Süddeutsche Zeitung

Immobilienmarkt:Wenn Behörden Büros in bester Lage anmieten

  • Auf dem überhitzten Immobilienmarkt mischen öffentliche Einrichtungen mit - und zahlen hohe Mieten.
  • Auch bei Vermietern haben öffentliche Einrichtungen gute Chancen. Eine deutsche Behörde als Mieter, solider geht es nicht.
  • Das bayerische Innenministerium zieht zum Beispiel bald in die ehemalige Linde-Zentrale am Oberanger, mitten in der Innenstadt.

Von Sebastian Krass

Es wäre auch billiger gegangen, sehr viel billiger als in der Premiumlage am Oberanger, mitten in der Münchner Innenstadt, wo das bayerische Innenministerium nun bald einzieht. Gut 20 Euro pro Quadratmeter, je nach gewünschtem Renovierungsstandard, hätten die Büroräume am ehemaligen Siemens-Standort an der St.-Martin-Straße gekostet, heißt es unter Münchens Maklern für Büroimmobilien, die stets auch über die Geschäfte der Konkurrenz gut Bescheid wissen - und die beobachten, wie öffentlich finanzierte Einrichtungen im Ringen um die teuersten Büroflächen der Stadt sogar Großkonzerne ausstechen.

Fast hätte sich, so erzählen es Makler, wenn ihre Namen nicht genannt werden, das Innenministerium an der St.-Martin-Straße eingemietet, vier S-Bahn-Stationen vom Marienplatz entfernt. Knapp 300 Mitarbeiter sollten dort zusammengezogen werden. Aber dann kam die bisherige Linde-Zentrale an der Ecke Oberanger/Klosterhofstraße auf den Markt, weil Linde sich nach der Fusion mit Praxair aus der Innenstadt zurückzieht. Und das war dem Innenministerium dann doch lieber: "Weil der Standort Klosterhofstraße wegen der geringeren Entfernung zum Stammgebäude am Odeonsplatz (rund 1,4 Kilometer statt 3,8 Kilometer Luftweg), zu vielen Ressorts und zum Bayerischen Landtag besser geeignet ist." So begründet ein Sprecher von Innenminister Joachim Herrmann (CSU), dass es nicht zur Unterschrift an der St.-Martin-Straße kam.

Dass der Mietpreis am Oberanger fast doppelt so hoch und selbst im überhitzten Münchner Büroimmobilienmarkt ein Spitzenwert ist, spielte offenbar eine untergeordnete Rolle angesichts einer 2,4 Kilometer kürzeren Luftlinie: Im Landtag war die Rede von 37,50 Euro pro Quadratmeter, da liefen die Verhandlungen noch. Am Ende seien es 39,50 Euro gewesen, heißt es unter Maklern. Zum Vergleich: Die Durchschnittsmiete für Büroflächen im Münchner Stadtgebiet betrug im vergangenen Jahr 22,80 Euro. Das Ministerium selbst macht keine Angaben zur Höhe der Miete. Offiziell ist aber, dass der Freistaat 12 000 Quadratmeter am Oberanger gemietet hat, so viele wären es an der St.-Martin-Straße auch gewesen. Vorsichtig gerechnet fließen pro Jahr also wohl mindestens fünf Millionen Euro an den Vermieter, die Augsburger Immobilienfirma Patrizia. Der Mietvertrag läuft 15 Jahre.

Die Stadt München, heißt es in der Immobilienbranche, würde so einen Mietvertrag nicht eingehen. Sie orientiere sich an einer Obergrenze von 20 Euro. Eine Sprecherin des Kommunalreferats erklärt: "Wenn wir nach intensiven Gesprächen" mit Eigentümern oder Maklern "bei einem Preis angekommen sind, der akzeptabel ist, schlagen wir eine Anmietung vor." Zahlen nennt sie nicht.

Egal, ob Behörde oder Unternehmen: Wer in München halbwegs zentral gelegenen Büroraum für ein paar Hundert Mitarbeiter sucht, hat ein Problem. Der Markt ist nahezu abgegrast, der Leerstand liegt stadtweit nach Angaben des Maklerunternehmens Colliers bei 1,3 Prozent, in innerstädtischen Lagen nahe null. Deshalb explodieren die Preise, viel schneller als bei Wohnungen. Im vergangenen Jahr stiegen die Büromieten um zehn Prozent.

Der Bedarf ist enorm. Google hat gerade den ehemaligen "Postpalast" gekauft und will dort 1500 neue Mitarbeiter unterbringen, sucht aber weiter. Apple hat ein Gebäude an der Karlstraße angemietet, in dem nach Fertigstellung 1500 Beschäftigte Platz finden. Auch der Coworking-Anbieter We Work will trotz eines spektakulär gescheiterten Börsengangs weiter wachsen, wohl auch in München. In diesem durchgedrehten Markt mischen auch öffentliche Einrichtungen mit. Und bei Vermietern haben sie gute Karten. Eine deutsche Behörde als Mieter, solider geht es nicht.

Vom neuen Ministeriumsstandort am Oberanger sind es etwa 1,5 Kilometer Luftlinie zum Oskar-von-Miller-Ring 18. Dort hat seit vergangenem Sommer die Zentrale des zum größten Teil vom Auswärtigen Amt finanzierten Goethe-Instituts ihren Sitz, die zuvor an der Dachauer Straße untergebracht war. Die 470 Mitarbeiter haben nun einen zentraler gelegenen Arbeitsplatz. Zu einem auch stattlichen Preis allerdings: 27,50 Euro für allenfalls moderat renovierte Räume, heißt es in der Immobilienbranche, auch große Konzerne wären dort gern eingezogen. Eine Sprecherin des Goethe-Instituts sagt, der Mietpreis liege "etwas" darunter. Als der Mietvertrag im Sommer 2018 unterschrieben wurde, lag der Durchschnittspreis münchenweit bei 18,50 Euro, in der Altstadt bei 30,50 Euro.

Hätte das Goethe-Institut nicht auch weiter draußen suchen und damit viel Geld sparen können? Die Sprecherin nimmt zu solchen Fragen ausführlich Stellung. Wegen Problemen mit dem Brandschutz habe man aus der Dachauer Straße ausziehen "und daher schnell handeln" müssen. Zudem habe das Goethe-Institut "eine ganzheitliche Betrachtung angestellt". Binnen sechs Monaten habe das Institut zwölf Objekte verglichen, die meisten hätten aber einen Vorlauf von mehreren Jahren gehabt. Das Haus am Oskar-von-Miller-Ring hingegen sei schnell verfügbar gewesen und zudem groß genug, um alle Mitarbeiter aufzunehmen. Hätte man sie auf kleinere Standorte verteilt, wären höhere Kosten und "erhebliche Reibungsverluste" entstanden. Und man sei zusammengerückt: "Das Goethe-Institut bewirtschaftet jetzt über 5000 Quadratmeter weniger" als an der Dachauer Straße.

Noch nicht ganz so weit gediehen ist die Sache beim Deutschen Patent- und Markenamt, das seinen Hauptsitz an der Zweibrückenstraße hat. Dort arbeiten 1800 Beschäftigte, weitere 600 sind auf andere Standorte in München verteilt. Sie sollen offenbar zusammengezogen werden. Makler erzählen, dass das Patentamt bei einem Wettbieten um den ehemaligen Postbank-Komplex im Bahnhofsviertel bis zum Ende dabei gewesen sei - wie auch We Work. Die gebotenen Mieten sollen über 40 Euro gegangen sein. Dann aber beschloss der Eigentümer Credit Suisse, den Komplex zunächst vom Architekturbüro Herzog/de Meuron komplett umbauen und aufmöbeln zu lassen und später zu vermieten.

Ein Sprecher des Patentamts erklärt, man nehme zu dem Thema derzeit keine Stellung: "Es handelt sich um ein laufendes Verfahren." Auch We Work äußert sich nicht. Zum Patentamt könnte man einwenden, dass es 2018 immerhin einen Überschuss von 188 Millionen Euro in den Bundeshaushalt eingespeist hat. Allerdings hätte ein neuer Mietvertrag zu Münchner Top-Preisen auch Auswirkungen auf künftige Überschüsse. Ein weiterer Sonderfaktor beim Patentamt ist die Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt: Beim Patentamt arbeiten 1000 Ingenieure und Naturwissenschaftler als Prüfer. Ein Patentamtsbüro weit draußen wäre ein Nachteil im "War for Talents", dem "Krieg um Talente", wie es etwas martialisch in der IT-Branche heißt.

Zurück zum Oberanger: Dort sollen nach einigen Umbauten im Sommer die knapp 300 Mitarbeiter des Innenministeriums einziehen. Rein rechnerisch stehen pro Mitarbeiter 40 Quadratmeter zur Verfügung, ein ungewöhnlich hoher Wert. Als Richtschnur für Bürobetrieb gelten 20 Quadratmeter, oft auch weniger. Eingerechnet sind Verkehrsflächen, Besprechungsräume, Sanitärräume. Arbeiten die Leute vom Ministerium künftig also in palastartigen Verhältnissen? Der Sprecher des Innenministers erklärt, die Größen der Büroräume entsprächen "weitestgehend den Vorgaben für staatliche Hochbaumaßnahmen". Und weiter: "Vereinzelte Abweichungen" ergäben sich dadurch, "dass es sich um ein Bestandsgebäude handelt, dessen Grundstruktur nicht ohne beträchtliche Kosten verändert werden kann". Außerdem würden "für einen unverzichtbaren Mindestbestand an Unterlagen Archivräume benötigt, die über die üblichen Bürogrößen hinausgehen". Es dürften die teuersten Archivräume des Freistaats sein.

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SZ vom 10.02.2020/baso
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