Süddeutsche Zeitung

Städtischer Haushalt in Corona-Krise:Schmerzhaft wird es erst später

Die Stadt muss sparen, weil wegen der Corona-Krise massive Steuerausfälle drohen: Die Verwaltung bekommt weniger neue Stellen, Bauprojekte sollen abgespeckt werden. Doch das ist nur der Anfang.

Von Dominik Hutter

Es ist nur der erste Schritt - im Rathaus weiß man aber, dass weitere und wahrscheinlich noch deutlich schmerzhaftere folgen werden. Die Corona-Krise könnte die seit vielen Jahren recht üppig gefüllte Stadtkasse in einem Ausmaß leeren, dass Kämmerer Christoph Frey nun zur Tat schreiten muss. Wohl wissend, dass sich bislang noch gar nicht seriös abschätzen lässt, wie weit es tatsächlich nach unten geht.

"Wir fahren auf Sicht", sagt Frey, der sich im Stadtratsplenum am Mittwoch einen vorläufigen Rotstift-Fahrplan absegnen lassen will. Kernpunkte: Bereits beschlossene Stellen in der Verwaltung sollen nur noch zu 80 Prozent besetzt werden. Dazu kommen Einsparungen von 174 Millionen Euro bei den sogenannten Sachkosten, Bürobedarf beispielsweise. Frey empfiehlt zudem, städtische Bauprojekte abzuspecken - etwa durch niedrigere Standards. Aktuell glänzen die Münchner Kommunalneubaubauten noch mit eher großzügigen Ausstattungsdetails. Und, aber das ist erst die nächste Stufe, irgendwann werden sich die Stadträte entscheiden müssen, ob die eine oder andere Investition auch komplett entbehrlich ist.

Was nun auf dem Tisch liegt, so urteilt SPD-Fraktionschefin Anne Hübner, tue noch nicht allzu weh. Allerdings weiß die Politikerin, dass es bei Fortdauer der Corona-Krise auf längere Sicht auch politische Lieblingsprojekte treffen könnte. Bis hin zur kostenlosen Kita oder dem gerade erst beschlossenen XXL-München-Zuschlag für städtische Mitarbeiter - sollte der Haushalt nicht mehr mitspielen, könnten auch solche Wohltaten vorübergehend ausgesetzt werden.

Aber so weit ist es noch nicht: Frey schlägt erst einmal die Einsparungen in der Verwaltung und strikte Haushaltsdisziplin vor. Bis Juli will er eine Liste erarbeiten, aus der hervorgeht, was die Stadt alles so plant in den nächsten Jahren und was sie sich tatsächlich noch leisten kann. Dann wird es ungemütlich im Rathaus am Marienplatz, dann heißt es: priorisieren und streichen.

Gut möglich, dass sich die neue grün-rote Stadtregierung gleich von einigen Vorhaben verabschieden kann, die gerade erst in den Koalitionsvertrag geschrieben wurden. Die Jutierhalle etwa, die der Kämmerer in seiner Beschlussvorlage als Beispiel für disponible Projekte aufführt. Die Generalsanierung und Erweiterung des Stadtmuseums. Hübner rechnet damit, dass es vor allem für Kulturbauten kritisch werden könnte. Denn die zahlreichen neuen Schulen, die in einem milliardenschweren Mehrjahres-Programm aufgelistet sind, laufen unter Pflichtaufgaben.

Schlechte Nachrichten gibt es für Mieter. Wenn der Stadtrat den Vorschlägen des Kämmerers zustimmt, und danach sieht es aus, muss sich die Stadt aus finanziellen Gründen davon verabschieden, in großem Stil Mietshäuser in Erhaltungssatzungsgebieten aufzukaufen. Dies geschieht bislang immer dann, wenn ein Haus weiterverkauft wird und der Neubesitzer in spe nicht bereit ist, von der Stadt vorgegebene und seit einer Reform 2018 ziemlich weitreichende Mieterschutzklauseln zu garantieren. Das tun inzwischen immer weniger Interessenten, und so hat die Stadt seit Sommer 2018 bereits 312 Millionen Euro für Hauskäufe ausgegeben. Ausgaben von weiteren 207 Millionen sind beschlossen, aber noch nicht abgebucht.

"Wir werden das nicht länger durchhalten können", bedauert Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der das Prinzip des Vorkaufsrechts eigentlich sehr sinnvoll findet. Aber wenn man es nicht mehr bezahlen kann? Kämmerer Frey will den Immobilienerwerb auf Einzelfälle beschränken. "Genauer hinsehen", nennt das Reiter, dabei soll es vor allem um die soziale Situation der Mieter gehen.

Derzeit sind für 2020 noch Ausgaben von mehr als 7,1 Milliarden Euro im Haushalt aufgeführt. Frey geht aber davon aus, dass es vor allem bei der Gewerbesteuer und beim städtischen Anteil an der Einkommensteuer in einem Ausmaß abwärts geht, das die Stadt nicht mehr so einfach wegstecken kann. Sollten die Gewerbesteuern um 20 Prozent und die Einkommensteuer um zehn Prozent zurückgehen, rechnet die Kämmerei allein bei Steuern mit einem Minus von 662 Millionen Euro. Was dazu führt, dass sich die ursprünglich geplanten Überschüsse im laufenden Haushalt der Verwaltung plötzlich tiefrot einfärben: minus 475 Millionen. Und das ist noch das beste von drei Szenarien. Beim schlechtesten beträgt das Defizit 1,41 Milliarden.

Was für die Stadt ein Dilemma wäre. Denn um auf einen ausgeglichenen Verwaltungs-Saldo zu kommen, dürfen Kommunen anders als Bund und Länder keine Kredite aufnehmen. Das ist nur für Investitionen möglich. Frey müsste die Bilanz daher über Finanzreserven ausgleichen - oder auf einen kommunalen Rettungsschirm hoffen. Für Investitionen wären bis 2023 schon ohne Corona Kredite von fast 4,3 Milliarden Euro notwendig gewesen.

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SZ vom 12.05.2020/kafe
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