Neue Sammlung:Keine Welt ohne Design

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Im Büro von Direktorin Angelika Nollert ist jedes Stück mit Bedacht ausgesucht und platziert. Die Leuchten sind Klassiker, ein Ziegel auf dem Schreibtisch stammt von der Biennale in Venedig.

Von Evelyn Vogel

Die bunte Tüte unterm Schreibtisch muss noch weg. "Da sind Weihnachtsgeschenke drin, die gehört ja auch gar nicht hierhin." Und schon hat Angelika Nollert die großräumige und bereits ein bisschen abgeschrappte Tüte auch schon in den Wandschrank verfrachtet. "Chaos ist nicht mein Ding", bemerkt sie schmunzelnd, "ich verlasse das Büro auch immer aufgeräumt." Entsprechend ordentlich sieht es in ihrem durchdesignten Chefzimmer in der Pinakothek der Moderne auch aus - und zwar immer und nicht nur an diesem Dezembermorgen.

Angelika Nollert mag es gerne aufgeräumt in ihrem Büro.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Dabei helfen ihr Keramikobjekte vom Dießener Töpfermarkt...

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(Foto: Stephan Rumpf)

...und ein antikes Holzkästchen von der britischen Eisenbahn.

Die überdimensionale Uhr ist ein frühes Werk des Künstlers Thomas Hirschhorn.

Wegen des Steins, den Nollert aus Venedig nach Hause geschleppt hat, bekam sie Ärger am Flughafen. Er trägt chinesische Schriftzeichen. Übersetzt steht dort: "Hör nie auf zu arbeiten."

Jedes persönliche Stück ist mit Bedacht ausgesucht und platziert. Das wohl auffälligste Kunstwerk in ihrem Büro ist eine überdimensionale, silbrig glänzende Uhr aus Pappe und Alufolie: eine frühe Arbeit des Künstlers Thomas Hirschhorn. Mit ihm hat sie schon in den Neunzigerjahren bei "Skulptur Projekte" in Münster, im Portikus Frankfurt und 2002 bei der Documenta 11 in Kassel zusammengearbeitet. "Ich schätze seine gesellschaftspolitischen Arbeiten inhaltlich sehr. Diese poveren Materialien, dann das Swiss-made-Logo auf der Uhr, das auf die reiche Schweiz hindeutet, diesen Gegensatz finde ich gut", sagt Nollert. Die Uhr ist ein Geschenk ihres Mannes. "Dass die Zeiger auf zehn vor zwei stehen, ist ein psychologischer Trick", erzählt sie. Der Betrachter assoziiere mit den nach oben gerichteten Zeigern ein lächelndes Gesicht, weshalb Uhren in der Werbung immer auf zehn vor zwei - oder zehn nach zehn stünden.

Die Systemmöbel und die Leuchten sind Klassiker, die Nollert von ihrem Vorgänger übernommen hat, ebenso wie das glänzende, schwarze Kästchen an der gegenüberliegenden Seite. "Nein, das ist kein Tabernakel", sagt Angelika Nollert und lächelt schon wieder verschmitzt. Dieses Lächeln ist typisch für sie. Mit leichter Hand schiebt sie das Kästchen auf, das sich als Bar entpuppt. "Eigentlich benutze ich es gar nicht, aber es sieht einfach schön aus", schwärmt sie über das Möbelstück von Konstantin Grcic. Auch diesen Münchner Designer schätzt sie sehr. Mit ihm hat sie auch bald nach ihrem Amtsantritt als Direktorin der Neuen Sammlung eine Ausstellung gemacht.

Daneben hängt ein Bild von Hermann Pitz, Künstler und Professor an der Münchner Kunstakademie. Der erdfarbene Stein auf dem Regal stammt von dem thailändischen Performancekünstler Rirkrit Tiravanija. Für zehn Euro konnte man einen dieser luftgetrockneten Ziegel aus seiner Rauminstallation auf der Biennale in Venedig 2015 kaufen. "Ich musste ihn dann den ganzen Tag mit mir herumschleppen", erzählt sie und grinst. Und am Flughafen gab es Probleme, weil die Sicherheitsbeamten den in ein Shirt eingewickelten Stein partout nicht als Kunstobjekt, sondern als potenzielle Waffe sahen.

Auf dem Schreibtisch von Angelika Nollert, der ebenso von dem französischen Architekten Jean Nouvel gestaltet ist wie der große Tisch, auf dem sie sich während Projektvorbereitungen gerne ausbreitet, herrscht ebensolche Ordnung wie im gesamten Raum. In Keramikobjekten vom Dießener Töpfermarkt bewahrt sie Stifte und Krimskrams auf. Ein altes Holzkästen aus dem Kontor einer englischen Eisenbahn von 1923, das sie einst in einem Münchner Antiquitätengeschäft entdeckt hat, dient ihr als Halterung für Prospekte, Papiere, Einladungskarten. Der ganze Raum ist in Schwarz und Weiß gehalten. Was insofern auch gut zu ihr passt, als sie mit Vorliebe schwarze Kleider in einer geraden, etwas japanisch anmutenden Linie trägt. "Nein", antwortet sie auf die Frage, ob sie einen bestimmten Designer bevorzuge. "Ich trage, was mir gefällt. Und Schwarz ist insofern einfach, als man damit tagsüber ins Büro und abends zu Einladungen gehen kann." Auch weil Design so unmittelbar mit den Menschen zu tun hat, bedeutet es ihr so viel: "Es kann gutes und schlechtes Design geben. Aber eine Welt ohne Design kann es nicht geben."

Von ihrem Schreibtisch aus blickt die Direktorin der Neuen Sammlung über die mit Kies und Grün bestückten Freiflächen entlang der Türkenstraße und der Gabelsberger Straße Seit die Stiftung Pinakothek der Moderne im Februar von dem Architekten Stephan Braunfels die Planungsrechte erworben hat, haben sich ganz neue Aussichten auf die Weiterentwicklung des Kunstareals und der Pinakothek der Moderne aufgetan.

Auch deshalb ist Angelika Nollert, die sich seit Jahren für das Areal engagiert, gerade sehr glücklich in ihrer Position, auch wenn sie nicht gerade einen Nine-to-five-Job hat. Kein Wunder, dass ihr der Ziegel von Rirkrit Tiravanija so gut gefallen hat. Die eingedrückten chinesischen Schriftzeichen darauf bedeuten: "Hör nie auf zu arbeiten." Passt irgendwie gut ins Chefzimmer von Angelika Nollert.

© SZ vom 19.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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