Noch keine vier Minuten ist der Laden alt, da hat sich am Service Desk schon die erste Schlange gebildet. Wie schnell bitte schön kann man sich für ein Kleidungsstück entscheiden? Probiert man nicht vorher mal an und aus, ob Ärmel oder Hosenbeine auch wirklich lang genug sind, ob nicht irgendwas zwickt? Nein, die ersten Einkäufer hier sind keine Speed-Shopper, sondern bloß auf das Goodie-Bag aus. Die ersten hundert Kund*Innen (sic!) erhalten an diesem Morgen nämlich eine kleine Wundertüte voller Überraschungen – ja, ist denn heut schon Weihnachten? Ist es nicht, bloß Eröffnung bei einem der traditionsreichsten Bekleidungsunternehmen und unverzichtbarem Bestandteil einer jeden bundesrepublikanischen Fußgängerzone: C&A.
72 Jahre lang war das Familienunternehmen in sechster Generation, 1841 in Friesland gegründet von den deutsch-niederländischen Brüdern Clemens und August Brenninkmeijer (daher der Firmenname), in der Kaufingerstraße 13 zu Hause, sechs Etagen hoch. Vorbei, das Kaufhaussterben ist real. Was aus dem riesigen Gebäudekomplex gegenüber vom Modehaus Hirmer wird? Wer weiß. Am neuen Standort, Hausnummer 19-21, handgestoppt eine Minute dreißig Fußmarsch Richtung Stachus entfernt, ist man ebenfalls von Baustellen umzingelt. Jahrelang war hier Sport Scheck beheimatet, noch so eine Kaufhaus-Institution im Sturzflug. Egal, C&A versucht es mit einem Neustart, auf drei Etagen, rund 5000 Quadratmetern Verkaufsfläche und gut hundert Mitarbeitern.
Die stehen Punkt halb zehn auf der einen Seite eines schwarzen Absperrbandes, zählen von zehn runter, bevor auf null gleich mit fünf Scheren das schwarze Absperrband zerschnitten wird, das die nun klatschende und lauthals johlende Belegschaft von der in der Kälte wartenden Kundschaft getrennt hat. Hat sich offenbar herumgesprochen, dass es hier etwas zu holen (das Goodie Bag!) und zu sehen gibt. Drinnen ist es nicht nur schön warm und hübsch hergerichtet, es hagelt auch nur so von spektakulären Angeboten: Mehr als zweistellige Preisschilder sind die Ausnahme. Das Eröffnungsangebot verspricht zudem 20 Prozent auf sogenannte Outerwear.
Daniel Lattemann, seines Zeichens Sales Lead, wie es auf Kaufhaus-Deutsch heißt, blickt dem Neuanfang erfreut entgegen: „Wir sind stolz auf diese brandneue Filiale und freuen uns, dass C&A in den Standort München investiert hat.“ Mit mehr als 1300 Filialen in 17 europäischen Ländern und circa 25 000 Mitarbeitern ist C&A nach wie vor eins der führenden Modeunternehmen in Europa. Vom Vormieter übernommen hat man den umweltfreundlich überarbeiteten Fußboden und die ausladende Video-Installation im Eingangsbereich. Neu sind das Logo, die „modern gestalteten Umkleidekabinen samt zusätzlichem Lounge-Bereich, der durch bequeme Sitzmöglichkeiten ein entspanntes Anprobe-Erlebnis schafft“, wie das Unternehmen es formuliert.
Generell setze man „auf eine harmonische Verbindung von Design, Funktionalität und modernster Technik. Das neue Konzept bietet durch eine helle, einladende Optik und eine durchdachte Produktstruktur ein erstklassiges Einkaufserlebnis“, heißt es. Der von Sport Scheck früher fast komplett zugestellte Atrium-Innenhof wurde sichtbarer gemacht und mit reichlich Grünpflanzen versehen – ein bisschen Tageslicht dürfte eben jenem Einkaufserlebnis nicht abträglich sein. Kaufhaus-Musik gibt’s natürlich auch – man soll ja schließlich beschwingt von Kleiderständer zu Kleiderständer schweben. Schön fortschrittlich auch, dass sich der Wickelraum im zweiten Stock befindet – auf der Herren-Etage.
Auch die Zahl der Scan&Go-Selbstbedienungskassen wurde deutlich erhöht, um Wartezeiten zu reduzieren. Feine Sache, aber nicht ganz ungefährlich: Schon nach zehn Minuten hat jemand seine Bankkarte stecken lassen. Und wer zu diesem Zeitpunkt noch nach dem Goodie Bag fragt, bekommt von der gut gelaunten Fachverkäuferin zur Antwort: „Ui, da müssen Sie sich aber beeilen.“