Bundestags-Wahlkreis München-Ost:„Hier habe ich mein Glück gefunden“

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Wolfgang Stefinger (CSU) spricht bei der Weihnachtsfeier des VdK Ost. (Foto: Leonhard Simon)

Im Wahlkreis im Münchner Osten treten bei den drei großen Parteien zwei neue und ein routinierter Kandidat an: Der CSU-Politiker Wolfgang Stefinger, der auf einen Listenplatz verzichtet. Für die Grünen geht André Hermann ins Rennen und für die SPD David Rausch.

Von Heiner Effern

Wolfgang Stefinger sitzt am Ehrentisch, ganz vorne im Saal des Wirtshauses „Am Hachinger Bach“. Der Bundestagsabgeordnete der CSU singt mit, wenn der Chor die Zuhörer dazu animiert, und er hört sich die Sorgen an, die die Menschen hier in ihren Ansprachen und an den Tischen vorbringen. Eine treibt die Seniorinnen und Senioren grad besonders um: Ihr bisheriger Orts-Vorstand im Sozialverband VdK hört auf, eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger ist nicht gefunden. In Perlach, dem deutschlandweit größten Ortsverband, weiß an diesem Nachmittag niemand, wie es weitergeht.

Auch wenn Stefinger für die Mitglieder keinen neuen Vorstand herbeizaubern kann, es tut ihnen spürbar gut, dass ihr Abgeordneter vorbeischaut. „Wir sind stolz darauf, dass er so lang unter uns ist“, sagt ein Redner: „Das ist keine Selbstverständlichkeit.“ Der Wolfgang Stefinger sei aber auch immer gekommen, wenn kein Wahlkampf war. Das rechnen sie ihm hier hoch an.

„Es passiert so viel in den Vereinen. Das kann man gar nicht genug wertschätzen“, sagt der 39 Jahre alte Politiker: „Das ehrenamtliche Engagement hält die Gesellschaft zusammen.“ In seiner Rede kommt die Bundestagswahl am 23. Februar nicht vor, aber natürlich will er die Menschen im Münchner Osten weiter im Bundestag vertreten. Präsenz zeigen bei den Vereinen gehört dazu.

Seit 2013 sitzt er im Bundestag, jedes Mal hat er den Bundeswahlkreis München-Ost gewonnen. Auf einen Platz auf der CSU-Landesliste hat er wieder verzichtet. „Eine gewisse Beinfreiheit“ verschaffe einem das als Abgeordneten, sagt er. Die nutzt er schon mal, um abweichend von der Fraktion abzustimmen, zum Beispiel bei der Ehe für alle. Da handelte er aus persönlicher Überzeugung: In der letzten Legislaturperiode machte Stefinger als erster Abgeordneter der CSU öffentlich, dass er mit einem Mann zusammen ist.

Nicht überall auf Parteilinie

Bei den klassischen CSU-Themen wie Sicherheit und einer stabilen Wirtschaft liegt er auf Parteilinie, und einen Treiber für die hohen Mieten will er auch angehen: die Erbschaftssteuer, die seiner Ansicht nach zu vielen Hausverkäufen und anschließenden Luxussanierungen in München führe. Dazu will er die Entwicklungspolitik weiter gestalten, dem Ausschuss gehört er im Bundestag als Obmann für die Union an. Fit genug fühlt er sich dafür wieder nach einer Krebserkrankung, die er selbst öffentlich gemacht hat. „Mir geht’s gut“, sagt er im Wirtshaus „Am Hachinger Bach“.

SPD-Kandidat David Rausch beim Gespräch vor den Riem-Arkaden. (Foto: Stephan Rumpf)

Während es dort angenehm warm ist und noch der Duft von Wiener Schnitzel in der Luft liegt, pfeift bei David Rausch der Wind kalt um die Ecke. Er blickt von seinem Wahlkampfstand zwar auch auf kulinarische Spezialitäten, am Willy-Brandt-Platz in Riem ist gerade Wochenmarkt, doch als neuer Kandidat der SPD lernt er an diesem Nachmittag die kalten Seiten eines Winterwahlkampfs kennen. Damit hatte auch Rausch nicht gerechnet, aber nach dem schnellen Ende der Ampelkoalition musste alles noch fixer gehen als gedacht. Werbematerial, Plakate und konkrete Gedanken mussten her, wie man seine Themen in wenigen Wochen an die Leute bringt.

„Das Wohnen ist die wichtigste soziale Frage in der Stadt, an der wir arbeiten müssen“, sagt der 30 Jahre alte Sozialdemokrat, der bei der Fraunhofer-Gesellschaft arbeitet. Er will vor allem auch Politik für junge Menschen machen, weg von der „Schwarzmalerei“ hin zu attraktiven Perspektiven kommen. Dazu gehört für ihn auch, dass die Wirtschaft in München stark bleibt: „Dafür möchte ich mich einsetzen.“

Rausch lebt in Neuperlach, zufällig, wie er sagt: „Ich habe hier eine WG gefunden, als ich vor elf Jahren zum Studieren nach München gekommen bin.“ Es hat ihm dann gleich so gut gefallen, dass er nach dem Abschluss in Politikwissenschaft geblieben ist. „Hier habe ich mein Glück gefunden.“ Auch privat, seit Sommer 2023 ist er verheiratet. Der Stadtrand kommt ihm zu wenig in der Politik vor, obwohl auch im Osten, etwa in Neuperlach oder der Messestadt, spannende und bunt gemischte Viertel ein attraktives Lebensumfeld böten.

„Ein total diverser Wahlkreis, ganz verschiedene Viertel“

Der Wahlkreis München-Ost erstreckt sich vom Lehel über Haidhausen bis zur Messestadt und nach Trudering, von Bogenhausen bis Perlach. „Ein total diverser Wahlkreis, ganz verschiedene Viertel, typisch München, das macht es spannend und auch herausfordernd“, sagt Rausch. So unterschiedlich die Viertel, so unterschiedlich seien die Themen, die die Menschen bewegen: „In der Altstadt eher Verkehrswende und hier draußen, dass man als Teil der Stadt wahrgenommen wird.“

André Hermann von den Grünen hat das Ringen um soziale Gerechtigkeit in die Politik gebracht. (Foto: privat)

Der Kandidat der Grünen im Münchner Osten, André Hermann, hat sich für einen seiner Wahlkampf-Auftritte das andere Ende des Wahlkreises ausgesucht, den Viktualienmarkt. Genauer gesagt den Giesinger-Stehausschank gleich daneben. Erstaunlich viele Menschen drängen sich bei Schneeschauern unter die Schirme, allerdings haben die meisten das in Kürze anstehende Heimspiel des FC Bayern im Sinn und nicht die Bundestagswahl. Ins Gespräch mit den Gästen kommt man schon, allerdings geht es eher um das Spannungsverhältnis von Menschen, die Bier mit oder ohne Alkohol trinken.

Seine grundsätzlichen Themen kann Hermann da nur schwer anbringen, in die Politik gebracht hat ihn das Ringen um soziale Gerechtigkeit. Nach der Mittleren Reife lernte er Veranstaltungskaufmann, später legte er das Abitur und ein Studium der Entwicklungswissenschaften und Politik nach. Über sein Ehrenamt im Technischen Hilfswerk THW kam er schließlich zu beruflichen Einsätzen im Ausland. Etwa 15 Jahre hat Hermann in der humanitären Hilfe gearbeitet, unter anderem in Irak, Südsudan und in Bangladesch. „Ich habe viel gesehen“, sagt er, deshalb nerven ihn Debatten um Menschen, die fliehen müssen.

Dringend in die Vorsorge für Krisen investieren

Sein politisches Motto hat er bei der Arbeit im Ausland entwickelt. „Anpacken und eine Lösung finden“, so beschreibt der 43 Jahre alte Bundestagskandidat seine Herangehensweise. Für sich selbst hat er nach einem Einsatz in der Ukraine beschlossen, dass es für ihn und seine Familie mit den zwei Töchtern genug ist mit dem Leben in der humanitären Hilfe; seit zwei Jahren arbeitet er in einem großen Beratungsunternehmen. Krisen und Resilienz sind dort seine Aufgaben. Auch hier leitet er Themen für die Wahl ab.

Zurück in Deutschland findet er, dass die nationale Vorsorge für Krisen mangelhaft ist: „Da müssen wir investieren.“ Zum Beispiel in die Ausstattung und Ausbildung des Bevölkerungs- und Zivilschutzes, aber auch in den Schutz kritischer Infrastruktur. Zur Resilienz, also zur Widerstandskraft eines Landes gehört für ihn zwingend, sich um den Klimawandel zu kümmern und sich darauf auch einzustellen. Aufgefallen ist ihm bei seiner Rückkehr auch, dass in Deutschland die Infrastruktur „kaputt“ gespart werde. Das will Hermann ändern.

Dass es die Grünen mit ihren Themen gerade nicht leicht haben, ist ihm natürlich bewusst. Aber Hermann gibt sich selbstbewusst, und beschreibt sich selbst als widerstandsfähig: „Ich gehe da nicht rein zum Kuscheln.“

Weitere Direktkandidaten im Wahlkreis München-Ost: Mahmut Türker (FDP), Tobias Teich (AfD), David Briels (Linke), Rolf-Peter Döll (Freie Wähler), Anna Schwarzmann (Volt), Daniel Bittner (Die Partei).

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