Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:München lockert nicht

Die Hoffnungen auf einen baldigen Biergartenbesuch oder eine Theatervorstellung sind vorerst erloschen. Das lasse die Entwicklung des Infektionsgeschehens einfach nicht zu, teilt OB Dieter Reiter mit. Bei Gastronomen und Kulturschaffenden ist die Enttäuschung groß.

Von H. Effern, L. Freymark, E. Kel, Y. Poppek und M. Hammer

Kann man vom kommenden Montag an wieder in den Biergarten gehen? Theoretisch darf eine Stadt, die eine Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 aufweist, die Außengastronomie und auch Theater-, Konzert- und Opernhäuser öffnen. Auch viele Sportarten wären wieder möglich. Voraussetzung ist stets ein tagesaktueller negativer Covid-Schnelltest.

München hat laut Robert-Koch-Institut aktuell eine Inzidenz von 68,8. Doch die möglichen Öffnungsschritte müssen vorerst trotzdem warten. Wie Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bekannt gab, werde er am Freitag im Krisenstab leider keine weiteren Lockerungen der Coronamaßnahmen vorschlagen. Es könne "schon aus rechtlicher Sicht in München ab nächster Woche keine weiteren Lockerungen geben", so der OB. Denn in der bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung heißt es, dass die Entwicklung des Infektionsgeschehens "stabil oder rückläufig" sein muss, damit weiter gelockert werden kann. In München steigt die Inzidenz seit Ende Februar kontinuierlich an. Hinzu kommen die Virusmutationen, die sich offenbar schnell ausbreiten - am Donnerstag lag ihr Anteil bei 68,6 Prozent der bestätigten positiven Fälle. Sowohl die britische als auch die südafrikanische und die brasilianische Mutante sind in der Stadt schon bestätigt worden.

Aus dem Gesundheitsministerium kam die Einschätzung, dass man angesichts dieses Infektionsgeschehens "nicht von einer stabilen Entwicklung" ausgehen könne. Am Abend teilte ein Ministeriumssprecher mit, dass Öffnungsschritte für ganz Bayern auf Eis gelegt werden. Reiter zufolge hätte auch die "kaum gegebene Planbarkeit" gegen Öffnungen gesprochen. Es sei nicht auszuschließen, dass schon in absehbarer Zeit bei einem Inzidenzwert über 100 die "Notbremse" in Kraft trete.

Auf- und sofort wieder zusperren helfe niemandem, sagt auch Manuel Pretzl, Vorsitzender der CSU im Rathaus. "Angesichts der steigenden Infektionszahlen waren jetzt keine weiteren Lockerungen zu erwarten." Er empfiehlt, sich von der Fixierung auf den reinen Inzidenzwert zu lösen und sich an den Faktoren Mortalität, freie Intensivbetten und Gewährleistung der Nachverfolgbarkeit von Infektionen zu orientieren.

Der Entschluss von OB Reiter ist ein erneuter Rückschlag für die Gastronomie. Man habe sich gerade noch Gedanken gemacht, wie das mit den Schnelltests umzusetzen sei, sagt Christian Schottenhamel, Münchner Kreisvorsitzender des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. Und jetzt heiße es wieder "nicht öffnen". Das sei "bitter", findet der Wirt. Die Öffnungen wenigstens der Außenbereiche "wäre ein schönes Zeichen gewesen", nicht nur für die Betreiber, sondern auch für die vielen Angestellten und die Münchner, die sich nach Normalität sehnten. Nun stehe man wieder da und habe "gar keine Gewissheit", wie es weitergehen könnte. Gregor Lemke hat die Ankündigung kalt erwischt. Der Sprecher der Münchner Innenstadtwirte war fest entschlossen, den Außenbereich seines Augustiner Klosterwirts kommende Woche zu öffnen - trotz des kalten Wetters und trotz der schwierig umzusetzenden Vorschriften. "Betriebswirtschaftlich hätte sich das nicht gelohnt", sagt Lemke, aber es wäre ein symbolischer Akt gewesen. Die Vorbereitungen liefen schon, "wir haben alles organisiert, geputzt, die Fenster beschriftet, für Ostern dekoriert" - umsonst. Seit einem Jahr gebe es immer wieder Ankündigungen, die Hoffnung machten - und dann doch nicht eintreten.

Auch die Kinos hätten von Montag an wieder öffnen können, doch für die meisten Betreiber kam es ohnehin nicht infrage, den Betrieb aufzunehmen. Zu unkonkret seien die Regelungen der Behörden gewesen, sagt etwa Susanne Schmid vom Neues Rex Kino in der Agricolastraße in Laim. Schmid wusste weder, wie viele Personen sie hätte einlassen dürfen, noch wie die notwendigen Schnelltests hätten durchgeführt werden müssen. "Im Grunde habe ich gar keine genauen Vorgaben bekommen", sagt sie.

Beim Volkstheater hingegen hätte am Freitag, 26. März, "Die Tragödie des Macbeth" Premiere haben sollen. Als erste Bühne in München hatte das Volkstheater angekündigt, dass es wieder vor Publikum spielen werde. Auch andere Bühnen hatten nach und nach ihre Pläne für eine Öffnung hervorgeholt. Das Volkstheater beispielsweise hatte 5000 Schnelltests bestellt und ein Zelt zum Testen. Der Spielplan stand bis in den April hinein. "Wir waren fast ausverkauft", sagt Intendant Christian Stückl. Nun müssen alle Karten wieder erstattet werden. Alles ist wieder auf null. "Es ist zermürbend", so Stückl. Zwar sei es jetzt keine Überraschung, dass die Bühnen nicht öffnen können. "Wir rechnen die ganze Woche schon damit", sagt Stückl. Trotzdem existierte doch noch die Hoffnung, wenigstens drei, vier Tage spielen zu können.

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