Café Westend:Wirtshaus-Frühstück für Langschläfer

Café Westend: Die Frühstücksportionen im Café Westend sind so üppig, dass man das Mittagessen getrost ausfallen lassen kann - es sei denn, man hat ohnehin erst am Nachmittag "gefrühstückt".

Die Frühstücksportionen im Café Westend sind so üppig, dass man das Mittagessen getrost ausfallen lassen kann - es sei denn, man hat ohnehin erst am Nachmittag "gefrühstückt".

(Foto: Robert Haas)

Das Westend hat sich in den vergangenen 25 Jahren stark gewandelt, doch das gleichnamige Café ist sich treu geblieben. Es überzeugt ohne Attitüde - und mit üppigen Portionen.

Von Thomas Balbierer

Da ist zum Beispiel der Kondomautomat in der Herrentoilette. Es ist nichts Verruchtes und schon gar nichts Verbotenes daran, Verhütungsmittel am stillen Örtchen einer Gaststätte anzubieten, das war früher ganz normal. Doch der weiße Kasten an der Toilettenwand im Café Westend fällt auf und bleibt nachhaltig in Erinnerung, wenn man die hippen Cafés der Stadt kennt, wo das hyperaufgeklärte Großstadtmilieu zur veganen Bowl einen Flat White mit Hafermilch bestellt. Ein Kondomautomat am Klo? Ist dort nur schwer vorstellbar, höchstens als Gag.

Das Café Westend dagegen schert sich nur wenig um den Zeitgeist - und kommt dadurch unaufgeregt und unprätentiös daher. Attitüde, das überlässt man hier den anderen. Der Cappuccino wird ohne Nachfrage mit Kuhmilch serviert, auf der Frühstückskarte liest man das von der Werbung mittlerweile heiß geliebte Wörtchen "vegan" kein einziges Mal - während "Wurst" rund ein halbes Dutzend Mal auftaucht. Die Gäste stört das nicht, wie ein flüchtiger Blick über die Teller zeigt.

Die Einrichtung, schweres Holz an Boden, Tischen und Wänden, könnte man wohl als "rustikal" bezeichnen. Die Frühstücksportionen sind so üppig, dass man das Mittagessen nach erfolgreichem Verzehr getrost ausfallen lassen kann - es sei denn, man hat ohnehin erst am Nachmittag "gefrühstückt" (das Lokal ist für seine großzügige Auslegung des Morgenmahls bekannt: Frühstück gibt es täglich von 9 bis 15 Uhr).

In diesem Jahr feiert das Café Westend sein 25. Jubiläum, eine Ewigkeit in der sich rasant verändernden Gastro-Branche. Und auch eine Ewigkeit in einem Viertel wie dem Westend, das sich vom Arbeiter- und Messequartier zum urbanen In-Viertel gewandelt hat. Betreiber Manfred Walter Rott, ein Gastronom mit warmem Münchner Dialekt, hat die Verwandlung miterlebt. "Als ich das Lokal vor mehr als 25 Jahren zum ersten Mal betreten habe, dachte ich: ,Nein, da will ich nicht hin!' Das Westend war unansehnlich, unaufgeräumt und dreckig."

Café Westend: Als Manfred Walter Rott das Café Westend eröffnete, war das Viertel "unansehnlich, unaufgeräumt und dreckig", sagt er.

Als Manfred Walter Rott das Café Westend eröffnete, war das Viertel "unansehnlich, unaufgeräumt und dreckig", sagt er.

(Foto: Robert Haas)

Mit dem Umzug der Messe nach Riem 1998 habe sich vieles verändert, neue Wohnungen, neue Geschäfte, neue Restaurants, neue Bewohner. Das Café Westend allerdings blieb, obwohl oder gerade weil Rott viele Trends vorbeiziehen ließ. "Wir sind uns treu geblieben", sagt er. Die Leute kommen gerne, davon zeugt an warmen Tagen der stets gut gefüllte Außenbereich. Da darf auch ruhig der Kondomautomat im Keller hängen bleiben.

Was gibt es da und was kostet es?

Das Café Westend ist das Wirtshaus unter den Frühstückslokalen, was nun auch keine Überraschung ist, weil das Westend ausweislich der eigenen Homepage genau das sein will: ein Wirtshaus. Und so orientieren sich auch die Frühstücksportionen an der Größe von Wirtshausgerichten. Wer zum Beispiel das Frühstück Trento (12,90 Euro) bestellt, bekommt einen Brotkorb mit reschen Mini-Semmeln und Laugengebäck, einen frischgebackenen Hefezopf, Parmaschinken, drei Bruschetta-Scheibchen mit feiner Olivencreme, ein opulentes Rührei mit Tomaten, Mozzarella und frischem Basilikum, Marmelade sowie ein Gläschen frisch gepressten Orangensaft. Neben den unterschiedlichen Frühstückstellern mit Klassikerzutaten wie Spiegelei, Speck, Lachs oder Käse entdeckt man sogar noch eine Prise Zeitgeist in der Karte: Das Frühstück Tel Aviv (13,80 Euro) wird unter anderem mit Avocado, Hummus, Sprossen und Kresse serviert.

Café Westend: Die Einrichtung im Lokal, schweres Holz an Boden, Tischen und Wänden, könnte man wohl als "rustikal" bezeichnen.

Die Einrichtung im Lokal, schweres Holz an Boden, Tischen und Wänden, könnte man wohl als "rustikal" bezeichnen.

(Foto: Robert Haas)

Dazu gibt es die Möglichkeit, sich das Frühstück selbst zusammenzubasteln, zum Beispiel einen Sesambagel mit Frischkäse, Rucola und Räucherlachs (5,90 Euro). Abends, wenn also selbst die längste Frühstückszeit zu Ende ist, kommen Burger, Schnitzel oder Suppen auf den Tisch. Im Keller wird auf drei Bahnen gekegelt oder Billiard gespielt.

Wen trifft man dort?

Junge Eltern mit Baby, die Familienrunde, Paare, Stammkegler. "Unsere Zielgruppe ist sehr breit", sagt Rott, er könne da gar nicht groß eingrenzen. Die meisten Gäste schätzten das "gute Preis-Leistungsverhältnis", glaubt er - und dass man hier ohne großen Schnickschnack satt werde.

Was besonders auffällt?

Das Café Westend muss keine großen Töne spucken, es lebt von jahrelangen Stammkunden und Gästen aus dem Viertel, die den kantigen Charme des Lokals schätzen. Beim Blick auf die Homepage bleibt man schließlich doch an einem verdächtigen Satz hängen: "Unser Frühstück - so heißt es - zählt zu den besten Münchens." Das bisschen Selbstüberschätzung sei verziehen.

Café Westend, Ganghoferstraße 50, 80339 München, 089/508341, Öffnungszeiten: Täglich 9-22 Uhr

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