Süddeutsche Zeitung

Solidarität:Gegen das Coronavirus sind alle gefordert

Keiner wird von den Folgen der Corona-Krise verschont bleiben. Dagegen kann sich niemand wehren - wohl aber dagegen, dass sie nur zu Panik, Isolation und Hilflosigkeit führen.

Kommentar von Nina Bovensiepen

Das Leben der Münchnerinnen und Münchner hat sich fundamental verändert, auch wenn diese Erkenntnis bei einigen schleichend sickert. Etwa bei jenen, die zwar erfahren haben, dass ihr nächster Opernbesuch entfällt, weil das Kulturleben der Stadt von heute auf morgen weitgehend zum Stillstand kam, die aber sonst noch fast normal leben. Andere können das längst nicht mehr. Sie müssen daheim bleiben, weil die Schule des Kindes zu ist oder weil sie einen Verdachts- oder Krankheitsfall im Umfeld haben.

Nahezu stündlich wird immer deutlicher, dass niemand von den Folgen der Corona-Krise verschont bleiben wird. Warum? Weil unser Alltag nicht mehr unser Alltag ist, wenn Taufen und Firmungen ausfallen; wenn Lokale wegen Gästemangels zumachen; wenn der Besuch beim kranken Vater im Pflegeheim manchem zu riskant wird; wenn anderen eine S-Bahn-Fahrt als zu gefährlich erscheint; wenn Freiwillige Feuerwehren ihre Übungen absetzen; wenn der Kollege im Büro die Kantine scheut und der Partner daheim einen Partybesuch verweigert. Dagegen, dass solche Folgen der Pandemie bei jedem ankommen, kann sich niemand wehren.

Wehren kann sich aber jeder Einzelne und auch die Stadtgesellschaft dagegen, dass dies nur zu Panik, Isolation und Hilflosigkeit führt. Gefragt ist die Politik, die Unterstützung für Not leidende Betriebe oder das Gesundheitswesen beschließen muss - und kommunikatives Krisenmanagement betreiben muss. Letzteres hat bisher gut funktioniert. Sowohl was den Freistaat betrifft, der als erstes Bundesland klare Vorgaben ausgab zum Verbot von Veranstaltungen. Als auch, was die Stadt angeht. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) machte schnell klar, dass er diese Linie mitträgt. Er war zügig zu vernehmen zu dem Thema, das alle am meisten umtreibt, ohne dass er es sich in den letzten Tagen des Wahlkampfs allzu offensiv angeeignet hätte.

Neben der Politik sind Firmen gefordert. Sie müssen sich den Arbeitnehmern gegenüber kreativer und solidarisch zeigen, sei es, dass sie Freiheiten wie Home-Office stärker gewähren, oder neue Arbeitsformen proben. Und alle Münchnerinnen und Münchner sind aufgerufen, den neuen Alltag neu zu gestalten. Jenseits von (wegfallenden) Theater- und Stadionbesuchen. Trotz einem (aufgrund geschlossener Kindergärten oder Schulen) deutlich komplexeren Familienleben - das durch die flächendeckenden Schul- und Kitaschließungen noch viel komplizierter werden wird. Nun sind alle gefordert.

Dies zum Beispiel, indem man für ältere Nachbarn einkaufen geht. Oder Kinder betreut. Oder jemandem einen Fahrdienst anbietet. Nachbarschaftshilfe im besten Sinne. Das löst die Corona-Krise nicht. Aber es hilft, im neuen Alltag.

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SZ vom 13.03.2020/infu
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