Wie viel er in das Ärztehaus-Grundstück am Candidplatz investiert hat, wollte Michael Ehret, mit seinem Büro Ehret + Klein Hauptbauherr des geplanten "Candid-Tors", trotz drängender Nachfragen aus dem Publikum nicht verraten. Fest stand am Ende des Bürgerworkshops zum Projekt jedenfalls, dass sich Ehret und seine Partner von der Hamburger Values Real Estate in eine kritische Nachbarschaft eingekauft haben - für welchen Betrag auch immer.
Rund 110 Anwohner waren auf Einladung von Bezirksausschuss und Investor gekommen. Viele von ihnen zeigten sich unzufrieden mit dem bei solchen Projekten inzwischen üblichen Veranstaltungsformat aus Präsentation, Diskussion an "Thementischen" und abschließender Auswertung. Stattdessen forderten die überwiegend jungen Mitglieder einer kürzlich gegründeten Bürgerinitiative einen offenen Dialog zwischen Podium und Publikum.
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BA-Chef Sebastian Weisenburger (Grüne) versprach schließlich mindestens eine weitere Anwohner-Runde im Stil einer Themen-Bürgerversammlung. Zugleich bat er um Entschuldigung für den späten und offenbar nicht lückenlosen Versand der Einladungen durch einen externen Dienstleister. Wie schon zuvor bei Veranstaltungen zum Stadion-Ausbau gaben Teilnehmer an, nur zufällig von der Veranstaltung erfahren zu haben, weil sie keine Postwurfsendung erhalten hatten.
Ehret und die Veranstaltungsmoderatorin Claudia Neeser waren bemüht, die Untergiesinger vom Mehrwert ihres Projekts zu überzeugen: öffentliche Tiefgaragenplätze, die Aufwertung des angrenzenden düster-schmuddeligen Platzes unter der Candidbrücke, eine Kooperation mit dem Jugendtreff Akku, eine Kita und andere soziale Einrichtungen im Gebäude, eine frei zugängliche Dachterrasse, ein Theatron für Kulturveranstaltungen - all das könnte das Projekt mit sich bringen, die Verschönerung des ruhigen Ärztehaus-Innenhofs ohnehin.
"Was hat das mit dem Hochbau zu tun?", wollte ein Teilnehmer wissen. Auf mehrmalige Nachfragen hatte Ehret die Höhe des Gebäudes mit 60 Metern angegeben, was einigen kritischen Teilnehmern zu niedrig schien angesichts von 17 Stockwerken und früheren Angaben, wonach 64 Meter geplant seien. Etwa zwei Drittel der Hochhaus-Silhouette würden zwar von der östlich gelegenen Isar-Hangkante geschluckt, dennoch fürchten Anwohner aus der Gegend ums Stadion, ihr freier Blick nach Westen über die Stadt könnte verbaut werden.
Die spektakuläre Gestaltung als Tor aus gestapelten Quadern war bereits in der Stadtgestaltungskommission gemischt aufgenommen worden. Auch in Giesing bezweifelten Anwohner, ob sie in ihr bodenständiges Viertel passt. Mehr als nur eine Geschmacksfrage bleibt, wie weit der Schatten reicht, den das Gebäude im Winter über die nördlichen Nachbarhäuser wirft, und wie viel Schall vom Mittleren Ring es dorthin reflektiert.
Die Untergiesinger Bürgerinitiative stört sich nicht nur am Schattenwurf, sondern auch an drohender nächtlicher Lichtverschmutzung durch erleuchtete Bürofenster. Ihr Vertreter Benjamin Ruß führt weitere Kritikpunkte an, die in der Workshop-Diskussion keinen Platz fanden: Sorge bereite den Anwohnern etwa, dass der Hamburger Projektpartner Values Real Estate gezielt Ärztehäuser aufkauft und entwickelt. Bestandsmieter sollen zwar im Neubau nicht mehr bezahlen, neu einziehende Praxen könnten dafür aber mit umso höheren Mieten belastet werden. Vor allem die kassenärztliche Grundversorgung durch das Ärztehaus sei also gefährdet. Insgesamt drohe dem Viertel ein Gentrifizierungsschub durch das Tor.
Dass es seine Umgebung auch in Sachen Baumasse allzu sehr verändern könnte, wie Anwohner kritisieren, befürchtet Ehret unterdessen nicht, "dafür sind wir zu isoliert". Außerdem werde für das Areal ja ein Bebauungsplan aufgestellt, mit nur hier geltender Dichte. BA-Chef Weisenburger hatte dabei daran erinnert, dass die Stadtgestaltungskommission sich de facto "der Stimme enthalten" und die Sache in die Hände des Bezirksausschusses gelegt habe, was nur selten vorkomme. Das Planverfahren biete über den BA also den Bürgern die Chance echter Mitsprache, betonte Weisenburger.