Süddeutsche Zeitung

Christopher Street Day:Wie der Protest zur Party wurde

Zum 40. Mal wird in München der Christopher Street Day gefeiert - zuvor gibt es in der "Pride Week" mehr als 60 Vorträge, Diskussionen, Film- und Theatervorführungen.

Von Linus Freymark

In den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 führte die New Yorker Polizei eine Razzia in einer bekannten Schwulenbar durch: dem Stonewall Inn an der Christopher Street in Manhattan. Doch anders als bei den Polizeiaktionen zuvor widersetzten sich viele der Bargäste ihrer Verhaftung, die darauffolgenden Tage kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Den Widerstand gegen die Polizeigewalt und die Diskriminierung von Homosexuellen feiert die LGBTI*-Community jährlich mit dem Christopher Street Day (CSD).

In München findet der CSD dieses Jahr zum 40. Mal statt, die Veranstaltungen stehen unter dem Motto der Proteste von Stonewall, die sich zum 50. Mal jähren. Mehr als 60 Vorträge, Diskussionen, Film- und Theatervorführungen widmen sich in der "Pride-Week" vom 6. bis zum 14. Juli dem Gedenken an die Vorkommnisse im Stonewall Inn. Am Samstag, 13. Juli, erwarten die Veranstalter bei der traditionellen Politparade, dem Straßenfest in der Altstadt und den weiteren Programmpunkten bis zu 175 000 Teilnehmer.

Die Aktivisten des Münchner CSD erinnern auch an die Abschaffung des Paragrafen 175, der Sex unter Männern unter Strafe stellte und 1969 außer Kraft gesetzt wurde. Endgültig abgeschafft wurde er erst vor 25 Jahren. Der Münchner CSD soll dazu dienen, das bisher Erreichte im Kampf um Gleichberechtigung von sexuellen Minderheiten zu feiern, erklärt Sprecherin Julia Bomsdorf. Neben all den Festivitäten wolle der CSD auch politische Botschaften vermitteln. Trotz der Einführung der Ehe für alle sei die rechtliche Situation weiterhin "nicht gut", meint Bomsdorf: "Niemand darf sich darauf ausruhen, dass sich die Situation gebessert hat." So fordert der CSD München etwa die strengere Verfolgung von Hassverbrechen, eine Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben beim Adoptionsrecht und ein Bleiberecht für homosexuelle Geflüchtete, die in ihren Herkunftsländern verfolgt werden.

Auch hierzulande nehmen viele Mitglieder der LGBTI*-Community wieder verstärkt Hass und Diskriminierung wahr. "Homophobie wird wieder salonfähig", stellt Conrad Breyer, Pressereferent des CSD München, fest. Am 11. Juli sprechen deshalb Aktivisten aus New York, St. Petersburg, Kiew und München darüber, wie man dieser wieder auflebenden Ablehnung begegnen kann.

Trotz des ernsten Hintergrundes des Christopher Street Days darf aber auch dieses Jahr das Feiern nicht zu kurz kommen. Am Freitag, 12. Juli, findet auf der Dachterrasse des Gasthauses Deutschen Eiche an der Reichenbachstraße die Eröffnungsparty statt, am Samstag gibt es direkt mehrere Partys, zum Beispiel im Rathaus, im Blitz-Club, im Diversity Café oder in der Isarpost. Tagsüber treten auf den Bühnen in der Innenstadt verschiedene Live-Acts auf, etwa der italienische Popsänger und LGBTI*-Aktivist Alex Palmieri oder der russische Künstler Maxim. Eröffnet wird die Pride-Week am kommenden Samstag mit dem lesbischen Angertorstraßenfest. Und einer Neuerung: dem Marsch der lesbischen Frauen. Auch bei diesem Straßenfest wird es Veranstaltungen geben, die sich mit den Protesten von Stonewall beschäftigen an die Anfänge der LGBTI*-Community erinnern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4508281
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.07.2019/vewo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.