Personalmangel in der Pflege:Caritas warnt vor sozialer Spaltung

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An der Caritas-Berufsfachschule werden junge Menschen zu Assistentinnen für Ernährung und Versorgung ausgebildet - und können ihren Arbeitsplatz dann beliebig aussuchen, so groß ist der Bedarf. (Foto: Marcus Schlaf/Caritas)

Kochen, Waschen, Aufräumen: Hauswirtschafterinnen werden auch in Heimen und Kitas gesucht. Durch Personalmangel und höhere Kosten gerät die Sozialbranche jedoch immer weiter unter Druck.

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Das Schwarze Brett sei voll, sagt Rosa Wimmer. Überall Stellenanzeigen. Ihre Schülerinnen könnten sich ihre Arbeitsstelle einfach aussuchen. Wimmer, eine Frau mit einem breiten Lächeln, leitet die Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung Theresia Gerhardinger am Mariahilfplatz. Sie weiß, wie händeringend die Absolventinnen in den Betrieben gesucht und gebraucht werden.

An der Schule werden gerade 50 junge Frauen zu Assistentinnen für Ernährung und Versorgung ausgebildet. Früher hieß das Hauswirtschafterin, doch der neue Begriff decke eigentlich viel besser ab, um was es wirklich gehe: Nämlich anderen Menschen etwas Gutes zu tun, sagt Wimmer, etwa in Krippen, Kindergärten und Heimen. Ihnen das Essen zuzubereiten, ihnen die Wäsche zu reinigen, ihnen ihre Einladungskärtchen zu gestalten, Buffets zu servieren. Es sei wichtig, dass sie diese Aufgaben gerne machen, sagt Wimmer.

Spaß an der Arbeit strahlen die drei Schülerinnen Irmgard Renner, Yasmina Polacco und Tabea Silberbauer an diesem Dienstag eindeutig aus. Um zu zeigen, was sie lernen, haben sie gemeinsam mit Mitschülerinnen Salate und Häppchen vorbereitet, kleine Gläschen gefüllt, Tischdecken gebügelt und Blumen gesteckt.

Hier auf der Schule habe sie ihren mittleren Schulabschluss gemacht, erzählt die 17-jährige Tabea Silberbauer. Nach der Ausbildung, zu der sie täglich bis zu zwei Stunden einfach aus einem Dorf im Landkreis Freising pendelt, will sie weiterlernen: auf der Dorfhelferinnenschule in Pfaffenhofen. Um danach, wie sie sagt, Familien auf dem Land zu unterstützen, wenn etwa die Landwirtin krank wird.

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Eigentlich könnten sie hier bis zu 135 Schülerinnen und bald auch Schüler ausbilden, sagt Leiterin Wimmer, die vor 30 Jahren selbst an dieser Schule gelernt hat. Ab kommendem Jahr würden sie Männer annehmen, sagt sie. Stattdessen bekämen sie die Klassen gerade mal so voll. Und gleichzeitig klagen die potenziellen Arbeitgeber über Personalmangel.

„Wir brauchen einfach Menschen, die gemeinsam mit den Fachkräften arbeiten“, sagt Gabriele Stark-Angermeier, es müsste eben nicht immer die komplette Pflegefachkraft sein. Sie ist im Vorstand des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising und zuständig für die Themen Personal und Pflege. Besonders in der stationären Pflege sei der Personalmangel enorm, bestätigt sie bei der Pressekonferenz des Caritasverbands, zu der auch die Berufsfachschule am Mariahilfplatz gehört. Den Mangel erkenne man auch daran, dass vor allem in der Pflege häufig Leiharbeiter beschäftigt sind. 13,1 Millionen Euro habe man im vergangenen Jahr für Leiharbeitskräfte ausgegeben, sagt Thomas Schwarz, ebenfalls im Vorstand und verantwortlich für die Finanzen.

Auch Jugendliche ohne Schulabschluss werden angenommen

Arbeitskräfte in der Altenpflege brauche man auch in der Küche, im Service, bei den täglichen Aufgaben, die eben in einem Heim anfallen – und da würden Hauswirtschafterinnen, wie sie hier an der Schule ausgebildet werden, eben sehr gerne genommen, so Stark-Angermeier. An den ebenfalls durch Personalmangel gebeutelten Krippen und Kindergärten könnten die Absolventinnen ebenfalls schnell unterkommen.

Die Berufsfachschule sei nicht nur ein Ort für die Ausbildung, sondern ebenso ein sozialer Ort, der Menschen auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben unterstütze, sagt Hermann Sollfrank, Direktor des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising. Auch Jugendliche ohne Schulabschluss würden hier angenommen. Es sei enorm wichtig, Menschen zu unterstützen, das sei Aufgabe der Caritas – und diese Menschen zu stärken, zu motivieren. „Der Schlüssel dafür heißt Bildung.“

Enorme Kostensteigerungen: „Oft gehen wir bis zu zwei Jahren in Vorleistung“

Doch blickt er auf den Status Quo in der sozialen Branche, ist der Caritas-Direktor nicht sehr optimistisch: Man stehe unter Druck, sagt Sollfrank. Die Politik spare an Sozial- und Bildungsausgaben, die Pflegekassen steuerten auf ein Milliardendefizit zu, der Kostenanstieg sei wegen Inflation und Tarifsteigerungen enorm. „Oft gehen wir bis zu zwei Jahren in Vorleistung, die Refinanzierung ist unzureichend und kommt zu spät.“ Und gleichzeitig steige der Bedarf an sozialer und pflegerischer Hilfe deutlich an.

Gleichzeitig gehe die Schere zwischen der politischen Wahrnehmung und dem Alltag vieler von Armut bedrohter Menschen immer weiter auseinander. Zu den Beratungen der Caritas kämen beispielsweise immer häufiger Familien, die ihre Schuldzinsen nicht mehr abbezahlen könnten, erzählt Sollfrank. Der Direktor formuliert einen eindringlichen Appell an Gesellschaft und Politik: „Wir müssen uns darum bemühen, dass der soziale Frieden nicht weiter bedroht wird.“ Sonst werde es zu weiterer sozialer Spaltung kommen.

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