Christopher Street Day in München – was ist da eigentlich los?
Der Christopher Street Day (CSD) in München hat sich seit der ersten „Stonewall-Demo“ am 28. Juni 1980 zum Chinesischen Turm zu einem riesigen, regenbogenbunten Spektakel entwickelt – für Schwule, Lesben, Bis, Transgender, Nonbinäre, die ganze queere Gemeinde und alle, die auch noch mitfeiern wollen.
Sagenhafte 520 000 Menschen sollen laut Veranstalter im vergangenen Jahr gekommen sein und machten die Veranstaltung damit zur größten der Community in Süddeutschland. Und heuer könnte es – bei schönem Wetter – noch riesiger und bunter zugehen, es gibt mehr Zugteilnehmer bei der Politparade am Samstag, 22. Juni, und beim großen Straßenfest am ganzen Wochenende in der Innenstadt noch mehr Party-Areale.
Die Akzeptanz queerer Personen, das hat eine aktuelle Umfrage ergeben, sei noch einmal leicht gestiegen. Grund zum Feiern! Alles in rosa Wolken also? Nein, finden die fünf Trägervereine des CSD München. Der CSD ist und bleibt eine politische Veranstaltung, auf der für gleiche Rechte und Akzeptanz gekämpft wird. Die Zahl der Attacken auf Mitglieder der Community habe zugenommen, immer wieder würden queerfeindliche Debatten losgetreten.
Die Gefahr komme von den Rechten und den Populisten, heißt es. Deswegen lautet das Motto in diesem Jahr: „Vereint in Vielfalt – gemeinsam gegen Rechts.“ CSD-München-Geschäftsführer Alexander Kluge wünscht sich: „Auf dass sich die ganze bunte und queer-solidarische Stadtgesellschaft hinter unserem Motto versammelt und wir gemeinsam für Demokratie und Freiheit einstehen.“
Was ist beim Straßenfest geboten?
Regenbogenfarben breiten sich am CSD-Wochenende in der ganzen Innenstadt aus, am Samstag und Sonntag, 22. und 23. Juni, jeweils von 12 Uhr an bis in die Nacht hinein. Das ganze Areal mit 80 Infoständen und vielen Bühnen gliedert sich in sechs Bereiche. Die Hauptbühne steht auf dem Marienplatz vor dem Rathaus. Hier wird das Fest offiziell am Samstag, 22. Juni, um 15.25 Uhr von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) eröffnet, hier gibt es die wichtigen politischen Ansprachen und Gedenkmomente.
Auch die Szene-Stars des CSD treten vor dem Rathaus auf, am Samstag sind das etwa Kai Iden (Elektro-Popper aus Paris, 19.10 Uhr), Migati (NDW-Electro-Clash, 19.50 Uhr) und Luna (Singer-Songwriterin, 21 Uhr). Das große Spektakel am Sonntag ist das Pumps-Rennen der Drags, ein Wettbewerb in den Disziplinen Perücken-Stylen, Handtaschen-Weitwurf und Showstopping Performance (16.25 Uhr). Am Abend spielen Slatec (ein Teil der Jazzrausch Bigband, 20.30 Uhr) und die Goth-Rapperin Cobrah (21.20 Uhr).
Bei der „kleinen Schwester“, der Community-Bühne in der Kaufingerstraße, geht es nicht ganz so wild zu. Hier gibt es Podiums-Talks und Musiker wie die Indie-Popper VanGoy (Samstag, 19.20 Uhr) und die Frauen-Bigband Groove Sistaz (Sonntag, 19.45 Uhr), auch die berühmten Maiköniginnen liefern ihre queere Show ab (15.30 Uhr).
Eine neue dritte Bühne steht auf dem Wittelsbacherplatz, sie wird von der jungen Club- und Drag-Szene mit Shows und elektronischer Tanzmusik bespielt (nur am Samstag). Die Party-Area auf dem Odeonsplatz zieht von der Feldherrenhalle um zum Reiterdenkmal, wo man die Gottesdienste der Theatinerkirche nicht stört und mehr Platz hat. Mütter, Väter und Kinder finden ihre Oase zum Spielen, Verschnaufen und Austauschen auf dem Frauenplatz vor dem Dom.
Auf dem Rindermarkt feiert der Münchner Löwen Club sein „50 Jahre Fetisch-Jubiläum“. Es gibt ein eigenes Programm mit Modenschau, dem Bavarian Mr. Leather, Kuppel-Show, Gesundheitstipps, Musik und „fesselnden Gesprächen“ über Bondage – „ganz unschmuddelig“ wird versprochen.
Warum lässt die Politparade den Gärtnerplatz aus?
Ausgerechnet das Herzstück der Pride-Parade, der Gärtnerplatz, wird in diesem Jahr erstmals links liegen gelassen. „Schweren Herzens“, wie CSD-Cheforganisator Alex Kluge sagt, müsse man den Abstecher in eines der Lieblingsviertel streichen: „Aus Sicherheitsgründen.“ Schon 2023 waren die engen Zubringerstraßen zum Gärtnerplatz überfüllt mit Schaulustigen und Feiernden, für die ausladenden Wägen war fast kein Durchkommen mehr. Und 2024 sind noch einmal mehr Paradeteilnehmer angemeldet.
Die 209 Gruppen – im vergangenen Jahr waren es 181 – werden traditionell angeführt von den „Dykes on Bikes“ auf Motorrädern, Oberbürgermeister Dieter Reiter und der Münchner Aids-Hilfe. Es folgen Gruppen wie die Jugend der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, die Schwuhplattler, die Musiker der Philhomoniker, der Lesbenchor Melodiva, Aktivistinnen von Slutwalk, Münchner Fußball-Frauen, Techno ist bunt, das US-Generalkonsulat, Firmen von Disney über BMW bis Siemens und auch queere Vertreter der Münchner Behörden, etwa ein Drehleiterwagen der Feuerwehr.
Der Umzug bleibt am Samstag, 22. Juni, also auf den größeren Straßen. Der Start ist am Mariahilfplatz in der Au. Der Tross geht um 12 Uhr auf die mit 3,7 Kilometern etwas längere Strecke. Die führt über die Reichenbachbrücke auf die Fraunhoferstraße, macht eine Schleife über die Müllerstraße an den queeren Zentren Sub und LeZ und den Interviewern des Live-Streaming-Teams vorbei zur Blumenstraße Richtung Sendlinger Tor, die Parade zieht über den Stachus zum Maximiliansplatz und endet am Karolinenplatz.
Was wird für die Sicherheit getan?
Die größte Herausforderung für die Sicherheit ist der enorme Andrang der Feiernden. Die Einsatzzentrale des CSD im Rathaus arbeitet eng mit der Polizei, die auch in Zivil unterwegs ist, und der Feuerwehr zusammen, man sendet selbst Sicherheits- und Sanitätsdienste auf dem ganzen Gelände aus.
Im neuen Überfüllungskonzept sollen die Besucherströme über ein Ampel-Warnsystem besser verteilt werden: Wer zum Pride-Wochenende kommen möchte, erfährt auf allen Online-Kanälen und im Live-Stream über die Farben, wo noch Platz ist (grün), wo es eng wird (gelb) und wo es schon dicht ist: Bei Rot können Plätze und U-Bahn-Zugänge auch gesperrt werden.
Christopher Street Day:Hellblau steht für Hilfe
Beobachten, zuhören und deeskalieren: Zum ersten Mal gibt es beim CSD in München Awareness-Teams. Warum es die Freiwilligen braucht und was sie erleben.
Wer Hilfe in Notlagen braucht oder grenzüberschreitendes und diskriminierendes Verhalten beobachtet oder selbst erfährt, kann sich an das CSD-Awareness-Team wenden. Die geschulten Mitarbeiter tragen hellblaue T-Shirts und sind auch über die Telefonnummer 0160/99802994 zu erreichen.
Auch um Gäste mit Einschränkungen will man sich künftig besser kümmern: Ein zweiköpfiges Inklusionsteam sammelt im neuen eigenen Zelt am Fischbrunnen Feedback, wo Betroffene wie etwa Rollstuhlfahrer beim CSD an Grenzen stoßen.
Welche Beiträge kommen aus Kiew und den anderen Partnerstädten?
Seit 2012 ist es Tradition, dass Aktivistinnen und Aktivisten aus der ukrainischen LGBTIQ-Community an der Spitze der Politparade in München laufen. Auch in diesem Jahr reisen Gäste aus Kiew an und marschieren im Veranstalterinnen-Block mit. Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine habe sich die Lage der dortigen queeren Menschen verschlechtert, sagt Conrad Breyer von Munich Kyiv Queer, der Kontaktgruppe: „Die Menschen plagen jetzt ganz andere Sorgen“, radikale hätten Zulauf, „vulnerable Gruppen wie LGBTIQ leiden im Krieg besonders“.
Christopher Street Day in München:Welche Pride Flag bedeutet was?
Seit mehr als 50 Jahren gibt es die Demonstrationen für Gleichberechtigung. Dabei werden mitnichten nur Regenbogenfahnen geschwenkt: eine kunterbunte Übersicht.
Munich Kyiv Queer wird beim CSD in München Spenden für queere Kriegsopfer in der Ukraine sammeln, die dortige Lage wird immer wieder Thema sein, auch am eigenen Infostand. Am Samstag wird man auf der Hauptbühne am Marienplatz der Kriegsopfer gedenken (16.55 Uhr), auf der Community-Bühne in der Kaufingerstraße berichten ukrainische Gäste von ihren Erlebnissen.
Als ein Höhepunkt des Pride-Kulturmonats wird die Drag-Cabaret-Show „Munich Kyiv Extravaganza“ gehandelt (Dienstag, 18. Juni, 20 Uhr, Wannda Circus, Völckerstraße). Dort werden auch Musiker und Drag-Artists aus der Ukraine mit den Gastgebern aus Bayern (etwa Pasta Parisa) auftreten, der Veranstalter spricht von einer „einzigartigen Fusion aus Drag und ukrainischer Kultur“. Auch beim Queer-Quiz im Lesbisch-Queeren Zentrum LeZ werden in einem Ukraine-Schwerpunkt Fragen gestellt wie „Wie oft hat die Ukraine den ESC gewonnen?“ (Müllerstraße 26, Freitag, 21. Juni, 19 Uhr).
Der Münchner CSD hat insgesamt acht „Schwestern“, so werden auch Gäste erwartet aus Cincinnati, Edinburgh, Bordeaux, Verona, Harare und Sapporo. Seit 2022 organisiert man auch einen Austausch mit Münchens jüngster Partnerstadt Be’er Sheva in Israel. Fast wäre 2024 erstmals eine Delegation angereist, aber nach dem Angriff der Hamas ist dies nicht möglich.
Gibt es noch Karten für das Rathaus-Clubbing?
Eine der begehrtesten Veranstaltungen ist das Rathaus-Clubbing (Samstag, 22. Juni, 22 bis 5 Uhr). Hier kann man zum 20. Mal tanzen, wo sonst die Stadtpolitiker arbeiten. Der große Sitzungssaal mit seinem Holzboden zum Beispiel wird dann ausgeräumt und zum Ballsaal für klassischen Paartanz. Es gibt einen Flinta-Floor des Wut-Kollektivs, einen Techno-Raum von Garry Klein, eine Pop- und Schlager-Area und mehr. Die 1000 Tickets gingen am 4. Mai in den Vorverkauf – und waren nach 90 Sekunden weg. Wenn aber das Wetter mitspielt und sich die Gäste auch auf dem Prunkhof und den Freiluftflächen ausbreiten können, werden am Samstag selbst um 11 Uhr noch einmal 500 Tickets am Infostand am Fischbrunnen vergeben.
Was kann man in der Woche vor dem CSD noch erleben?
Der Christopher Street Day ist in München ein ganzer Pride-Monat mit 100 Veranstaltungen, verteilt über die ganze Stadt. In der Seidlvilla ist zum Beispiel bis 23. Juli eine Ausstellung von sechs Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, die queere Seniorinnen porträtiert haben.
In der Woche vor dem CSD-Finale ballen sich die Events: Am Vorabend des CSD schaut man beim lesbischen Kino-Event „Love Lies Bleeding“ Filme und tanzt mit DJ Eleni (Mathäser Kino, 20 Uhr), und auf der Dachterrasse des Hotels Deutsche Eiche steigt die Warm-up-Party (17 bis 21.30 Uhr).