Süddeutsche Zeitung

Museumsbuchhandlungen:"So eine Eskalation hätte keiner erwartet"

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Prekäre Beschäftigungsverhältnisse gibt es oft in der Welt des Versandhandels, der Lieferdienste oder der Discounter. Nun haben Werkstudierende der Buchhandlung Walther König gegen ihren Arbeitgeber protestiert - und werden gekündigt.

Von Evelyn Vogel, München

Wenn man Geschichten von prekären Beschäftigungsverhältnissen hört, dann spielen diese meist in der Welt des Versandhandels, der Lieferdienste oder der Discounter. Nicht aber in der schöngeistigen Welt der Verlage und des Buchhandels. Und schon gar nicht im Umfeld einer Verlagsbuchhandlung mit klangvollem Namen, die für ihre Publikationen aus Kunst und Kunstwissenschaft, Architektur, Design und Mode, Fotografie, Film und Kunsttheorie sowie für ihre Ausstellungskataloge seit Jahrzehnten berühmt ist: die von Walther König.

Die Buchhandelskette aus Köln hat ihre 45 Filialen in Deutschland sowie einigen europäischen Städten in der Regel in Museen oder in deren Nähe angesiedelt. In München werden die Museums-Shops im Lenbachhaus, im Museum Brandhorst und im Haus der Kunst von Walther König betrieben. Die Beschäftigten sind - wie überall - überwiegend Werkstudenten.

Und eben jene elf Münchner Studierende gehen mit Hilfe der Basisgewerkschaft FAU nun auf die Barrikaden. Die Vorwürfe: Die Geschäftsführung der Buchhandlung Walther König habe die schon immer schlechten Beschäftigungsbedingungen der Werkstudenten in der Pandemie in einem nicht mehr hinnehmbaren Maße verschlechtert. Und nachdem man mit gewerkschaftlicher Unterstützung seine Forderungen zu Urlaubs- und Krankheitstagen sowie eine rechtmäßige Handhabung der Arbeitsstunden während der Schließung der Museen und die Auszahlung des Gehaltes gefordert hatte, wurde allen elf studentischen Arbeitskräften der Münchner Filialen mit Verweis auf die Nöte durch den Lockdown am 2. März gekündigt. "Geschockt", sei man gewesen, "so eine Eskalation hätte keiner erwartet", sagen alle, mit denen man dazu spricht.

Schon bisher sei es so gewesen, dass jeder Urlaubsanspruch den Beschäftigten verwehrt und eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ignoriert worden sei. Die verpassten Schichten seien als Minusstunden verbucht worden, die die Studierenden später wieder "hereinarbeiten" mussten. Die Zahl der Festangestellten würde König bewusst niedrig halten, die Werkstudenten seien diejenigen, die den Betrieb am Laufen hielten. Das sei das "Geschäftsmodell Walther König", sagen sie.

Schon beim ersten Lockdown wurde der ohnehin schon geringe Lohn von 9,85 Euro der Werkstudierenden, die keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, auf 60 Prozent reduziert. Dabei wurde die Hälfte des Entgelts als bedingungsloser Zuschuss gezahlt, die andere Hälfte wurde als eine Art Gehaltsvorschuss mit einem negativen Arbeitszeitkonto erfasst und sollte später durch Arbeit ausgeglichen werden. Im ersten Lockdown nahmen die Betroffenen das zunächst hin. Doch als König im zweiten Lockdown die gleiche Strategie fuhr und sich bei einzelnen an die 200 Minusstunden ansammelten, die bei einer durchschnittlichen Monatsarbeitszeit von 56 Stunden dann ohne Bezahlung abgearbeitet werden sollten, protestierten sie.

Franz König, Gesellschafter und einer der beiden Geschäftsführer, bestätigt in einer schriftlichen Stellungnahme der SZ: "Wir schätzen unsere Studierenden als Kollegen und nehmen unsere soziale Verantwortung als Arbeitgeber sehr ernst. Daher haben wir mit ihnen Vereinbarungen diskutiert und schriftlich geschlossen, die einerseits eine Fortzahlung des Entgelts in Höhe von 60%, d.h. auf Niveau des Kurzarbeitergeldes, ermöglichten, andererseits betriebsbedingte Kündigungen vermieden."

Die Werkstudenten sagen, sie hätten damals aus Furcht um ihre Jobs unterschrieben. Für viele ist es das einzige Einkommen. König schreibt auch: Aufgrund der Vorwürfe habe man das persönliche Gespräch zu den Werkstudierenden in München gesucht, doch "kein einziger" habe sich "bezüglich der genannten Vorwürfe selbst an uns gewandt". Die Werkstudenten entgegnen, man wollte sich nicht in Einzelgesprächen auseinanderdividieren lassen, sondern mit einer Stimme sprechen und diese sei die FAU. Deren Anfragen seien aber unbeantwortet geblieben. Stattdessen blieb zunächst der Lohn aus, dann kamen die Kündigungen.

Zu den grundsätzlichen Arbeitsbedingungen äußert sich Franz König wie folgt: "Selbstverständlich leisten wir Werkstudierenden Lohnfortzahlung bei krankheitsbedingten Fehlzeiten und Vorlage einer AU. Natürlich gewähren wir den Werkstudenten auch Urlaub, teilweise durch Abgeltung." Dem widersprechen aber mehrere ehemalige Mitarbeiter, unter anderem auch Stephan Janitzky, der im Buchladen im Haus der Kunst jahrelang teils als Werkstudent, teils als Festangestellter gearbeitet hat. Urlaub werde bei Walther König nicht bezahlt, im Krankheitsfall Minusstunden notiert - selbst wenn eine Bescheinigung vorgelegt wurde. Auch Maurin Dietrich, Direktorin des Münchner Kunstvereins, hat während ihres Studiums in Berlin für die Buchhandlung Walther König gearbeitet und bestätigt die generellen Vorwürfe der Studierenden: "Das System wird gestützt von studentischen Mitarbeitern."

Unter den Werkstudierenden der Buchhandlungen von Walther König in anderen Städten rumort es ebenfalls, wie man hört. Die Geschäftsführung soll Verbesserungen angeboten haben. Ob das noch hilft, scheint fraglich. Der gute Name von Walther König jedenfalls hat schon ein paar Kratzer abbekommen.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2021
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