Süddeutsche Zeitung

Unterricht trotz Corona:"Die Kinder gehen sehr souverän mit der Situation um"

Seit Anfang der Woche dürfen Schülerinnen und Schüler den Unterricht nur nach negativem Covid-19-Nachweis besuchen. Das Prozedere im Klassenzimmer funktioniert erstaunlich gut - doch die Zahl der positiven Ergebnisse ist unklar.

Von Kathrin Aldenhoff

Die Sekretärin der Mittelschule Simmernstraße in Schwabing hat zum ersten Schultag nach den Osterferien einen Haufen Duplosteine mitgebracht. Für die Selbsttests: Da lassen sich nämlich die Röhrchen mit der Testflüssigkeit gut reinstellen. Wäscheklammern funktionieren auch, sagt Schulleiterin Angelika Thuri-Weiß. Während der Osterferien hat die Schule 660 Selbsttests geliefert bekommen. Die reichen für die 280 Schüler und das Schulpersonal für eine Woche. Es sind die Tests, bei denen die Testlösung aus einem größeren Behälter auf zehn Röhrchen verteilt wird; und weil diese Röhrchen nicht von alleine stehen, braucht es die Duplosteine.

Seit Anfang der Woche gilt in Bayerns Schulen eine Testpflicht: Schüler dürfen die Schule nur betreten, wenn sie ein negatives Coronatest-Ergebnis vorweisen können oder sich an der Schule unter Aufsicht selbst testen. Schüler bringen nun Wäscheklammern mit in den Unterricht, einige Eltern- und Lehrerverbände wie der Landeselternverband Bayerischer Realschulen und der Bayerische Realschullehrerverband protestieren weiter gegen das Vorgehen, erklären immer wieder, Tests seien zwar wichtig, aber Klassenzimmer seien keine Testzentren.

"Wir haben allen Schulen die Schnelltests zur Verfügung gestellt"

Wie viele positive Ergebnisse es an den Schulen bisher gab, dazu kann das Gesundheitsreferat keine Angaben machen. Wird ein Schüler positiv getestet, wird das Gesundheitsamt informiert, das ordnet dann einen PCR-Test an, und erst wenn dieser negativ ist, kann der Schüler wieder am Unterricht teilnehmen.

"Wir haben allen Schulen die Schnelltests zur Verfügung gestellt", sagt Münchens dritte Bürgermeisterin Verena Dietl. "Die ersten Rückmeldungen waren sehr positiv. Vor allem die Kinder gehen sehr souverän mit der Situation um. Ich bin froh, dass es den Schulen gelingt, diese zusätzliche Herausforderung zu bewältigen."

An der Mittelschule Simmernstraße hatten sie bisher ein positives Testergebnis. "Sehr bedröppelt" sei der 16-jährige Schüler gewesen, sagt Schulleiterin Angelika Thuri-Weiß. "Das hat die Klasse in Unruhe gebracht. Wir hatten alle Hände voll zu tun, den Schülern immer wieder zu erklären, dass das nur eine Momentaufnahme ist und dass das Ergebnis überprüft werden muss." Der Schüler habe bereits einen PCR-Test gemacht, das Ergebnis liege aber noch nicht vor.

Fünf Schüler der Mittelschule Simmernstraße nehmen im Moment gar nicht am regulären Unterricht teil. Sie wollen sich nicht testen oder ihre Eltern möchten das nicht. Sie habe das Gespräch mit den Eltern gesucht und ihnen erklärt, dass ihr Kind nicht individuell beschult werden könne, sagt Thuri-Weiß. "Lehrer könnten nicht alles gleichzeitig machen: Wechselunterricht, Distanzunterricht, Präsenzunterricht und Notbetreuung." Die fünf Schüler bekommen nun Arbeitsblätter per Post oder per Email oder sie erhalten über eine Lernplattform Aufgaben, die sie lösen sollen. "Das bedeutet einen erheblichen Mehraufwand", sagt Thuri-Weiß.

Schulleiter beschäftigen sich nun mit Fragen der Abfallentsorgung, überlegen sich, wie die Tische nach den Tests desinfiziert werden und wie sich die Kinder einer Klasse die Hände waschen können, ohne sich zu nahe zu kommen. Und was ist eigentlich zu tun, wenn ein Schüler während des Testens niesen muss?

Getestet wird in der Turnhalle, in der Mensa oder im Klassenzimmer

Manche Schulen testen in der Turnhalle, andere in der Mensa, wieder andere im Klassenzimmer. Manche gucken vorher das Video, das die Augsburger Puppenkiste fürs Kultusministerium gemacht hat: Dr. Kasperl sperrt darin ein grünes Coronavirus in einen Käfig und erklärt Kindern, wie sie sich selbst testen. Wie an der Mittelschule Simmernstraße dauerte das Testen auch an anderen Schulen eine gute Stunde: Mal fiel die Testflüssigkeit runter, mal brachte ein Grundschüler ein Röhrchen mit Testflüssigkeit zum Platzen. Und musste noch mal von vorne beginnen. Ein Apotheker, der an einem Gymnasium eine sechste Klasse bei den Selbsttests anleitete, freute sich über einen Popel am Tupfer: Dann wirke der Test zuverlässiger.

Die Meinungen der Eltern gehen weit auseinander. Viele sehen die Tests positiv, andere sorgen sich um die Situation in den Klassen und darum, wie mit einem positiven Ergebnis umgegangen wird, sagt Anita Störmann vom Gemeinsamen Elternbeirat der Grundschulen München (GEB). "Wir begrüßen es, dass die Eltern und Kinder frei entscheiden können, wo sich die Kinder testen, ob in der Schule oder in einem Testzentrum, bei einem Arzt oder in einer Apotheke." Sie wünscht sich allerdings, dass eine Testpflicht wie in der Schule auch in der Arbeitswelt eingeführt wird.

Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sagte am Dienstag, das Testen an den Schulen laufe insgesamt gut, wenngleich es noch "Reibungen" gebe, insbesondere wegen Testverweigerern unter den Eltern. Hier sei noch einige "Überzeugungsarbeit" zu leisten, sagte er. Ein Ministeriumssprecher sagte, man kontrolliere die Schulen nicht, ob sie auch wirklich testen lassen. "Wir verlassen uns darauf, dass die Schulen das vor Ort umsetzen. So viel Vertrauen haben wir in unsere Schulen."

Nur "eine verschwindend geringe Anzahl" positiver Ergebnisse

"Mit einer großen Ernsthaftigkeit" hätten die Kinder sich selbst getestet, erzählt Norbert Rinck, Rektor der Grundschule an der Regina-Ullmann-Straße. Es habe gut geklappt, wenn die Tests auch insgesamt deutlich mehr Zeit gebraucht hätten, als vom Kultusministerium veranschlagt. Nur etwa zehn Schüler von 350 Kindern wollten sich nicht testen und seien deshalb im Distanzunterricht. Die Lehrer hätten vorher mit den Kindern genau besprochen, was passiert, falls ein Test ein positives Ergebnis bringt. Doch bisher waren alle Tests negativ, sagt Rinck.

Die gelieferten Tests würden für diese Woche reichen, sagte Norbert Rinck. Das Referat für Bildung und Sport habe ihm zugesagt, dass die nächste Lieferung pünktlich kommen werde. Er sei zuversichtlich, dass das auch funktioniere, sagte er.

Auch am Michaeli-Gymnasium in Berg am Laim war nur "eine verschwindend geringe Anzahl" positiver Ergebnisse unter den rund 700 Selbsttests, die sie dort an zwei Tagen organisiert hatten, berichtet Schulleiter Frank Jung, das Testen habe erstaunlich gut funktioniert.

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SZ vom 14.04.2021/fpol
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