Bürgerbegehren "Grünflächen erhalten":Keine Wiese soll mehr weichen müssen

Bürgerbegehren "Grünflächen erhalten": Akut bedroht? Die Initiatoren des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" stufen 50 Parks und Wiesen im Stadtgebiet derart ein.

Akut bedroht? Die Initiatoren des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" stufen 50 Parks und Wiesen im Stadtgebiet derart ein.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

In München sollen neue Wohnungen entstehen, Grünflächen dafür aber keine mehr versiegelt werden dürfen - die Grünen und die CSU wollen, dass sich die Stadt dazu verpflichtet. Die SPD lehnt das in dieser rigorosen Form ab. Und jetzt? Die wichtigsten Antworten zu einem wegweisenden Streit.

Von Anna Hoben

Eigentlich wollten die Initiatoren des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" vor der Stadtratssitzung am Mittwoch eine Mahnwache auf dem Marienplatz abhalten. Daraus soll nun kurzerhand eine Feier werden. Denn es zeichnet sich ab, dass eine breite Mehrheit im Stadtrat die Forderungen des Bürgerbegehrens übernehmen will. Die Fraktionen von Grünen/Rosa Liste und CSU/Freie Wähler haben angekündigt, dafür zu stimmen, ebenso Die Linke/Die Partei. Die ÖDP/München-Liste gehört zu den Unterstützern des Bürgerbegehrens. Die Fraktion SPD/Volt lehnt es ab. Und FDP/Bayernpartei halten an ihrer Position fest, dass die Forderungen "nicht zielführend" seien.

Worum geht es?

Mehr als 1200 Parks und Grünanlagen sind in der sogenannten Grünanlagensatzung der Stadt verzeichnet. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens "Grünflächen erhalten" halten 50 Parks und Wiesen für akut bedroht oder schon zerstört. Bei einem Erfolg des Bürgerbegehrens wären all diese Flächen für eine Versiegelung oder Bebauung tabu. Besonderen Wert legen die Initiatoren darauf, dass die Flächen in ihrer Größe und ihrer Nähe zu den Bürgern in den jeweiligen Stadtvierteln gleichwertig bleiben. Das Bürgerbegehren wird von 60 einzelnen Initiativen und Organisationen unterstützt, die in den vergangenen Jahren Unterschriften für ihr Anliegen gesammelt haben. Zuletzt war es zu einem Zerwürfnis gekommen - die Mitinitiatorin Christine Burger hatte der ÖDP vorgeworfen, zu wenig kompromissbereit zu sein und die Initiative für ihre Zwecke im Wahlkampf gekapert zu haben.

Wie kam es zu der Mehrheit im Stadtrat?

Gut drei Wochen ist es her, dass die Initiatoren ihre Listen mit 60 000 Unterschriften im Kreisverwaltungsreferat (KVR) abgaben. Das Auszählen ging flott, in der darauffolgenden Woche teilte das KVR mit, dass das nötige Quorum erreicht sei. Damit liefen Fristen. Spätestens im Mai, hieß es, müsste es zu einem Bürgerentscheid kommen - es sei denn, die Bürgerinitiativen und der Stadtrat würden sich vorher auf einen Kompromiss einigen. Vertreter der grün-roten Rathauskoalition traten daraufhin mit den Initiatoren in Verhandlungen ein. Die Gespräche bei den zwei Treffen bezeichneten die Teilnehmer übereinstimmend als konstruktiv.

Dennoch kamen beide Seiten nicht zusammen. Das Bürgerbegehren bezieht sich mit seinen Forderungen stark auf den Flächennutzungsplan, der die Aufteilung von Bauflächen und Grünflächen regelt. Die Koalition wollte keine zu pauschalen und dogmatischen Festlegungen, die sie in der Stadtplanung zu sehr einschränken würden. Am Montagabend folgte überraschend die Kehrtwende der Grünen: Man werde das Bürgerbegehren übernehmen, teilten sie mit. In etwa zeitgleich kündigte die CSU an, die Forderungen ebenfalls übernehmen zu wollen.

Was wäre die Alternative gewesen?

Nachdem Grün-Rot und die Initiatoren des Bürgerbegehrens sich nicht auf einen Kompromiss einigen konnten, sah zunächst alles nach einem Bürgerentscheid aus. Die Frage, die die Vertreter des Bürgerbegehrens den Münchnern stellen wollten: "Sind Sie dafür, dass die Landeshauptstadt München alles unternimmt, damit sowohl ihre im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Allgemeinen Grünflächen, als auch ihre öffentlichen Grünanlagen erhalten bleiben und nicht weiter versiegelt werden?" In einer Vorlage für die Stadtratssitzung an diesem Mittwoch hatte die Verwaltung auch schon einen Termin vorgeschlagen: den 30. April. Wäre es zu einem Entscheid gekommen, hätte die Stadtpolitik eine eigene Fragestellung entgegenstellen können. Für einen alternativen Text fand sich laut Grünen im Rathaus jedoch keine Mehrheit.

Was ist die Rolle der Grünen?

Die stärkste Fraktion im Stadtrat hat bei dem Thema eine Wandlung durchgemacht. Die Grünen hatten immer betont, dass sie das Ziel des Bürgerbegehrens teilen, doch eine Übernahme der Forderungen lehnten sie in der vergangenen Woche noch ab. Das grundsätzliche Dilemma der Grünen ist der Spagat zwischen Klima- und Umweltschutz und den ambitionierten Wohnungsbauzielzahlen, die sie sich mit ihrem Koalitionspartner vorgenommen haben. Es lag in ihrem Interesse, einen Bürgerentscheid zu vermeiden, in dem sie zu vermeintlich mehr Ökologie gezwungen worden wären.

Getrieben wurden sie auch von der ÖDP, die der größeren Umweltpartei im Stadtrat gern eine Politik ökologischen Versagens vorwirft. Ein "Nein", so Fraktionschefin Mona Fuchs in der Begründung zur Übernahme des Bürgerbegehrens, hätte den falschen Eindruck erwecken können, dass sich der politische Stellenwert von Grünflächen dauerhaft verringere. Vergangene Woche hatte Grünen-Bürgermeisterin Katrin Habenschaden bei einem Immobilienkongress noch die Bedeutung von Grünflächen betont, zugleich aber davor gewarnt, "beim ersten Kreuzchen unter eine Petition politisch in uns zusammenzufallen". Bei vielen Bürgerinitiativen in München handle es sich um "Gegen-BIs".

Und die anderen Parteien?

Dass die CSU das Bürgerbegehren übernehmen will, passt zu ihrer Haltung zur geplanten Neubauentwicklung im Münchner Nordosten, es passt dazu, dass ein Großteil der CSU-Wählerklientel in den Stadtrand-Gebieten lebt. Weniger passt es dazu, dass die CSU im Stadtrat regelmäßig die Koalition für ihre verfehlten Wohnungsbauzielzahlen schilt. Aus dem Rathaus ist zu hören, dass die CSU von der Positionierung der Grünen überrascht worden sei. Es könnte sich also um eine zufällige Allianz handeln.

Die grün-rote Rathauskoalition steht indes einmal mehr als gespalten da. Von Anfang an war die SPD in ihrer Ablehnung des Bürgerbegehrens weiter gegangen als ihr Partner. Unter anderem hatte sie den Initiatoren vorgeworfen, mit falschen Angaben zu arbeiten. Die SPD/Volt-Fraktion bekenne sich klar zum Erhalt und zur Ausweitung der Grünflächen in der Stadt, teilte sie am Dienstag mit. "Eine einseitige Fokussierung darauf, dass Grünflächen zwingend an einem unverrückbaren Ort bleiben müssen - wie vom Bürgerentscheid gefordert - lehnt sie aber ab."

Den Bürgerentscheid einfach zu übernehmen, sei "ein Fehler und Augenwischerei", sagte Fraktionschef Christian Müller. "Schließlich müssen wir Schulen auch künftig da bauen, wo die Kinder sind, und nicht dort, wo zufällig ein Parkplatz frei wird." Die ÖDP/München-Liste jubelte: Selten sei der Fraktion ein Koalitionsstreit der grün-roten Stadtregierung so gelegen gekommen.

Was bedeutet das künftig?

Was eine Übernahme des Bürgerbegehrens für den Umgang mit Grünflächen genau bedeutet, bleibt abzuwarten. In einer Stellungnahme des Planungsreferats in der Stadtratsvorlage für diesen Mittwoch heißt es, dass es auch bei einem Erfolg des Bürgerbegehrens möglich bliebe, "dass der Stadtrat im Einzelfall einen anderen Belang vorrangig gewichten und eine Allgemeine Grünfläche umplanen könnte".

Die Frage, wie sich eine Übernahme des Bürgerbegehrens auf große Vorhaben wie die Stadtentwicklungsmaßnahmen oder die geplante Eggarten-Siedlung auswirken könnte, konnte das Planungsreferat am Dienstag nicht beantworten. Sobald man wisse, was der Stadtrat konkret beschlossen habe, könne man prüfen, "was dies für die einzelnen Projekte bedeutet", sagte ein Sprecher. Die Fraktion ÖDP/München-Liste mahnt schon einmal, "dass aus dem Bürgerbegehren kein Papiertiger werden darf".

Zur SZ-Startseite

SZ PlusPrognose weist weiter nach unten
:Münchner Immobilienpreise im Abwärtstrend

Sinkende Preise, weniger Transaktionen: Die ersten Makler zeichnen nach Rekordjahren ein eingetrübtes Bild vom Immobilienmarkt. Warum das für potenzielle Käufer und Mieter nicht nur gute Nachrichten sind.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: