Weihnachten zu Corona-Zeiten:Was Münchens Geistliche in ihren Predigten bewegt

Weihnachten zu Corona-Zeiten: In der Kirche St. Maximilian ist das Jesuskind mit einer Maske ausgestattet worden.

In der Kirche St. Maximilian ist das Jesuskind mit einer Maske ausgestattet worden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Pandemie wird auch die Weihnachtsgottesdienste prägen. Organisatorisch, weil sie kürzer sind oder draußen stattfinden - aber wohl auch inhaltlich. Vier Geistliche erzählen von ihren Gedanken zu Weihnachten 2020.

Unter freiem Himmel

Pfarrer Christoph Reichenbacher, evangelisch-lutherische Emmauskirche: "In diesem verrückten Jahr gilt es vor allem, sich selbst nicht verrückt machen zu lassen. Das ist mir ein wesentlicher Punkt in den Predigten, die ich zu Weihnachten halten werde. Das Weihnachtsfest gehört unverrückbar in den Jahreskreislauf. Der Glaube, dass Gott unter widrigsten Umständen und inmitten politisch globaler Aktionen zur Welt kommt, gehört zu den unverrückbaren Grundaussagen des christlichen Glaubens. Deshalb feiern wir die Geburt Jesu in diesem Jahr unter besonderen Umständen, die alle Welt betroffen hat. Die biblische Weihnachtsgeschichte des Lukas erinnert genau daran, dass nichts und niemand den Heilswillen Gottes aufhalten kann, höchstpersönlich zur Welt zu kommen und den Menschen seine Liebe zu zeigen. Gott will sich ganz einfach finden lassen, als Mensch unter Menschen.

Weihnachten zu Corona-Zeiten: Christoph Reichenbacher, Emmauskirche.

Christoph Reichenbacher, Emmauskirche.

(Foto: privat)

Neben den halbstündigen Gottesdiensten in der Emmauskirche werden wir auch zum ersten Mal einen Weihnachtsgottesdienst vor der Emmauskirche auf dem Laurinplatz feiern. Die Pfadfinder werden ein Hirtenfeuer entzünden und das Friedenslicht von Bethlehem kann von dort mitgenommen werden. Dieser Gottesdienst unter freiem Himmel soll für viele Menschen nicht nur eine Notlösung sein, damit sie an frischer Luft eine Christvesper mitfeiern können. Vielleicht wird manchen ja dadurch auch besonders deutlich, dass die Weihnachtsbotschaft nicht von äußeren Faktoren abhängt. Der Heilige Abend kann überall gefeiert werden. Vielleicht sind diese schwierigen äußeren Faktoren für viele sogar ein Schlüssel zu einem vertieften Verstehen.

Weihnachten 2020 wird den Menschen in Erinnerung bleiben. Meine Hoffnung ist, dass ihnen eben nicht nur das in Erinnerung bleibt, was in diesem Jahr alles nicht stattfinden konnte; sondern dass ihnen vor allem auch wieder klar wurde, was für das Leben elementar wichtig ist und was grundlegend vor 2000 Jahren stattgefunden hat: Gott gibt in Jesus Christus den Menschen die Ehre! Was für eine Wertschätzung! Entsprechend sollen wir ehrenhaft und liebevoll miteinander umgehen, einander Gutes tun und bei und vor allem recht bei Trost bleiben."

Verzicht aufs Singen

Kapuzinerbruder und Kaplan Jens Kusenberg, Pfarrverband Isarvorstadt: "Das Wort Corona will ich in meiner Predigt nicht in den Mund nehmen. Ich glaube, man muss nicht immer zwangsläufig über das Offensichtliche predigen. Die Leute wissen alle, was los ist - was passiert und was nicht passieren darf. Aber natürlich wird mitschwingen, was die Pandemie offenbar gemacht hat: dass nicht alles toll und abgesichert ist. Dass wir, obwohl wir dagegen ankämpfen, immer ein Leben hinterlassen, das Fragment bleibt, das brüchig ist. So wie Jesu Leben Fragment geblieben ist. An Weihnachten sehen wir, dass dieses Leben schon so angefangen hat, wie es enden wird: Es beginnt damit, dass irgendwo draußen ein Kind geboren wird, und vollendet sich auf Golgatha, wo Jesus unverstanden als Verbrecher am Kreuz stirbt. Deshalb bleibt die Kirche in der Christmette dunkel, nur der Altarraum wird erleuchtet sein. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, bin dieses Jahr im Sommer zum Priester geweiht worden und im Herbst nach München gezogen. So schön das hier in Bayern ist mit den alpenländischen Krippen - so schön war es in der Realität sicher nicht. Weihnachten ist kein Fest der Romantik, der Familie, der Gaben und amerikanischen Lichterketten. Sondern es ist ein Fest, bei dem uns offenbar wird: Das Leben ist fragil, es bleibt Fragment - auch wenn wir es gern verdrängen. Aber Gott nimmt das an, und er ist mit uns. Weihnachten eröffnet aber auch noch eine andere Dimension: Ein Kind ist immer in der Gegenwart. Und dieses Kind in der Krippe hat schon eine Beziehung zum Vater im Himmel. Das Vertrauen des Vaters ist immer da, es trägt über den Tod hinaus.

Weihnachten zu Corona-Zeiten: Jens Kusenberg, Pfarrverband Isarvorstadt.

Jens Kusenberg, Pfarrverband Isarvorstadt.

(Foto: Robert Haas)

An Heiligabend gestalte ich um 18 Uhr die Christmette in St. Andreas. Stille Nacht und O du Fröhliche, diese Lieder gehören ja eigentlich dazu. Aber ich glaube, der Verzicht aufs Singen ist ein guter Verzicht, der uns hoffentlich weiterbringen wird. Das muss man halt mal auf sich nehmen. Später am Abend werden wir im Kreis der Kapuzinerbrüder noch bei einem Glas Rotwein zusammensitzen. Wir sind zu sechst und gelten als ein Haushalt."

Batman als Schutzpatron

Pater Alfons Friedrich, Leiter des katholischen Pfarrverbands Haidhausen: "Am Heiligen Abend an der Krippe zu stehen, das Jesuskind anzuschauen und die schönen Weihnachtslieder zu singen - das ist Weihnachten. In diesem Jahr ist vieles anders; anstatt der Ministranten und Ministrantinnen benötigen wir Helfer und Helferinnen, die Anmeldungen überprüfen, Plätze zuweisen, Hände desinfizieren und auf die Maskenpflicht hinweisen. Und dennoch freue ich mich auf die Weihnachtsgottesdienste, an der uns diese Botschaft geschenkt wird: Gott wird Mensch!

Weihnachten zu Corona-Zeiten: Alfons Friedrich, Pfarrverband Haidhausen.

Alfons Friedrich, Pfarrverband Haidhausen.

(Foto: Thomas Klinger/Caritas)

Wir alle können uns in dieser Weihnacht an den Krippen in unseren Familien und Kirchen zusammenfinden - in Gedanken verbunden mit all den Menschen, die wir gerne haben und vermissen. Stellen wir doch etwas zur Krippe, was uns an Oma und Opa erinnert, an die Geschwister und Freunde und vielleicht auch an die, die in dieser Nacht Angst haben und nicht weiterwissen. Beim Christkind ist viel Platz, Platz genug für das, was uns bewegt!

Eine Begebenheit aus der Kindermette mit Krippenspiel ist mir da in besonderer Erinnerung: Nach Wochen der Proben und Kostümauswahl war es endlich so weit. Jonas mit seinen sechs Jahren hatte in dem Jahr keine Lust mitzuspielen. Aber natürlich war er im Gottesdienst und saß in der ersten Reihe. Er fiel mir gleich auf, zumal er eine Tasche auf die Bank gelegt hatte. Als wir das Krippenspiel beendet hatten, kam sein großer Auftritt. Plötzlich stand er auf, schnappte seine Tüte und stürmte Richtung Krippe. Recht verdutzt schauten die anderen ihm nach, als er aus seiner Tüte eine Figur herausnahm und verkündete: ,Das ist Batman! Der ist für die Sicherheit des Christkindes zuständig!' Jonas schaute mich fragend an. ,Und er bekommt deshalb auch einen Platz, gleich neben dem Engel! Einverstanden?' Stolz und zufrieden schaute Jonas auf seinen besonderen Schutzpatron, der einen Ehrenplatz in unserer Krippe gefunden hatte."

Raum der Ruhe

Pfarrerin Stephanie Höhner, evangelisch-lutherische Himmelfahrtskirche: "Stiller als sonst wird dieses Weihnachten werden und ein anderes, als wir es kennen. Einmal mehr müssen viele von uns auf Gewohntes verzichten und ihre Pläne verwerfen. Das tut weh. Jedem von uns. In der Gemeinde hätten wir ein Jubiläum feiern wollen: 100 Jahre Himmelfahrtskirche. Für jeden Monat hatten wir etwas Besonderes geplant. Zu Chor- und Orgelkonzerten wollten wir einladen und zu einem Festgottesdienst. Mit Bier, Brezen und Liedern aus den Zwanzigerjahren wollten wir das ,Elysium' aufleben lassen, die Wirtschaft, mit der hier alles begann. Mein erstes Amtsjahr als Pfarrerin in Untersendling ist ein Jahr der Absagen geworden, zum Glück aber nicht nur. Wir haben die Kirche geöffnet, und die Menschen sind gekommen. Sie haben einen Raum der Ruhe gefunden.

Weihnachten zu Corona-Zeiten: Stephanie Höhner, Himmelfahrtskirche.

Stephanie Höhner, Himmelfahrtskirche.

(Foto: Julia Müller)

Als Gottesdienste wieder möglich waren, habe ich viele neue Gesichter entdeckt. Vielleicht sind die Gottesdienste für manche in diesen Zeiten wertvoller geworden. An Weihnachten bieten wir von 14 bis 20 Uhr jeweils zur vollen Stunde kurze Andachten an. Das soll sagen: Wir sind da. Gott ist da. Wir werden die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium vorlesen und eine Sopranistin wird singen: ,Es ist ein Ros' entsprungen aus einer Wurzel zart'. Diese Zeile beinhaltet die Hoffnung, die ich in dieser Pandemie mitgeben möchte. Vielleicht fühlt es sich für manche so an, als wäre etwas abgestorben oder verdorrt. Doch Gott ist in Stille, in Abgeschiedenheit, am Rand der Gesellschaft in Armut auf die Welt gekommen. In der Stille kommen wir ihm nahe. Er bringt Licht und Glanz in dunkle Ecken, das ist die Botschaft, die auch von dem Lied ,Oh du Fröhliche' ausgeht. Wenn ich es höre, dann kommt bei mir das Weihnachtsgefühl, das ist so seit meiner Kindheit. Wir werden das Lied in der Kirche im Herzen mitsingen müssen, aber vor Augen haben, wie es sonst war und wie es wieder werden wird."

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