Berg & Mental:"Wir wollten ein Ort der Begegnung sein"

Lesezeit: 3 min

Dominique de Marné und Lasse Münstermann im Dezember 2019 im "Berg & Mental" - das erste Café für mentale Gesundheit. Damals schauten die beiden noch zuversichtlich in die Zukunft. Von Corona sprach zu dieser Zeit niemand. (Foto: Robert Haas)

Sie hatten einen Businessplan, viele Unterstützer und am Anfang großen Erfolg. Jetzt muss das erste Mental Health Café Deutschlands schließen - noch geben die Betreiber nicht auf.

Von Sabine Buchwald, München

Seit Anfang Dezember 2019 gibt es das Mental Health Café "Berg & Mental" in der Thalkirchner Straße. Es ist das erste seiner Art in Deutschland. Dahinter steht das Sozialunternehmen Mental Health Crowd mit seinen Gründern Dominique de Marné, 35, und Lasse Münstermann, 42. Die beiden wurden zu dem Konzept von einem Vorbild aus den USA inspiriert und entwickelten dazu eigene Ideen. Neben Getränken und Snacks gab es ein gutes Sortiment an Büchern zu psychischer Gesundheit und verschiedene Veranstaltungen. "Die ersten drei Monate liefen super", sagt Marné rückblickend. Dann kam die Corona-Zeit. Diesen Sonntag schließt das Café für den Publikumsverkehr.

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SZ: Ihr Konzept passt besser denn je, denn viele Menschen kämpfen mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Psyche. Warum schließt das Café ausgerechnet jetzt?

Dominique de Marné: Weil unsere Ressourcen nicht mehr reichen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Sie sind mit einem Business-Plan gestartet und bekamen Geld aus Crowdfunding-Aktionen und von anderen Helfern. Haben Sie sich verrechnet?

Nein, alles war perfekt durchgerechnet. Vor Corona hätten wir die dreifache Menge an Tischen besetzen können. Noch Ende Februar 2020 hatten wir überlegt, wo wir eine zweite Filiale eröffnen könnten, so gut lief es. Wir hatten vorher alle möglichen Szenarien berücksichtigt - nur eine anhaltende Pandemie war nicht vorgesehen.

Wie haben Sie es überhaupt so lange geschafft?

Wir haben nochmal Darlehen aufgenommen, ein weiteres Crowdfunding gestartet und wurden von unseren Followern in ganz Deutschland unterstützt. Und wir haben gespart, wo immer es ging. Anfangs hatten wir das Credo: sieben Tage die Woche von morgens bis abends offen. Der Lockdown, die sich ständig ändernden Auflagen, die Corona-bedingte Unsicherheit versuchten wir mit verschiedenen Ideen zu überstehen. Zum Glück liefen unsere anderen Projekte gut. Das hat uns geholfen.

Projekte wie Vorträge und Workshops?

Ja. Und die stießen auf großes Interesse, konnten aber nur digital ablaufen, dabei wollten wir doch ein Ort der Begegnung sein. Aber wir sind flexibel. Letztes Jahr entwickelten wir einen Mental-Health-Guide, der sehr gut angenommen wird. Es ist ein Selbstlernkurs in zwölf Kapiteln zu Themen wie körperliche Gesundheit, Resilienz und emotionale Intelligenz, die man sich mit Videos, Texten und in Quizzen erarbeiten kann. Das sind alles Themen, die man eigentlich in der Schule schon vermitteln sollte. Persönlich befassen wir uns schon lange damit. Viele Unternehmen kamen dann auf uns zu, weil sie gemerkt haben, dass ihre Mitarbeiter Unterstützung brauchen.

Aber das reicht nicht?

Immerhin hat das dazu beigetragen, das Café bis hierhin offen halten zu können. Aber wir müssen unternehmerisch der Realität in die Augen schauen. Es ist uns jetzt wichtiger, unsere Mission aufrechtzuerhalten, als ständig Brände zu löschen rund um den Laden und Geld aufzutreiben für die Miete.

Könnte man das Konzept nicht verkaufen?

Das ist eine der Möglichkeiten, wie wir diesen Ort erhalten könnten. Wir dachten, ein Franchise-Konzept aufzustellen, so wie es das etwa für Burger-Läden gibt. Wir hatte bestimmt 50 Anfragen. Wir könnten den Leuten, die sich auf den Weg machen, helfen mit unseren Erfahrungen. Denn das Konzept funktioniert. Es ist die Pandemie, an der wir gescheitert sind. Für Übernahmen ist der Markt generell gerade sehr schwierig. Aber wir sind offen für Anfragen.

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Was könnte jetzt noch helfen?

Ein Wunder! Das Wunder müsste allerdings mittel bis groß sein.

Kennen die Krankenkassen und die Stadt Ihr Konzept?

Ja, wir hatten es ihnen vor der Eröffnung vorgelegt. Das Signal war: Tolle Idee, genau das braucht es. Dass wir dennoch keinerlei Förderung erhielten, liegt vor allem daran, dass das Konzept zu neu, zu anders ist für die etablierten Förderstrukturen. Wir sind offen für vieles, aber es müsste dauerhaft sein. Nochmal 10.000 Euro über ein Crowdfunding würde gerade für einen Monat reichen.

Und jetzt?

Machen wir weiter, über mentale Gesundheit zu sprechen. Wir wollen etwas verändern. Und fest steht auch: Das Berg & Mental wird bestehen bleiben - in der virtuellen Form oder als Tagesaktionen in anderen Städten. Wir haben viele Ideen. Eigentlich haben wir alles richtig gemacht, nur das Timing war unglücklich. Doch wer weiß, vielleicht passiert ja noch ein Wunder.

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