die Kassen kommen; Kämmerer Frey rechnet mit 2,2 Milliarden Euro. Das wären aber immer noch 19 Prozent weniger als 2019, dem Jahr vor der Corona-Krise. 2022 könnten es etwa 2,3 Milliarden Euro sein.

Hilfszusagen gibt es für die Jahre 2021 und 2022 allerdings noch keine. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat deshalb vor Kurzem an den Bund appelliert, die Kommunen erneut finanziell zu unterstützen, um die Mindereinnahmen zu kompensieren. "Die Stadt München benötigt dringend eine schnelle und unbürokratische Hilfe", hieß es in einem Schreiben an Bundesfinanzminister Olaf Scholz. "Die coronabedingten Steuerausfälle kann die Landeshauptstadt nicht allein stemmen." Eine baldige Entscheidung über die Fortsetzung sei notwendig, "um die Haushalte der Städte stabilisieren zu können", so OB Reiter.

Das Minus für die Jahre 2021 und 2022 in der Haushaltsplanung führe dazu, "dass die dauernde Leistungsfähigkeit der Landeshauptstadt zur Erfüllung aller Zahlungsverpflichtungen gefährdet" sei, mahnte Kämmerer Christoph Frey. Die Stadt stoße deshalb auch bei der weiteren Erhöhung der Neuverschuldung an ihre Grenzen.

Ohne finanzielle Unterstützung vom Freistaat Bayern oder vom Bund, ohne strikte Budgetdisziplin wird die Stadt auch 2023 noch keine Null im laufenden Geschäft erreichen. Das Long-Covid-Syndrom wird also andauern. Erst 2024 oder 2025 könnte sich das Ergebnis der Verwaltung laut Kämmerer Frey wieder in Richtung einer roten Null bewegen. "Die Effekte der Corona-Pandemie werden uns noch über Jahre belasten."

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