Kinderbetreuung:Kommt die Corona-Gefahr aus dem Hort?

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An den Schulen gelten strenge Hygieneregeln. Sie sollen verhindern, dass Einrichtungen wieder komplett geschlossen werden müssen.

(Foto: imago images/Westend61)

In der Schule bleiben die Klassen unter sich, in den Horten aber sind die Gruppen oft ganz anders zusammengesetzt. Elternbeiräte warnen vor dem Infektionsrisiko.

Von Jakob Wetzel

An Schulen herrschen strenge Regeln. Um einen möglichen Corona-Ausbruch zu begrenzen, sollen die Schülerinnen und Schüler mit möglichst wenigen anderen in Kontakt kommen. Der Aufwand dafür ist hoch: So sollen die Kinder in festen Gruppen und festen Sitzordnungen zusammenbleiben; wenn es sich vermeiden lässt, sollen Jüngere und Ältere nicht gemeinsam unterrichtet werden. Und damit kein Gedränge entsteht, sollen die Klassen zu unterschiedlichen Zeiten Pause machen.

Das und noch mehr empfiehlt der Rahmen-Hygieneplan des Kultusministeriums. Doch nach Schulschluss ist es mit diesen festen Gruppen oft vorbei. Etwa jedes vierte Grundschulkind in München geht dann in einen Hort - und was dort geschehe, führe den ganzen Aufwand an den Schulen ad absurdum, klagen Elternbeiräte jetzt in einem Brandbrief an die Stadt. "Die Stimmung ist angeheizt", sagt Anke Sponer, Vorsitzende des Gemeinsamen Elternbeirats der Münchner Grundschulen. Erste Eltern hätten ihre Kinder bereits aus den Horten herausgenommen.

Das Problem ist: In den Nachmittagsbetreuungen würden die Gruppen oft anders zusammengesetzt als in den Schulen, heißt es in dem Brief, den Sponers Elternbeirat sowie der Gemeinsame Elternbeirat der Münchner Horte und Tagesheime an die Stadt gesandt haben. In den Hortgruppen würden Kinder verschiedener Klassen und Jahrgangsstufen zusammengefasst, so wie vor der Pandemie. In Regionalhorten kämen gar Kinder aus verschiedenen Schulen zusammen.

Auch Geschwisterkinder würden in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Mit der Folge: Ist ein Kind infiziert, sitzen seine Kontaktpersonen aus dem Hort in vielen verschiedenen Klassen. "Unnötig viele klassenfremde Kinder" seien betroffen, heißt es in dem Brief, und in deren Klassen bestehe ein "erhöhtes, vermeidbares Infektionsrisiko". Es sei gar eine "Infektionskette über mehrere Klassen hinweg wie in einem Schneeballsystem möglich".

Auch Geschwisterkinder sollten mit Priorität in derselben Gruppe landen

In München gehen zurzeit 11 632 Grundschulkinder nachmittags in einen Hort, 8720 davon in einen städtischen. Verantwortlich für diese Einrichtungen ist das Bildungsreferat, und dieses beschwichtigt: In den Horten seien die Gruppen schon mit Beginn der Pandemie möglichst analog zu den Klassenstrukturen eingeteilt worden, teilt das Referat mit. Immer sei das aber nicht möglich. Sozialpädagogische, personelle und räumliche Gründe könnten dagegensprechen. Auch bei Geschwisterkindern könne es pädagogische Gründe dafür geben, sie in verschiedene Gruppen zu stecken. Zudem gingen schlichtweg nicht alle Grundschüler in einen Hort. So habe etwa eine dreizügige Grundschule zwölf Klassen, ein Hort mittlerer Größe mit 75 bis 100 Kindern aber nur drei oder vier feste Gruppen. Horte könnten sich daher nicht komplett an den Schulklassen orientieren.

Vollständig lösen lasse sich das Problem nicht, räumt auch Anke Sponer vom Elternbeirat der Grundschulen ein. Eine gänzlich klassenhomogene Gruppenstruktur sei in den Horten sicher nicht umsetzbar. Aber es mache bereits einen Unterschied, ob in einer Gruppe Kinder aus zehn oder aus nur drei Klassen gemischt würden, ohne dass dadurch gleich mehr Personal oder mehr Platz nötig wäre, heißt es im Brief der Elternbeiräte. Man müsse auch überlegen, was derzeit schwerer wiege: pädagogische Gründe oder der Gesundheitsschutz, sagt Sponer. "Man sollte das Möglichste tun."

In ihrem Brief fordern die Elternbeiräte die Behörden auf, "sehr schnell" ihre Bestimmungen anzupassen. In den "Regelungen zum Thema Corona in den städtischen Kindertageseinrichtungen" des Bildungsreferats etwa findet sich bislang kein Verweis auf die Zusammensetzung der Schulklassen; dafür heißt es unter anderem, altersgemischte Gruppen seien möglich. Diese Regeln sollten gleich im ersten Schritt ergänzt werden, schlagen die Elternbeiräte vor. Zudem sollten klare Pflichten formuliert werden: Hortgruppen sollten zwingend prioritär nach Schulen und danach nach Klassen gebildet werden. Auch Geschwisterkinder sollten mit Priorität in derselben Gruppe landen, heißt es.

Das Bildungsreferat zeigt sich demgegenüber offen: Die Anregung werde aufgenommen, die Stadt wolle ihre Regeln konkretisieren, teilt es mit. "Zum Schutz von Kindern und Personal muss es Ziel sein, die Gruppenzusammensetzungen in Schule und Hort möglichst einheitlich zu gestalten", sagt auch die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD). Und auch bayernweit gibt es Bewegung: Sozial- und das Gesundheitsministerium würden gemeinsam den Rahmenhygieneplan für Kitas überarbeiten, teilt das Landesamt für Gesundheit mit. Die Regeln im Hort sollten an die der Schulen angeglichen werden.

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