Gerichtsurteil:Wie München künftig mit Corona-Protesten umgeht

Gerichtsurteil: Die vielen Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen sind eine Belastung für die Polizei.

Die vielen Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen sind eine Belastung für die Polizei.

(Foto: Robert Haas)

Regelmäßig kommt es vor den Demos zu juristischem Hin und Her. In letzter Minute werden Allgemeinverfügungen aufgehoben und dann wieder in Kraft gesetzt. Nun hat die Stadt eine gerichtsfeste Grundlage.

Von Heiner Effern, Joachim Mölter und Anita Naujokat

Es gibt jeden Mittwoch, dem Tag der Demonstrationen von Gegnern der Pandemie-Maßnahmen, immer wieder ein langes juristisches Hin und Her. Nun aber ist die Stadt München in ihrem Umgang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) bestätigt worden. Dieser erklärte am Mittwochabend in letzter Instanz die Allgemeinverfügung für rechtens, mit der die Stadt zuletzt an bestimmten Tagen unangemeldete Corona-Demonstrationen untersagt hat. Die jüngste Allgemeinverfügung vom 13. Januar lief zwar am Mittwoch um Mitternacht aus, doch in den Stunden zuvor blieb es spannend.

Das Verwaltungsgericht (VG) hatte am Nachmittag gegen 16 Uhr einem Antrag gegen die Verfügung stattgegeben. Dagegen hatte das Kreisverwaltungsreferat (KVR) umgehend Beschwerde eingelegt; gegen 21 Uhr hob der VGH den Beschluss des untergeordneten Gerichts auf und setzte die Allgemeinverfügung wieder in Kraft.

Bemerkenswert am zehnseitigen Urteil und seiner Begründung ist, dass sich der VGH erstmals auch inhaltlich mit dem Thema auseinandersetzte. Damit hat die Stadt nun eine gerichtsfeste Grundlage für künftige Fälle.

Es ginge nur noch darum, "die Stadt und den Staat vorzuführen"

Die rot-grüne Koalition im Rathaus begrüßte das Urteil am Donnerstag ebenso wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Der fand, das oberste Verwaltungsgericht des Freistaats habe "sehr deutlich gemacht, dass die Versammlungsbehörden bei systematischer Missachtung von Infektionsschutzmaßnahmen nicht sehenden Auges abwarten müssen, bis es zu Infektionsgefahren und Ausschreitungen kommt". Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte: "Es bestätigt, dass wir mit Augenmaß vorgehen." Reiter betonte zudem: "Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, und deshalb war und bleibt es selbstverständlich möglich zu demonstrieren"; gleichzeitig gelte es, "den Gesundheitsschutz aller Menschen in München sicherzustellen".

Auch der Koalitionspartner wertet den VGH-Beschluss als wichtiges Signal im Umgang mit den wilden Protesten. Dominik Krause, Fraktionsvize der Grünen, stellte klar, dass die Organisatoren die Kundgebungen auch korrekt anmelden und die Teilnehmer sich an die Auflagen halten müssten. Zuletzt sei festzustellen gewesen, dass es den Protestierern nur noch darum ging, "die Stadt und den Staat vorzuführen".

Das empfand auch Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle so: "Mit trauriger Regelmäßigkeit müssen wir seit einigen Wochen beobachten, wie verschiedene Akteure nichts anderes als den Konflikt mit dem Staat suchen. Entsprechend reagieren wir."

Die nun rechtlich bestätigten Allgemeinverfügungen hätten bereits dazu geführt, dass sich die Lage beruhigt, glaubt Krause. Die nach dem VG-Beschluss erfolgten Protestmärsche am Mittwochabend ordnet er als Aufbäumen der Szene ein. Die erneut mit rund 1000 Beamten im Einsatz gewesene Polizei schätzte die Zahl der Demonstranten auf insgesamt etwa 2000.

Größere Ansammlungen verhinderten die Beamten jedoch; dabei verwiesen sie auf die geltende bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Als der VGH-Beschluss veröffentlicht wurde, hatten sich die meisten Maßnahmen-Gegner schon verlaufen. Anzeigen oder Festnahmen gab es diesmal keine.

Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle wies darauf hin: "Wer den friedlichen Protest sucht, hat dazu jede Möglichkeit." Die Stadt biete immer wieder die Gelegenheit, zum Beispiel auf der Theresienwiese gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren; genauso regelmäßig werde das aber von den Organisatoren abgelehnt. "Das lässt nur den Schluss zu, dass es längst nicht mehr um Inhalte geht", findet Böhle.

Dazu passt, dass am Mittwoch zwei angemeldete Versammlungen von Kritikern der Corona-Regelungen auf nur geringes Interesse stießen, wie die Polizei mitteilte: Am Harras und am Odeonsplatz beim Reiterdenkmal wurden einmal bis zu 30 und das andere Mal bis zu 50 Teilnehmer gezählt.

Beide Kundgebungen verliefen ebenso friedlich wie eine Gegendemonstration auf dem Odeonsplatz. Vor der Feldherrnhalle hatte bereits zum dritten Mal ein Bündnis Stellung bezogen gegen die Maßnahmen-Kritiker. Dort fanden sich nach Polizei-Angaben 200 Menschen ein.

"Wir sind geboostert!", skandiert eine Gruppe von Jugendlichen

Auch in der Fußgängerzone stießen die Corona-Protestmärsche am Mittwoch auf eine Gegenbewegung. Eine Gruppe von Masken tragenden Jugendlichen skandierte dort: "Wir sind geboostert!" Zuvor hatte es eine verbale Auseinandersetzung zwischen einem Jugendlichen und dem bekannten Querdenker-Anwalt Markus H. gegeben, einem Reisenden in Sachen Protestaufrufe. Der Anwalt unterstellte eine Beleidigung und verlangte vor laufender Kamera mit strafrechtlichen Drohungen eine Entschuldigung.

Der Jugendliche ließ sich jedoch weder einschüchtern noch provozieren und forderte seinerseits den Anwalt auf, sich zu entschuldigen "für die Unmengen von Toten, die durch Ihre Unverantwortlichkeit und Nicht-Einhaltung der Maßnahmen verursacht werden". Der rund zweiminütige Dialog wurde auf Medienplattformen wie Twitter verbreitet.

Markus H. kündigte derweil in seinem Telegram-Kanal an, "morgen oder übermorgen mit neuer Mandantschaft die nächste Allgemeinverfügung wieder anzugreifen". Damit die Stadt eine neue erlässt, müsste freilich erst zu unangemeldeten Demonstrationen aufgerufen werden. Im Übrigen wies der VGH ja ausdrücklich darauf hin, dass es "unbenommen bleibt, sich an angezeigten Versammlungen zu beteiligen".

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