Ausbildung:Auf die Plätze

Ausbildung: Carsten Völler ist 18 Jahre alt und möchte Veranstaltungstechniker werden.

Carsten Völler ist 18 Jahre alt und möchte Veranstaltungstechniker werden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Viele Jugendliche sind verunsichert, ob sie dieses Jahr überhaupt eine Stelle finden werden. Doch laut der Agentur für Arbeit sind die Aussichten gar nicht schlecht.

Von Ramona Dinauer

Das Hemd ist glattgebügelt, die Frisur sitzt: Das Vorstellungsgespräch kann losgehen. Anstatt zur Begrüßung Hände zu schütteln, hält Daro ein Blatt Papier mit seinem Namen hoch. "Ich möchte mich bei Ihnen als Karosseriebauer bewerben, weil ich mich für Technik interessiere und detailorientiert bin. Meine Freunde sagen, dass ich eine ehrliche Person bin", sagt der 17-Jährige in die Kamera von Dorothea Arenz-Dreschers Tablet. Sie filmt im Büro der Stiftung "Kick ins Leben" Daros Vorstellung. Mehrere Dutzend solcher Bewerbungsvideos wird sie mit ihren Kollegen aufnehmen, um den Jugendlichen bei der Ausbildungsplatzsuche 2020 zu helfen.

Die digitale Vorstellung soll in diesem Jahr die Jobgate, eine Münchner Ausbildungsmesse, ersetzen. Die Veranstaltung im Künstlerhaus war für den 28. April geplant und musste abgesagt werden. Mehr als 400 Schülerinnen und Schüler hätten sich dort persönlich 25 verschiedenen Unternehmen vorstellen können, ohne dass gleich der erste Blick auf das Zeugnis fällt. "Das Grundprinzip der Jobgate, bei dem Schüler und Personalverantwortliche neutral aufeinandertreffen, soll trotzdem erhalten bleiben", sagt Arenz-Drescher. "Deshalb bitten wir die Unternehmen, sich die Vorstellungsvideos vor den Bewerbungsmappen anzusehen."

Die Jobgate findet normalerweise zweimal im Jahr statt, für den 12. November ist der Gasteig bereits gebucht. Im Frühjahr melden sich vor allem Mittelschüler, aber auch Realschüler und Fachabiturienten für die Börse an. Nun versuchen die Jugendlichen, einen Ausbildungsplatz oder ein duales Studium zu finden, während sie für die Abschlussprüfungen lernen. Bei der verkürzten Unterrichtszeit und nur eingeschränktem Zugang zu Computerräumen aufgrund der Hygienemaßnahmen entstehe eine Doppelbelastung für die Schüler, meint Arenz-Drescher.

In dem ohnehin schon emotionalen Prozess der Ausbildungssuche verstärkt die Corona-Krise die Verunsicherung, sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Bewerbern. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Portals Ausbildung.de unter 700 Auszubildenden und 1700 Schülern: Knapp 60 Prozent der angehenden Azubis haben demnach Angst, dass sie aufgrund der Corona-Krise keinen Ausbildungsplatz bekommen. Bei mehr als der Hälfte der Befragten verzögert sich der Bewerbungsprozess.

So zum Beispiel auch bei Carsten Völler. Im September möchte der 18-Jährige eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker anfangen, so sehr hat ihm das Aushelfen bei Veranstaltungen am Thomas-Mann-Gymnasium gefallen. Doch sein Vorstellungsgespräch wurde auf den Oktober verschoben, die Ausbildung würde dann erst im Januar 2021 beginnen. Was Völler bis zu dem Gespräch machen wird, weiß er noch nicht sicher. Vielleicht sucht er sich einen Nebenjob, vielleicht engagiert er sich noch mehr bei der Freiwilligen Feuerwehr. Doch erst einmal schreibt der 18-Jährige seine Abiturprüfung.

Die Geduld, die Carsten Völler nun aufbringen muss, müssen derzeit viele Bewerber beweisen, sagt Anne Beck von der Agentur für Arbeit in München. "Orientierungsmessen und Vorpraktika finden gerade nur bedingt statt. Das versuchen auch wir mit Angeboten im Internet und am Telefon auszugleichen." Am Donnerstag gebe es wieder eine Live-Berufsberatung auf Youtube, bei der Jugendliche Fragen im Chat stellen können. Außerdem hat die Jugendberufsberatung JiBB kürzlich eine neue Telefonhotline für junge Menschen aus München eingerichtet.

Das Coronavirus hat nicht nur den Bewerbungsprozess maßgeblich verändert, sondern auch die Berufswünsche. "Das Interesse an systemrelevanten Berufen ist deutlich gestiegen", berichtet Beck. "Die Jugendlichen möchten etwas Sinnstiftendes tun und erkundigen sich immer öfter nach Berufen in der Medizin und Pflege." In anderen Branchen passiere das Gegenteil: Nachwuchs zu finden werde vor allem in Handwerksbetrieben, Discountern oder im Hotelgewerbe noch schwieriger.

Besonders lange suchen Metzgereien nach neuen Auszubildenden. "Noch keine einzige Bewerbung habe ich in diesem Jahr erhalten", sagt Andreas Gaßner, Obermeister der Metzger-Innung München. "Dabei würde ich in meiner Metzgerei gerne ein oder zwei Auszubildende einstellen." Zurückzuführen sei das unter anderem auf das Image des Metzgerberufs, das unter den aktuellen Berichten über die Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen zusätzlich leide. "Wahrscheinlich erst im August können wir noch Jugendliche abfischen, die sonst keinen Ausbildungsplatz gefunden haben", sagt der Metzger. Obwohl die Krise gezeigt habe, wie systemrelevant auch die Handwerksberufe seien, bemerkt Gaßner, zeigten die jungen Menschen wenig Interesse am Metzgerberuf. "Was hilft einem denn der Arzt, wenn er nichts zu essen hat?", fragt er.

Ausbildung: Auch der 17-jährige Daro sucht derzeit nach einen Ausbildungsplatz, er möchte als Karosseriebauer arbeiten. Die Stiftung "Kick ins Leben" unterstützt ihn mit dem Dreh eines Bewerbungsvideos.

Auch der 17-jährige Daro sucht derzeit nach einen Ausbildungsplatz, er möchte als Karosseriebauer arbeiten. Die Stiftung "Kick ins Leben" unterstützt ihn mit dem Dreh eines Bewerbungsvideos.

(Foto: Stephan Rumpf)

Auch wenn viele Jugendliche deswegen verunsichert seien - die meisten Arbeitgeber in München würden an ihren Ausbildungsplätzen festhalten, berichtet Beck von der Agentur für Arbeit. Mehr als 9300 freie Plätze sind derzeit bei dem Münchner Amt gemeldet. Von den 14 000 freien Plätzen, die im vergangenen Jahr ausgeschrieben waren, wurden etwa zehn Prozent nicht besetzt. Dadurch startete die Agentur für Arbeit mit einem Puffer ins neue Jahr. Beck geht deshalb davon aus, dass es 2020 nicht weniger freie Ausbildungsstellen als im Vorjahr geben werde.

Stephan Meier vom Café Luitpold kann wahrscheinlich alle seine acht Ausbildungsplätze für angehende Bürokaufleute und Konditoren besetzen. Ihn hätten mehr Bewerbungen als im vergangenem Jahr erreicht. Für die Hälfte der Ausbildungen, die im September beginnen sollen, habe er bereits einen passenden Bewerber gefunden. "Die Auszubildenden haben sich wahnsinnig über die Zusage gefreut. Daran merkt man, wie groß die Verunsicherung war", erzählt Meier. Ende Juni sollten dann alle Plätze vergeben sein. "Auch uns geht es momentan nicht gut", sagt Meier, "aber wenn der Vertrag unterschrieben ist, halte ich auch an meinen Auszubildenden fest." Dass das nicht immer gelingt, zeigt die Umfrage von Ausbildung.de: Acht Prozent der Bewerber haben dort angegeben, einen bereits zugesagten Ausbildungsplatz verloren zu haben.

Zurück im Büro der Stiftung "Kick ins Leben": Daros Bewerbungsvideo ist fertig. "Ich bin echt froh, dass wir diese Unterstützung bekommen", sagt er, "das macht es uns wirklich leichter." Er zieht den Reißverschluss seiner Sportjacke über dem Hemd zu und setzt den Mundschutz auf. Seit November macht er ein Praktikum in einer Kfz-Werkstatt. Nach dem Mittelschulabschluss hatte er eine Ausbildung zum Elektroniker angefangen, nach kurzer Zeit aber gemerkt, dass er lieber an Autos arbeiten möchte. Nun unterstützt ihn die Stiftung bei der Suche nach seinem Wunsch-Ausbildungsplatz.

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