Süddeutsche Zeitung

Wohnen:Münchner Genossenschaft erhöht Miete in Corona-Zeiten

Um gut drei Prozent soll die Miete in mehr als 3300 Wohnungen steigen - mitten in der Krise. "Wir haben auch kein schlechtes Gewissen deswegen", sagt der Vorstand der Genossenschaft - und erklärt warum.

Von Sebastian Krass

Anfang Februar, als gerade die ersten Corona-Fälle in Deutschland auftraten, war es noch ein normales Schreiben von der Vermieterin, Betreff: "Anpassung der Miete", sprich Mieterhöhung. Zum 1. Mai werde man den Preis turnusgemäß nach zwei Jahren anheben, "aufgrund der allgemeinen Kostensteigerungen und zum Erhalt und zur Fortentwicklung unseres Wohnungsbestands", erklärte die Wohnungsgenossenschaft München-West (WGMW). Die mit mehr als 3300 Wohnungen größte Genossenschaft der Stadt hat ihren Bestand hauptsächlich im Bezirk Schwanthalerhöhe, aber auch in Fürstenried und der Blumenau und in Eichenau im Landkreis Fürstenfeldbruck. Doch inzwischen hat sich das Leben vieler Münchnerinnen und Münchner durch die Corona-Krise gewaltig verändert: Selbstständige fürchten um ihre Existenz, Angestellte müssen schauen, wie sie mit Kurzarbeit über die Runden kommen.

Ist das die richtige Zeit für eine Mieterhöhung? Nein, findet eine Mieterin der WGMW, die der SZ geschrieben hat, ihren Namen aber nicht genannt haben möchte, "die Genossenschaft sollte die Erhöhung erst einmal bis November verschieben". Sie berichtet von mehreren Nachbarn, die sich darüber ärgerten, dass die WGMW die Erhöhung bisher nicht zurückgenommen habe. Es gebe viele Genossinnen und Genossen, die gerade um jeden Euro kämpften. Selbst die Vonovia, ein bundesweit agierendes Immobilienunternehmen, das wegen seines Umgangs mit Mietern oft in der Kritik steht, verzichte in der Corona-Zeit auf Mieterhöhungen.

Ja, es ist trotz Corona die richtige Zeit für so eine Mieterhöhung, sagt hingegen Thomas Schimmel, Vorstand der WGMW. "Wir haben auch kein schlechtes Gewissen deswegen." Die Durchschnittsmiete betrage 6,30 Euro pro Quadratmeter, "und wir erhöhen um 3,15 Prozent, also 20 Cent pro Quadratmeter". Bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung sind das 14 Euro im Monat. "Unsere niedrigen Mieten helfen vielen Menschen, durch die Corona-Zeit zu kommen", sagt Schimmel.

Aber warum nicht wenigstens eine Verschiebung um ein paar Monate, auch als symbolischer Akt? Das wäre nicht sinnvoll, erklärt Schimmel, denn die WGMW brauche die zusätzlichen Einnahmen, um laufende Kosten, die Vorsorge und Investitionen in künftige Projekte bedienen zu können. "Die Erhöhung ist ausgerichtet auf das Mitgliederinteresse." Im Übrigen sei es Brauch, alle zwei Jahre moderat zu erhöhen, um nicht eines Tages die Genossen mit einem großen Aufschlag überrumpeln zu müssen.

Und was sagt Schimmel zu einem Vergleich wie mit der Vonovia? Das findet er eher ärgerlich. Dieses Unternehmen habe "in den Jahren zuvor die Mieten bis zum Anschlag erhöht". Die Wohnungsgenossenschaft München-West hingegen habe kein Profitinteresse. "Und wenn derzeit jemand Schwierigkeiten mit seinen Finanzen bekommt, dann nicht wegen 14 Euro mehr Miete", sagt Schimmel. Tatsächlich gebe es derzeit vermehrt Anfragen, ob es Spielraum bei der Zahlung der Mieten gebe. "In solchen Fällen greifen unsere Systeme", sagt Schimmel und erzählt von der genossenschaftseigenen Miet- und Schuldnerberatung und der Sozialberatung, die sich ebenfalls damit auseinandersetze. "Über allem" steht für uns zu vermeiden, dass jemand seine Wohnung verliert."

Die WGMW bekommt Anfragen wegen Problemen mit der Miete in der Corona-Krise nicht nur von Bewohnern, sondern auch von Gewerbetreibenden. So sei, erzählt Schimmel, die Genossenschaft - teils über zwischengeschaltete Pachtverträge mit Brauereien - Vermieterin des Bürgerheims, des Café Ça Va und des Wirtshauses Eder, die schließen mussten. Man stehe "mit den Mietern in Kontakt", um etwa über eine Stundung der Pacht zu sprechen, sagt Schimmel.

Inzwischen hat Schimmel auch einen ersten Überblick nach der Mieterhöhung. "Die Zustimmungsquote war annähernd komplett", sagt er. Ihm seien keine Beschwerden zu Ohren gekommen. Und was sagt die verärgerte Mieterin mit ein paar Wochen Abstand? Sie ist immer noch sauer, aber es sei ihr und den anderen ja nichts anderes übrig geblieben, als die Erhöhung zu akzeptieren.

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SZ vom 19.05.2020
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