Wie gefährlich es ist, einen Gegner zu unterschätzen, das sollten die Befürworter olympischer Spiele in München wissen. Das Bündnis Nolympia hat sie beim letzten Bewerbungsversuch für Winterspiele 2022 geradezu gedemütigt: Vier Bürgerentscheide, vier Pleiten, so die Bilanz der Olympioniken im Jahr 2013. Nun laufen die Vorbereitungen für einen neuen Bürgerentscheid am 26. Oktober 2025, und die Gegner formieren sich schon wieder. Möglicherweise droht der Bewerbung sogar ein zweiter Bürgerentscheid zu einem späteren Zeitpunkt.
Nur zwei Tage nach dem Beschluss des Stadtrats, dass München sich um die Sommerspiele 2036 oder 2040 bewirbt, soll es ein erstes Treffen der Gegner geben. Ziel ist es, erneut ein schlagkräftiges Bündnis zu bilden. Wie dieses aussehen könnte, war am Mittwoch auf dem Marienplatz schon zu erahnen. Dort hatte die ÖDP vor der entscheidenden Sitzung des Stadtrats zu einer Demonstration aufgerufen. Mit Fahnen und Plakaten waren unter anderen dabei: der Bund Naturschutz, der Landesbund für Vogelschutz (LBV), die Naturfreunde.
Auch zu sehen waren Plakate von Grundstückseigentümern aus dem Münchner Nordosten, wo die Stadt das olympische Dorf plant. Dort hat sich gegen den auch ohne olympische Spiele geplanten Bau eines neuen Stadtteils für 30 000 Einwohner schon das Widerstands-Bündnis „Heimatboden“ gebildet.
Die Gegner von Sommerspielen eint ein tiefes Misstrauen gegen das Internationale Olympischen Komitee (IOC). Wohl keiner von ihnen glaubt, dass München mit dem bisher bekannten Konzept dort durchkommt. Dieses sieht vorwiegend die Nutzung bestehender Sportstätten und Hallen vor. Die vergleichsweise wenigen Neubauten sollen danach wieder verschwinden. „Wenn es so kommen würde, wären alle glücklich“, sagt Christian Hierneis, der Vorsitzende des Bund Naturschutz in München. „Nur so wird es nie kommen.“
Was die Münchner jetzt zum Bürgerentscheid vorgesetzt bekämen, sei ein „wunderbar gemachtes Phantasie-Konzept“, sagt Hierneis. Grundlage für ein Votum über Sommerspiele müsste aber das Konzept sein, das tatsächlich ans IOC geschickt wird. Darin erst würden auch alle Forderungen enthalten sein, die das IOC mit seinen „Knebelverträgen“ vorschreibe. „Deshalb dränge ich auf einen zweiten Bürgerentscheid, wenn dieses Bewerbungsbuch da ist.“ Dass das Bündnis die dafür nötigen Unterschriften zusammenbekäme, daran hat er keine Zweifel.
Doch bevor es so weit kommt, müsste die Münchner Bewerbung zwei entscheidende Hürden nehmen: den Bürgerentscheid gewinnen und sich im nationalen Wettbewerb gegen die Kontrahenten aus Berlin, Hamburg und der Region Rhein-Ruhr durchsetzen.
Bis zur nationalen Entscheidung will es Tobias Ruff aber nicht kommen lassen. Der Landesvorsitzende der ÖDP und Fraktionschef im Stadtrat hat sich als einer der ersten gegen Sommerspiele positioniert. Steigende Mieten, Versiegelung von Flächen, unkalkulierbare Kosten für die Stadt, unglaubwürdige Versprechen beim öffentlichen Nahverkehr, all das spricht für ihn gegen eine Bewerbung.
„Wir werden uns voll reinhängen“, sagt er. „Wenn wir was können, sind es Kampagnen.“ Ein paar Beispiele, an denen die ÖDP führend oder beteiligt war: Einführung des Rauchverbots und Schutz der Bienen in Bayern, Schutz von Grünflächen oder das Abschalten des Kohlemeilers im Heizkraftwerk Nord in der Stadt.
Aus dem Stadtrat heraus werden sich auch die Linken gegen Sommerspiele engagieren. Fraktionschef Stefan Jagel geißelte das IOC schon als „korrupten Haufen“. Der Stadtrat und Kreisvorsitzende gilt als gewiefter Netzwerker. Schon Anfang Mai organisierte er einen Termin, bei dem Kritiker der vergangenen Sommerspiele in Paris die Kehrseite des Events beschrieben.

Nicht mitziehen bei den Gegnern werden diesmal die Grünen. Bürgermeister Dominik Krause und die Fraktionen im Stadtrat unterstützen jedenfalls die Bewerbung. Dennoch könnten zwei exponierte Grüne eine nicht zu unterschätzende Rolle im Widerstand einnehmen: Der Münchner BN-Chef Hierneis sitzt für sie ebenso im Landtag wie Ludwig Hartmann, eines der Gesichter des Bündnisses Nolympia bei den Bewerbungen 2018 und 2022.
„Immer, wenn Olympia irgendwo war, hat das vor allem eines gebracht: steigende Immobilienpreise und steigende Mieten – und das ist genau das Letzte, was München braucht“, sagt Hartmann. Seine Fraktion im Landtag könnte sich trotzdem anders entscheiden. In mehreren Gesprächen habe er „eine große Offenheit für die Bewerbung für die Sommerspiele bei sehr vielen meiner Kolleginnen und Kollegen wahrgenommen“, sagt ihr sportpolitischer Sprecher Max Deisenhofer. Hartmann dürfte das nicht stören. „Ich bin ein durch und durch politischer Mensch und immer bereit, für meine Überzeugungen öffentlich einzutreten und weitsichtige Lösungen anzubieten – auch wenn sie gerade nicht Mainstream sind“, sagt er.
Dass sich die Grünen dabei eher nicht mit ihrer Kernklientel im Naturschutz einig sind, zeigt auch der Blick auf den Landesbund für Vogelschutz. Es gebe „große Bedenken“, dass in der schon stark versiegelten Stadt noch mehr Druck auf unbebaute Flächen entstehe, sagte der Münchner Geschäftsführer Heinz Sedlmeier. Dass der Stadtrat am Tag, als er die Bewerbung beschloss, ein Landschaftsschutzgebiet nahe dem geplanten olympischen Dorf abgelehnt hat, habe „das Vertrauen untergraben“, dass der Umweltschutz ausreichend beachtet werde.
Deutlich „entspannter“ als bei Winterspielen sieht dagegen der Deutsche Alpenverein (DAV) die Pläne für Sommerspiele, sagte Wolfgang Wabel, verantwortlich für Berg- und Leistungssport. Bei den Winterspielen hatte sich der DAV als anerkannter Umweltverband wegen der Eingriffe in den Alpenraum noch kritisch positioniert. Diesmal dürfte das Engagement als Sportverband im Vordergrund stehen, Klettern ist olympische Disziplin. In dieser Eigenschaft kann der DAV die Münchner Bewerbung wohl schon am 4. Juni prüfen. Dann solle das Konzept als erstes der deutschen Bewerber dem Deutschen Olympischen Sportbund präsentiert werden, sagt Wabel.