Ordnungswidrigkeiten:München nimmt zwei Millionen Euro durch Corona-Bußgelder ein

Lesezeit: 3 Min.

Wer nicht hören will, muss zahlen: Seit Beginn der Pandemie sind 25 000 Anzeigen wegen Verstößen gegen Corona-Regeln bei der Stadt eingegangen.

Von Julian Hans

Die Corona-Beschränkungen haben der Bußgeldstelle im Kreisverwaltungsreferat eine Menge zusätzliche Arbeit beschert - und der Stadtkasse neben allen Einbußen durch Corona ein paar zusätzliche Einnahmen. Seit am 27. März 2020 die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in ihrer ersten Version in Kraft getreten ist, sind im KVR etwa 25 000 Anzeigen von Ordnungswidrigkeiten mit Corona-Bezug eingegangen. Jede Woche kämen etwa 1000 neue Anzeigen dazu, teilte KVR-Sprecher Johannes Mayer am Donnerstag mit.

Das sind deutlich mehr Verstöße als alle anderen Ordnungswidrigkeiten zusammengenommen. Insgesamt hat sich die Zahl der Bußgeld-Fälle dadurch mehr als verdoppelt. Laut der Behörde wurden über das ganze Jahr 2020 etwa 18 000 Ordnungswidrigkeiten angezeigt, die keinen Bezug zu Corona hatten, etwa Falschparken oder Verstöße gegen die Gewerbeordnung. Diese Zahl entspreche dem durchschnittlichen Aufkommen der Vorjahre, erklärt KVR-Sprecher Mayer. Dass die Ahndung leichter Parkverstöße vorübergehend ausgesetzt wurde und Händler und Wirte zwangsläufig weniger gegen Regeln für Geschäfte und Gaststätten verstoßen, wenn diese zu sind, hat sich in der Statistik also kaum niedergeschlagen.

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Die meisten Anzeigen - mehr als 10 000 - gab es, weil Bürger ohne einen triftigen Grund die eigene Wohnung verlassen hatten. Noch einmal 1900 wurden wegen Verstößen gegen die Kontaktbeschränkungen angezeigt. Mehr als 1630 Frauen und Männer bekamen eine Anzeige, weil sie in Bussen oder Bahnen keine Maske trugen. Weitere 700 Personen, weil sie an anderen Orten gegen die Maskenpflicht verstoßen hatten. In mehr als 330 Fällen hatten Bürger unter Missachtung der Infektionsschutzverordnung an einer Veranstaltung oder Versammlung teilgenommen. Knapp 240 Personen wurden angezeigt, weil sie den vorgeschriebenen Mindestabstand nicht einhielten.

Der Corona-Bußgeldkatalog umfasst in seiner aktuellen Fassung 28 Tatbestände. Die Regelsätze liegen zwischen 250 Euro, etwa für eine Missachtung der Maskenpflicht, und bis zu 5000 Euro etwa für den Betrieb von Theatern, Restaurants oder für das Erteilen von Musikunterricht. 25 000 Euro muss bezahlen, wer eine betriebliche Sammelunterkunft betreibt, ohne dafür ein geeignetes Hygienekonzept umzusetzen - der Fall Tönnies hat hierfür wohl die Inspiration gegeben.

In München wurden mehr als 650 Betreiber von Geschäften oder Gaststätten angezeigt, weil sie die Einhaltung der Sicherheits- und Hygienevorschriften nicht sichergestellt hatten und mehr als 140 Wirte, weil sie ohne Ausnahmegenehmigung geöffnet hatten. Außerdem 35 Einzelhändler. 37 Anzeigen gab es gegen Personen, die eine Veranstaltung durchgeführt hatten, ohne dafür ein Hygienekonzept vorzulegen. Insgesamt summierte sich das Bußgeldaufkommen aus Corona-Verstößen auf etwa zwei Millionen Euro, teilte das KVR mit.

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Die Anzahl der Anzeigen ist nur begrenzt vergleichbar. Seit dem März vergangenen Jahres wurde die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung immer wieder verändert, durchschnittlich alle vier Wochen. Derzeit ist die zwölfte Version in Kraft. Der Bußgeldkatalog musste dementsprechend immer wieder angepasst werden. Dinge, die gestern erlaubt waren, wurden am nächsten Tag als Ordnungswidrigkeit geahndet und umgekehrt. So galt etwa die nächtliche Ausgangssperre nur um den Jahreswechsel herum. In dieser Zeit wurden in München 49 Anzeigen wegen Verstößen gegen diese Regel gestellt.

In erster Linie ist es die Polizei, die die Einhaltung der Regeln zum Infektionsschutz überwacht und Verstöße anzeigt. Dabei werden die Beamten von städtischen Mitarbeitern des KVR unterstützt: Der Kommunale Außendienst (KAD) etwa passt auf, dass alle in der Fußgängerzone ihre Masken tragen. Die Gewerbeüberwachung kontrolliert die Hygienekonzepte des Handels. Der Außendienst der Bezirksinspektionen überprüft die Einhaltung der Corona-Auflagen in der Gastronomie.

"Der weit überwiegende Anteil der Anzeigen erreicht die Bußgeldstelle über die Polizei", erklärt KVR-Sprecher Mayer. "Die Anzeigen werden sukzessive gebündelt weitergegeben." Von den insgesamt etwa 25 000 Anzeigen wegen Corona-Verstößen seien etwa 13 000 Verfahren bereits abgeschlossen, also mehr als die Hälfte. Von diesen 13 000 Verfahren endeten etwa 8700 mit einem Bußgeldbescheid, etwa 4000 wurden eingestellt. Etwa 600 Fälle wurden an andere Kreisverwaltungsbehörden abgegeben, weil die Betroffenen ihren Wohnsitz nicht in München hatten. Aktuell seien 2700 Fälle in Bearbeitung, teilt das KVR mit, bei 9000 habe die Bearbeitung noch nicht begonnen.

Um das große Aufkommen der Ordnungswidrigkeits-Anzeigen abzuarbeiten, hat KVR-Chef Thomas Böhle 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Abteilungen zur Unterstützung der 40 regulär in der Bußgeldstelle Beschäftigten Kolleginnen und Kollegen abgeordnet. Anfang April sollen noch einmal zwölf weitere dazukommen. Rund die Hälfte des Personals in der Bußgeldstelle sei derzeit mit dem Bearbeiten von Corona-Anzeigen beschäftigt, hieß es.

Nachdem Recherchen des Bayerischen Rundfunks im Januar zutage gebracht hatten, dass im Landkreis München zwischen Oktober und Dezember gar keine Bußgeldbescheide ausgestellt worden waren, hatte das Landratsamt eine Sondereinheit gegründet, um die Verfahren zu beschleunigen. Landrat Christoph Göbel hatte eingeräumt, es sei "kein gutes Signal", wenn Verstöße ungeahndet blieben. Wer bei einem Verstoß erwischt wurde und bislang noch keinen Bußgeldbescheid bekommen hat, sollte sich nicht zu früh freuen. Die Verstöße verjähren erst nach drei Jahren.

© SZ vom 20.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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