Streetworker:Nähe schaffen trotz Abstandsregeln

Kältebus in München

Ehrenamtlich machen sich Helfer mit dem Kältebus auf die Suche nach Obdachlosen, inzwischen gehört ein Wärmebus zum Streetworkangebot.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Kontakte zu Jugendlichen, Obdachlosen und Drogenabhängigen leiden unter den Beschränkungen wegen des Coronavirus - und machen die Arbeit der Helfer extrem schwierig.

Von Sven Loerzer

Für die mehr als 60 Streetworker, die sich in München in unterschiedlichen Arbeitsbereichen um Menschen in sozialen Schwierigkeiten kümmern, und ihre Klienten war das zu Ende gehende Jahr alles andere als einfach. Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Arbeit der Streetworker erschwert, sondern auch die Probleme des von ihnen betreuten Personenkreises verstärkt. Kontakte zu Jugendlichen, Obdachlosen und Drogenabhängigen sowie Hilfsangebote litten unter den Beschränkungen wegen des Coronavirus. Das geht aus der Antwort von Sozialreferentin Dorothee Schiwy auf eine Anfrage von Stadträten der Fraktion Die Linke/Die Partei hervor.

Streetwork gilt als niederschwelliges Angebot, weil die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen versuchen, an den Treffpunkten ihrer Klienten, zumeist buchstäblich auf der Straße, Kontakt zu den einzelnen Menschen zu knüpfen und ihnen über oft jahrelange Beziehungsarbeit zu helfen, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Zusammengerechnet sind es rund 30 Vollzeitstellen, auf denen sich die Mitarbeiter um Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 14 und 26 Jahren kümmern. Regelmäßige Straßengänge gehören dazu, wie auch Gruppenarbeit in den Streetwork-Außenstellen, Freizeitangebote und Einzelfallarbeit.

Doch wegen Corona konnten Gruppen- und Freizeitangebote nur sehr beschränkt stattfinden oder mussten entfallen. Die Außenstellen waren während des ersten Lockdowns geschlossen, später dann nur für kleine Gruppen geöffnet. Zeitweise sei ein Aufenthalt im öffentlichen Raum gar nicht oder nur bedingt möglich gewesen, zudem seien Platzverbote von Ordnungskräften ausgesprochen worden. "All dies führt bei jungen Menschen, die sich ohnehin schon von einer Gesellschaft ausgegrenzt fühlen, zur Verunsicherung bis hin zur Gegenreaktion", erklärt die Sozialreferentin.

Streetwork habe das Ziel, junge Menschen in schwierigen Lebenslagen zu unterstützen und sie in bestehende Hilfsangebote zu integrieren. Im Gegensatz dazu würden Bürger erwarten, dass Streetworker an sogenannten Hotspots, also Treffpunkten in der Öffentlichkeit, für Ruhe und Ordnung sorgen. Dort sei aber die Klientel der Streetworker nur in den seltensten Fällen anzutreffen, meint Schiwy. Der öffentliche Raum einschließlich Parkanlagen sei in der aktuellen Corona-Krise ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche und Erwachsene geworden, weil es keine Angebote wie etwa Konzerte oder Clubnächte gebe. Auch am Buga-See in der Messestadt Riem, wo es zu Ruhestörung und Vermüllung kam, habe aus Sicht der Streetworker kein Bedarf für Jugendhilfe bestanden.

Allerdings berichtet Schiwy, dass sich die Problemlagen von ausgegrenzten jungen Menschen durch die Pandemiesituation verstärkt haben. "Aushilfstätigkeiten und Ausbildungsstellen wurden vielerorts gestrichen, schul- und berufsbegleitende Angebote sind geschlossen", erklärt die Sozialreferentin. Für benachteiligte junge Menschen seien die Streetworker in dieser Zeit oftmals die einzigen sozialpädagogischen Bezugspersonen gewesen.

Sehr schwierig gestaltete sich auch die Arbeit der Drogenstreetworker des Gesundheitsreferats. Zu Beginn der Pandemie mussten sie ihre Einsätze reduzieren, da gerade bei der Beratung auf der Straße die Abstands- und Hygieneregeln nur schwer einzuhalten waren. Nach dem ersten Lockdown seien die Mitarbeiter wieder verstärkt unterwegs gewesen. Die Situation der opiatabhängigen Menschen auf der Straße habe sich verschärft, berichtet das Gesundheitsreferat: "Die Einhaltung der Aufenthaltsverbote und Abstandsregeln fällt diesem Klientel besonders schwer", sie seien deshalb von Kontrollen besonders betroffen.

Bußgeldbescheide belasteten die Klienten zusätzlich und erhöhten den Beratungsbedarf. Die Arbeit der Streetworker, die auf Vertrauen und dem Abbau von Berührungsängsten beruhe, sei unter den Bedingungen des Infektionsschutzes eine Herausforderung: "Durch Masken und Abstandsgebot ist ein Aufbau von Nähe mit einem ohnehin schon ausgegrenzten Klientel nur erschwert möglich." Wegen der Ausgangsbeschränkungen waren zudem opiatabhängige Menschen kaum mehr präsent im öffentlichen Raum, die Kontaktaufnahme durch die Streetworker gestaltete sich somit schwierig.

Nicht leichter hatten es die Obdachlosen-Streetworker, die von der Teestube "komm" aus zu ihren Einsätzen auf der Straße unterwegs waren, verstärkt durch den Wärmebus des Evangelischen Hilfswerks. Aufgrund der einzuhaltenden Mindestabstände gab es in den üblichen Tagesaufenthalten für Obdachlose sehr viel weniger Aufenthaltsmöglichkeiten. Zudem waren viele Ämter und Behörden schlechter erreichbar, wodurch es Streetworker erheblich schwerer hatten, wohnungslosen Menschen die passenden Hilfen zu organisieren und anzubieten.

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