Am kommenden Freitag lädt das Café "Über den Tellerrand" zum "Falafel-Finale" ein. Nebst dem Duft von frittierten Kichererbsenbällchen, Linsensuppe und selbstgemachtem Hibiskussirup wird dann auch viel Wehmut in der Luft liegen. Denn das preisgekrönte und von einem gemeinnützigen Verein getragene Integrationscafé im Einstein 28, dem Bildungszentrum der Münchner Volkshochschule (MVHS) in Haidhausen, wird an diesem Abend seine Türen für immer schließen. "Aufgrund finanzieller Verluste durch die Pandemie und die nur langsame Erholung der Umsätze stehen wir finanziell kurz vor dem Aus", erläutert das Team des Lokals die Situation in einer Mitteilung. Dazu komme die ungewisse Zukunft angesichts der Inflation, der nahenden Erhöhung des Mindestlohns und der Gefahr einer neuerlichen Corona-Welle im Herbst.
All dies habe den Verein letztlich dazu bewogen, einen Schlussstrich zu ziehen, sagt Annika Schaarschmidt, die Betriebsleiterin des Cafés. Aktuell sei man dabei, Anschlussjobs für die elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, von denen etliche in ähnlichen sozialen Projekten unterkommen werden, so Schaarschmidt. Schließlich ist das "Über den Tellerrand" kein gewöhnliches Café, sondern versteht sich als Sozialunternehmen, das Menschen mit und ohne Fluchthintergrund über Essen und Trinken zusammenbringen will. Für sein Konzept gewann das Lokal im Frühjahr 2019 den mit 10 000 Euro dotierten Deutschen Gastro-Gründerpreis - knapp ein Jahr, nachdem es im Einstein 28 eröffnet hatte.
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Das Gros der Beschäftigten hat einen Fluchthintergrund
Hinter dem Café steht der Verein "Über den Tellerrand kochen München", der seit 2015 Kochkurse, Picknicks, Kochtreffs und andere Veranstaltungen organisiert, um Menschen mit und ohne Fluchthintergrund über das Thema Essen zusammenzubringen. Darüber hinaus unterhält der Verein eine Gastro-Akademie, die Geflüchteten den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern soll. Dasselbe Ziel verfolgt auch das Café im Foyer des MVHS-Gebäudes, wo das Gros der Beschäftigten einen Fluchthintergrund hat. Entsprechend breit gefächert ist dort das Speisenangebot: "Bei Butterbreze und Baklava, Hummus und Obatzda" soll das Lokal ein Kennenlernen und einen Austausch auf Augenhöhe ermöglichen, heißt es auf der Speisekarte. Auch deshalb setzt das "Über den Tellerrand" auf eine "soziale Preisspanne". So entscheidet der Gast selbst, ob er beispielsweise für das marokkanische Lammgulasch 10,50 Euro, 13 Euro oder 15,50 Euro bezahlt. Gerade in Zeiten von rasant steigender Inflation habe man jedoch feststellen müssen, dass die Besucherinnen und Besucher zunehmend den günstigsten Preis gewählt hätten, berichtet Betriebsleiterin Annika Schaarschmidt. Auch das habe es dem Café erschwert, finanziell über die Runden zu kommen.
Nun wird das Lokal also am Freitag letztmals Gäste begrüßen, was auch der Vermieter, die Münchner Volkshochschule, bedauert. "Das Konzept des 'Über den Tellerrand' mit seinem sozialen Charakter, mit der bunten und abwechslungsreichen Speisekarte und der solidarischen Preisgestaltung passte ausgezeichnet zur MVHS", betont ein Sprecher der Einrichtung. Aktuell führe man Gespräche mit möglichen Nachfolgern. Bis ein neuer Betrieb in den Räumen eröffnet, könne es aber noch etwas dauern, so der Sprecher. "Einen längeren Leerstand möchten wir aber auf alle Fälle vermeiden."