Corona-Dunkelziffer in München:"Die Inzidenz ist mit Sicherheit zweimal so hoch"

Corona-Dunkelziffer in München: Geimpft werde im Moment wieder etwas mehr, heißt es von der Stadt.

Geimpft werde im Moment wieder etwas mehr, heißt es von der Stadt.

(Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago)

Seitdem Schnelltests nicht mehr für jeden kostenlos sind, dürften die offiziellen Corona-Zahlen weit von der Wirklichkeit abweichen. Die Lage in den Krankenhäusern verschärft sich wieder.

Von Nicole Graner

Die Corona-Zahlen für München steigen langsam, aber stetig. Am Donnerstag lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 864,7. "Wir sind mitten in einer Welle", kommentierte Referentin Beatrix Zurek (SPD) die Zahlen im Gesundheitsausschuss. Gefühlt ist die Welle längst ein Dauerzustand. Doch eines ist anders: Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein als bisher. Schnelltests sind nicht mehr für jeden kostenlos verfügbar, und durch Omikron - der Suptyp BA.5 ist mit 82 Prozent die derzeit vorherrschende Variante - ist der Verlauf oft milder, weswegen mutmaßlich viele Erkrankte gar nicht mehr registriert werden. "Die Inzidenz ist mit Sicherheit zweimal so hoch", glaubt Zurek.

Tatsächlich wird immer weniger getestet: Zwar werden weiterhin 176 Stationen in der Stadt betrieben, aber die Auslastung liege gerade mal bei fünf Prozent, so Zurek. 88 000 Schnelltests könne man täglich durchführen - doch derzeit liege der Durchschnitt bei gerade mal 4307 pro Tag. Geimpft werde im Moment zwar wieder etwas mehr, im Zentrum im Gasteig und in zwei weiteren Stationen seien acht Teams im Einsatz, aber das alles sei ein "wirklich mühsames Geschäft". Weil man nach Vorgabe des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege die Impfkapazität bis Mitte September erhöhen müsse, werde man trotzdem im Gasteig im ersten Stock erweitern.

Dass die Pandemie längst noch nicht vorbei ist, belegen auch die Zahlen aus den Münchner Krankenhäusern: 439 Betten mit bestätigten Covid-19-Fällen werden aktuell gemeldet, 38 davon sind Intensivbetten und zehn sind Betten in der Intensivüberwachungspflege. Insgesamt sind das 95 belegte Corona-Betten mehr als noch die Woche zuvor. Der Geschäftsführer der München Klinik, Axel Fischer, zieht einen Vergleich: Vor einem Jahr, am 19. Juli 2021, lagen gerade mal zwei Erkrankte auf den Corona-Stationen der München Klinik und zwei auf der Intensivstation. Die Inzidenz lag bei 18. Genau ein Jahr später, am 19. Juli 2022, lag die Inzidenz bei 806, 146 Covid-Patienten lagen in den Klinikbetten und zwölf auf der Intensivstation. Hinzu kämen die vielen Personalausfälle wegen Corona. "Das alles geht völlig in die falsche Richtung", sagt Fischer. Aus Berlin höre man auch nichts mehr, wie es denn nun weitergehen solle.

48 000 Menschen haben Schätzungen zufolge in München mit Long Covid zu kämpfen

Und Corona wird noch weitere Spuren hinterlassen. Die SPD, die Grünen und die Linke hatten das Gesundheitsreferat in drei Anträgen dazu aufgefordert, die aktuelle Versorgungssituation für Long-Covid-Betroffene aufzuzeigen. Nach einer Schätzung von Experten und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben etwa zehn Prozent der an Sars-CoV-2-Erkrankten mit Spätfolgen zu kämpfen. In München wären das rund 48 000 Menschen.

In der Stadt gibt es diverse medizinische Versorgungsangebote für Menschen, die unter Long Covid leiden, in ambulanter Form oder mit speziellen Sprechstunden an verschiedenen Münchner Kliniken. In der München Klinik Harlaching gibt es unter anderem eine Tagesklinik zur Versorgung von Patientinnen und Patienten sowie eine psychosomatische Institutsambulanz. Die individuelle Versorgung sei gewährleistet, betont das Gesundheitsreferat in seiner Vorlage. "Aber", sagt Zurek, "wir werden uns in der nächsten Zeit damit noch mehr befassen müssen." Denn die Gefahr einer Long-Covid-Erkrankung steige nach jeder Infektion. Und es gibt noch ein weiteres Problem: Weil es oft schwierig ist, die Symptome der Betroffenen mit Long Covid in Zusammenhang zu bringen, ist die Dunkelziffer auch hier wohl sehr hoch.

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