Gastronomie in München:Aus Cord wird Kranich

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Mitten in der Krise wechseln Café und Club die Besitzer. Für das Restaurant gibt es große Pläne, aber wie es mit der Indie-Disco weitergeht, ist offen.

Von Laura Kaufmann

In eineinhalb Monaten ist es ein Jahr her, dass der Cord Club - wie viele andere Clubs auch - wegen Corona seine Pforten schließen musste. Und dass sich die Situation der Nachtlokale bald ändert, ist noch nicht abzusehen. Umso erstaunlicher also, dass sich etwas tut im Club. Vor allem aber im dazugehörigen Café Cord auf der anderen Straßenseite.

Dort soll möglichst bald neu eröffnet werden - zumindest mit einem Liefergeschäft. Das Café Cord wird dann aber Café Kranich heißen. Christian Dengler, der ehemalige Betreiber, hat seine DKV Gastronomie GmbH, die den Cord Club, das Café Cord und das dazugehörige Maxe Belle Spitz umfasst, verkauft. An Robert Benke, Michael Pointl, Michael Meleschko und Philipp Schwarz.

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Mehr oder weniger in dieser Konstellation haben die Gastronomen schon das Lokal Holzkranich in der Maxvorstadt, den kleinen Kranich, das Drossel & Zehner und in diesem Sommer den Wein- und Biergarten auf der Praterinsel auf die Beine gestellt; außerdem Festivalreihen wie das Sonntagsgefühl. Das ist schon nicht wenig, aber der Neuzugang katapultiert sie jetzt noch einmal in eine andere Liga.

Geplant war es nicht, sich so zu vergrößern. Aber in der aktuellen Lage suchten die Kranich-Betreiber nach einer Winterentsprechung zum Wein- und Biergarten. Also nach einer Fläche, die sie draußen bewirtschaften könnten. Schon früher hatten sie auf der Terrasse des Café Cords eine Art Weihnachtsmarkt aufgezogen. Als sie mit ihrer Idee zu Christian Dengler kamen, fragte er sie, ob sie sich nicht vorstellen könnten, gleich die ganze GmbH zu übernehmen.

Eine ganze Gastro-GmbH zu kaufen, in diesen Zeiten, inklusive der Verträge, der Mitarbeiterverantwortung: riskant. Aber auch "eine Riesenchance", sagt Benke. Die Miete für den Cord Club beträgt um die 10 000 Euro, beim Café kommen allein die Nebenkosten auf einen ähnlichen Betrag. Wann eine der Lokalitäten wieder wirtschaftlich betrieben werden kann, weiß niemand. Auf eine sechsstellige Summe einigte man sich für die DKV. Stabil sei das Unternehmen durchaus, sagt Benke, man könne nicht sagen, Corona hätte das Geschäft zerstört.

Ob Vollblutgastronom Christian Dengler ohne die erzwungenen Schließungen verkauft hätte, ist trotzdem fraglich. "Von außen betrachtet würde ich sagen: Schau, dass du mit einem blauen Auge da rauskommst", hatte er im frühen Sommer gesagt. Das Herz aber spiele die größere Rolle. Nun hat er offenbar doch anders abgewogen. "Er hätte die GmbH aber auch einfach an einen großen Konzern verkaufen können statt an uns", sagt Benke.

Unmut wurde laut, als unter der eingeschworenen Gemeinschaft der Club-Mitarbeiter der Verkauf publik wurde. 15 Jahre lang gab es den Cord Club in seiner jetzigen Form. In Club-Lebenszeiten ist das eine Ära. Liebhaber von Indiemusik fanden dort ein nächtliches Zuhause; nach dem Aus des Atomic Cafés vielleicht das letzte dieser Art.

"Für uns ist der Cord Club eine Institution und im Grunde genommen ein stabiler Laden", sagt Robert Benke. "Wir kommen eher aus der Elektro- und Hiphop-Ecke, und deswegen war natürlich die Angst da: Wenn wir das machen, gibt es den Cord Club nicht mehr." Ein bisschen breiter aufstellen, das könne man sich in Zukunft durchaus vorstellen, aber das Indie-Thema samt Konzerten stünde bislang nicht zur Disposition. Das läge aber auch daran, dass man momentan überhaupt nicht wisse, wie es für den Club weitergehen könne. Die Planungen konzentrieren sich auf das Café. Die kleine, musikalische Boazn Maxe Belle Spitz soll genauso bleiben, wie sie war - und für den Club sähe man sich vorerst nach Zwischennutzungen um. "Es wäre unseriös, jetzt schon etwas zu dem Club zu sagen", sagt auch Michael Pointl.

Hochwertig, aber nicht überkandidelt soll das neue Café Kranich werden

Große Pläne gibt es hingegen für das Café. Wobei Café für den zweistöckigen Komplex in einem Innenhof in der Sonnenstraße nahezu eine Untertreibung ist. Eigentlich ist es Café, Restaurant und Bar in einem, und zu den mindestens 150 Plätzen innen kommt noch einmal die gleiche Anzahl draußen. Der frühere Retro-Plüsch-Look ist gewichen. Die Betreiber setzen ihren gemütlichen Wohnzimmer-Midcentury-Chic, wie ihre Gäste ihn zum Beispiel aus dem Holzkranich kennen, auch in der neuen Location um. Dazu viel Grün, statt Kronleuchtern Pflanzen, die von der Decke hängen. Die großen Fenster sollen etwas verkleidet werden, um den Raum gemütlicher zu machen. Unten ist der Barbereich mit großem Stehtisch, gegessen wird eher oben.

Das Café Kranich soll ein Ort in der Innenstadt sein, das zu jeder Tageszeit einen gemütlichen Zufluchtsort und dazu ordentliche Verpflegung bietet. Von Frühstück über Mittagstisch bis zu Kaffee und Kuchen und einer breit gefächerten Karte am Abend soll es alles geben, egal ob für Veganer, Fisch- oder Tatar-Liebhaber. Hochwertig, aber nicht überkandidelt soll es werden, die Brotzeitküche des Trachtenvogels weiterentwickelt - "wir wollen noch mal eine Schippe drauflegen", sagt Robert Benke. Die Bar unten soll mit "Signature Drinks" und sogar einem eigens kreierten Gin aufwarten, genauso wird es aber ein entspanntes Tegernseer Helles geben.

Im Moment laufen Gespräche mit dem Vermieter und der Lokalbaukommission, wie der Hof etwas lauschiger gestaltet werden kann; gerade in diesem Frühjahr und Sommer, wo sich höchstwahrscheinlich vieles im Freien abspielen wird, ist eine solche Terrasse ein Segen. Mangels Anwohnern müssen die Stühle auch nicht um 23 Uhr hochgeklappt werden.

Die Kranich-Betreiber hoffen, das Café Ende März aufsperren zu können. Erst dann wird nämlich ihre Lieblingstapete die Wand schmücken. Auch Gastronomen müssen derzeit etwas länger auf Einrichtungslieferungen warten.

© SZ vom 30.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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