Die Bilder sind verstörend, ja schockierend: Mitten auf der Ludwigstraße, einer der zentralen Lebensadern von München, werden Polizisten überrannt. Von Menschen, die wegen der Corona-Maßnahmen aufgebracht sind und sich über Mindestabstände und Masken kein bisschen scheren. Eine Szene mit vielschichtiger Symbolik: Die Wut schwillt an. Sie greift sich prominenten Raum. Und die Schutzmacht des Staates setzt dem zu wenig entgegen.
Das wirklich erschütternde aber: All das geschieht keineswegs zum ersten Mal. Und auch nicht überraschend. Im März tanzten Tausende, für die die Corona-Pandemie nichts als ein großer Spaß zu sein scheint, hinter einer großen Puppe her direkt vor dem Rathaus maskenlos eine fröhliche Polonaise über den Marienplatz. Die Polizei ließ sie gewähren.
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In der vergangenen Woche protestierten erst knapp 4000 auf der Ludwigstraße gegen eine in Aussicht gestellte Impfpflicht und anschließend zogen - unangemeldet - etwa 1000 Demonstranten durch die Innenstadt. Die unterrepräsentierte Polizei kam nicht hinterher.
Nach diesen Erfahrungen an diesem Mittwoch wieder nur einige Hundert Beamte aufzubieten, grenzt da schon an grobe Fahrlässigkeit. Gewiss, eine offizielle Demonstration war nicht genehmigt worden. Und diejenigen, die sich da versammelten, verzichteten auch weitgehend auf Plakate oder andere Insignien des formalisierten Protestes. Das Argument, solchen Formen des Aufbegehrens sei nur schwer zu begegnen, weil sie neu sind, zieht aber nicht.
Dass sich da etwas zusammenbraut, war klar - und auch, wie es laufen könnte: Dafür reichte ein Blick in die einschlägigen Telegram-Kanäle. Und um die zu beobachten, braucht man kein besonderes Wissen und keine exklusiven Rechte. Hinter dem, was sich da am Mittwoch ereignete, gibt es eine Organisationsstruktur, die ein klares Ziel verfolgt: den Staat und seine Institutionen zu schwächen.
Warum tritt die Polizei dem nicht vehementer entgegen, eine Polizei, die erst im Sommer bei den Protesten gegen die Internationale Automobilausstellung gezeigt hat, wie schlagkräftig sie sein kann? Diese Frage steht im Raum. Antworten, auch politische, werden gesucht. Aber alleine, dass die Frage sich stellt, ist ein fatales Zeichen, weil es gerade in den Zeiten, in denen Gesetze und Vorschriften sich wegen der Pandemie-Lage häufig ändern, keinen Zweifel an denen geben sollte, die für Recht und Ordnung stehen.
Um die Relation zu wahren: 5000, die auf die Straße gehen, sind in einer Millionenstadt eine kleine Minderheit. Umso wichtiger ist es, dass keine Bilder entstehen, die diesen Eindruck verzerren. Dies ist am Mittwoch eindeutig misslungen. Das ist bedenklich. Nicht nur für München.