Bundestagskandidaten im Porträt:Endlich ernst machen mit dem Klimaschutz

Bundestagswahl 2021

Als Anwohner wehrte sich Dieter Janecek gegen die schlechte Luft an der Landshuter Allee, inzwischen lebt der grüne Bundestagsabgeordnete mit seiner Familie in Wolnzach.

(Foto: Friedrich Bungert)

Der Grüne Dieter Janecek hat sich mit seiner Klage gegen die Feinstaubbelastung einen Namen gemacht. Verkehr und Klimaschutz sind auch in diesem Wahlkampf seine Themen - für radikale Ideen ist er durchaus offen.

Von Bernd Kastner

Treffpunkt Kirche. Er ist schon ein bisschen früher da - um ein bisschen frische Luft zu schnappen? Doofer Witz, aber Dieter Janecek rümpft nicht die Nase, er legt gleich los: St. Theresia, ehemals Karmeliterkloster, gebaut als Ort der Ruhe, und so weiter. Moment, um Kirche soll's doch gar nicht gehen. Stimmt, sagt Janecek, und entschuldigt noch rasch die Mönche, die vor hundert Jahren ja nicht ahnen konnten, wo ihre Nachfolger die innere Einkehr mal üben müssen. An der Landshuter Allee.

Deshalb hat Janecek den Kirchvorplatz als Treffpunkt vorgeschlagen. Hundert Meter weiter hat er mal gewohnt, dort kam seine älteste Tochter zur Welt, dort ist mit jedem Auto, das Staub und Ruß ausstieß, der Politiker Janecek ein wenig größer geworden. Vor 16 Jahren begann seine Wachstumsphase, die ihn 2013 für die Grünen in den Bundestag brachte.

Mit dem Namen Janecek wusste 2005 und in den folgenden Jahren kaum einer was anzufangen, wohl aber, dass es da einen grünen Jungspund gibt, der als Anwohner des Mittleren Rings vor die Gerichte zieht, weil er den gesundheitsgefährdenden Feinstaub nicht mehr klaglos einatmen will. Janecek obsiegte 2008, in vierter Instanz. Der Europäische Gerichtshof entschied: Jede Bürgerin, jeder Bürger der EU hat das Recht, von den Behörden einen Aktionsplan für bessere Luft einzufordern und das Einhalten der Grenzwerte einzuklagen.

Der Spaziergang führt unter Bäumen bis zu einer Fußgängerbrücke, rechts wohnen Menschen, links rauschen Autos. Und, wie fühlt sich das an, nach Jahren zurück an der Straße des ersten Erfolgs? "Ist schon ein bisschen erhebend", sagt Janecek, und: "Mein Name ist mit der Mobilitätswende in München verbunden."

Der Satz ist nicht ganz ungefährlich. Als Oppositionspolitiker ist Janecek nicht verantwortlich für Klima- und Verkehrspolitik in Berlin, und in Bayern ist seine Partei auch nicht am Ruder. Aber der Abgeordnete, der im Wahlkreis München-West/Mitte ums Direktmandat kämpft, gibt sich eben auch als Stadtpolitiker. Wie wohl kaum ein anderer aktueller Münchner MdB hat er sich in hiesige Belange involviert und reklamiert drei Siege für sich: Nicht nur das "Recht auf saubere Luft" habe er erstritten; auch den Bürgerentscheid gegen die Dritte Startbahn im Erdinger Moos habe er mitinitiiert und gewonnen, ebenso den Radentscheid. Dafür unterschrieben 2019 viele Zehntausend Münchner, sodass das Rathaus parteiübergreifend gelobte, bessere, breitere, sichere Radrouten zu bauen.

"Wir sind noch nicht sehr weit", sagt Janecek über die Verkehrswende

Weil Janecek sich so engagiert, und weil seine Partei inzwischen die größte ist in München - zumindest zahlenmäßig, um die 30 Prozent bei den letzten drei Wahlen -, darf man ihn schon mal fragen, was seine Erfolge der Verkehrswende gebracht haben. Auf der Brücke über die Landshuter Alle geht der Blick nach unten: sechs Autospuren, zwei Autoparkstreifen, links und rechts je ein schmaler Radweg. "Wir sind noch nicht sehr weit", sagt Janecek. "Wir sind noch überhaupt nicht weit." Er höre von grüngesinnten Wählern, dass man jetzt, da die Grünen stärker denn je sind, aber wirklich mal was merken müsse von einer konsequenten Klimapolitik. Ja, er verstehe die schwindende Geduld, "wir müssen jetzt liefern".

Ein Café wäre jetzt schön, in Ruhe reden. Bloß wo? Das erstbeste Lokal hat zu, also weiter, Janecek sollte sich auskennen in Neuhausen, wo er mal im Bezirksausschuss saß. Heute wohnt er, mit zweiter Frau und drittem Kind, in Wolnzach, das liegt in der Hallertau, aber natürlich, beeilt er sich zu versichern, häufig sei er in der Stadt. Da, es kommt eine Art Platz in Sicht, der hat zwar keinen Namen, aber einen Kiosk. Cappuccino, Selbstbedienung, danke, kein Zucker. Wer sich geschickt hinsetzt, den schirmt das Häuschen vom Lärm der Nymphenburger Straße ab. Wie war das mit der Wende in München, wo die Grünen, mit kurzer Unterbrechung, seit drei Jahrzehnten mit am Lenker sitzen?

"Wir müssen Raum schaffen", sagt Janecek, Raum zugunsten ökologischer Mobilität, sprich: Umverteilung. Den Autos nehmen, den Radlern geben, und auch dem Öffentlichen Verkehr. "Das kostet nicht viel Geld." Ökonomisch gesehen sei es sowieso ein Gewinn für eine Stadt, wenn weniger Autos fahren oder stehen. Kopenhagen sei für ihn das große Vorbild, sagt Janecek, weil sie dort konsequent den Radlern Raum gegeben haben. Kopenhagen? Geografisch und politisch liegt das ziemlich fern, aber Janecek verweist auch auf Tübingen. Dort regiert ein umstrittener grüner Oberbürgermeister, aber eines findet Janecek "sehr sympathisch": Dass Boris Palmer das Parken teurer machen will, und zwar für Große stärker als für Kleine. 360 Euro pro Jahr und SUV, knapp ein Euro pro Tag. In Bayern gilt noch die alte Deckelung, in kostet München ein Anwohnerstellplatz auf der Straße 30 Euro im Jahr, acht Cent pro Tag. Muss teurer werden, sagt Janecek.

Dieter Janecek ist 45 und eine Art Teilzeit-Münchner. Seine Familie stammt aus Österreich, geboren ist er in Pirmasens, erwachsen geworden in Eggenfelden, Niederbayern. Dann Politik-Studium in München, Job als PR-Berater in der IT-Branche, Landeschef der Grünen, Bundestag. Politik als Beruf. Seine Parteifreunde brachten Janecek nicht immer nur Liebe entgegen. Als sie zur letzten Bundestagswahl die Listenplätze vergaben, verpassten sie ihm einen Dämpfer, Platz 6; der damalige Landeschef Eike Hallitzky nannte seinen Amtsvorgänger einen "Ego-Shooter", so ist im SZ-Archiv nachzulesen. Der so Beschriebene erwiderte, er sei eben "unangenehm", und ändern werde er sich nicht. Immerhin, Hallitzky nannte ihn auch einen wichtigen "Vordenker". Heute sagt Janecek, leicht grinsend: "Vielleicht habe ich mich ja entwickelt. Ich höre zu." Kleinlaut wird er deshalb nicht: "Ich habe auch viel bewegt." Die Partei dankt ihm mit Platz 4 der grünen Landesliste. Berlin ist ihm sicher, selbst wenn er seinem CSU-Konkurrenten ums Direktmandat, Stephan Pilsinger, erneut unterliegen sollte.

In seiner Fraktion ist Janecek Sprecher für digitale Wirtschaft und Industriepolitik, demnächst hätte er gerne eine einflussreichere Aufgabe, lässt er anklingen. "Die ökologische Transformation der Wirtschaft" ist eines seiner Hauptziele. Er suche den Kontakt zu den Chefs in den Betrieben, will sie überzeugen von nachhaltigem Wirtschaften. Deshalb besuche er eine Firma nach der anderen, und er fühle sich verstanden: "Ich bin für die Wirtschaft halt der, der's kann." Understatement? Muss nicht sein.

Demnächst gastiert die Automesse in München. Die Grüne Jugend, deren München-Vorsitzender Janecek mal war, hat sich dem No-IAA-Bündnis angeschlossen, die "alten" Grünen im Stadtrat finden die Messe okay. IAA? Janecek schnauft. Sagt, dass die Autoindustrie bisher ökologischen Fortschritt blockiere, dass der Autoverband eine Art CSU auf vier Rädern sei. Man müsse die Industrie aber dazu bringen, die Kurve zu kriegen, das wolle er kritisch-konstruktiv beschleunigen. Also, IAA okay in München? "Ich find's nicht verkehrt." Aber dass engagierte Klimaschützer Druck machen, das sei gut.

Gemäß altgrüner Schablonen ist Janecek ein Realo. So, wie er in die Betriebe geht, um sie bei der Öko-Wende mitzunehmen, so besucht Janecek auch Wählerinnen und Wähler. An mehreren Zehntausend Türen werden er und sein Team bis zum 26. September geklingelt haben, schätzt er, in einem Wahlkreis, der vom Glockenbachviertel bis nach Lochhausen reicht. Zeit für vertiefte Gespräche bleibt nicht, zwischen Tür und Angel erwähnt er eher nicht die Citymaut, auch wenn er sie für sinnvoll hält. Beim Kioskkaffee sagt er: "Ich bin sehr bereit für radikale Veränderungen." Janecek, ein Radikal-Realo? Die Bezeichnung gefällt ihm. In Zeiten, da Ortschaften versinken und Landschaften brennen, wolle er die Menschen überzeugen vom politischen Umsteuern. "Die Bürger müssen es wollen - und einfordern."

Dieter Janecek im Video-Selbstporträt:

Die SZ hat die Münchner Direktkandidatinnen und Direktkandidaten für die Bundestagswahl gebeten, sich für ein Porträt selbst zu filmen. Alle Videos und weitere Kandidaten-Porträts finden sie hier.

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