Rechtsextremismus:Brauner Bodensatz

Die Fachstelle gegen Rassismus zieht in ihrem Jahresbericht ein positives Fazit. Entwarnung gibt es jedoch nicht: Leiterin Miriam Heigl registriert eine zunehmende Anfälligkeit für Islamfeindlichkeit und Antisemitismus

Von Jutta Czeguhn

Das islamfeindliche Bündnis Pegida ruft zur Kundgebung vor der Feldherrnhalle auf, gleichzeitig mobilisiert "München ist bunt" den Gegenprotest. Bürger eilen zum Hauptbahnhof, um Flüchtlinge willkommen zu heißen, die Kammerspiele heben das "Munich Welcome Theatre" auf die Bühne. Nach einem Brandanschlag auf eine Moschee formiert sich spontan eine Menschenkette. Ein Neonazi mit Megafon wird von einem Radiomoderator mit lauter Musik vorgeführt. "In München gibt es ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und eine ausgeprägte Toleranz." Es liest sich wie ein Kompliment, dieses Fazit der Fachstelle für Demokratie, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit in ihrem Bericht für den Zeitraum 2014/2015, der jetzt im Stadtrat vorgestellt wurde. Gleichwohl registrieren Fachstellenleiterin Miriam Heigl und ihr Team im Zusammenhang mit den steigenden Flüchtlingszahlen und dem IS-Terror auch in München eine zunehmende Anfälligkeit für Islamfeindlichkeit und Antisemitismus.

Anders als in Dresden, ist es der fremdenfeindlichen Organisation Pegida nicht gelungen, die Menschen in München auf breiter Ebene zu mobilisieren. Laut Bericht ist die Zahl der Teilnehmer bei den regelmäßig stattfindenden Montagsdemonstrationen von anfänglich etwa 1500 Anhängern deutlich geschrumpft, im vergangenen Mai lag sie bei 100 bis 200. Allerdings haben die Mitarbeiter der Fachstelle zuletzt wieder ein Ansteigen auf bis zu 250 Demonstranten beobachtet.

Der Jahresbericht geht auch auf die Aktivitäten der NPD-Tarnliste Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) ein, die auf Versammlungen Stimmung gegen Flüchtlinge zu generieren versuchen. Im Kommunalwahlkampf 2014 propagierte die BIA zudem homophobe Parolen. Die Fachstelle zeigt überdies Querverbindungen und Netzwerke im rechten Milieu auf. So sei BIA-Stadtrat Karl Richter im April 2014 bei der Gründungsversammlung des Kreisverbandes von "Die Rechte" München anwesend gewesen. Vorsitzender dieser neonazistisch und offen antisemitisch auftretenden Partei sei der Rechtsextremist Philipp Hasselbach, der bis Anfang 2014 eine dreieinhalbjährige Gefängnisstrafe unter anderem wegen schwerer Körperverletzung abgesessen hatte. Auf der Facebook-Seite von "Die Rechte" werde antisemitische Hetze betrieben. Die Partei habe vor dem NS-Dokumentationszentrum eine Versammlung durchführen können und Verteilaktionen von Aufklebern an mehreren Münchner Schulen betrieben. Allerdings halte sich die Zahl der Unterstützer für die Gruppierung bisher in München in Grenzen, sie bewege sich in einem "niedrigen, zweistelligen Bereich".

Eine "rechtspopulistische Kleinstpartei" sei auch die Gruppierung, die sich "Die Freiheit" nennt. Sie ist mit ihrem Bundes- und Landesvorsitzenden Michael Stürzenberger vor allem mit dem für unzulässig erklärten Bürgerbegehren gegen das Münchner Forum für Islam in Erscheinung getreten. Die Abwertung von Andersdenkenden, Andersgläubigen, ein radikal vereinfachtes, binäres Menschenbild: Die Fachstelle für Demokratie sieht im Kern Gemeinsamkeiten zwischen Rechtsextremen und dem dschihadistischen Salafismus. Auch diese Szene werde von Mitarbeitern der Fachstelle beobachtet. "Die Anwerbung junger Menschen für die Terrormiliz Islamischer Staat und deren Ausreise in die Kampfgebiete in Syrien betrifft auch junge Frauen und Männer aus München" heißt es im Jahresbericht.

In den vergangenen Monaten hat die Fachstelle gemeinsam mit diversen anderen, in einem kommunalen Netzwerk zusammengeschlossenen Organisationen Fortbildungsveranstaltungen über Salafismus angeboten und Multiplikatoren geschult. Wie überhaupt Aufklärung und Vernetzung neben der Dokumentation zu den Aufgaben der Fachstelle gehören. Sie gibt Flyer zum Thema "Flucht und Vertreibung" heraus, organisiert Runde Tische. Sie berät auch die Rechtsextremismus-Beauftragten der Bezirksausschüsse. Wie etwa ist zu reagieren, wenn Rechtsextreme in BA-Sitzungen und bei Bürgerversammlungen mit ihren Hetzparolen agitieren? Die Fachstelle unterstützt außerdem die Informationskampagne, die Gaststätten- und Hotelbetreiber aufklären möchte, damit sie ihre Räumlichkeiten nicht aus Unkenntnis oder Unsicherheit rechtsextremen Gruppierungen überlassen.

München, so heißt es schließlich im Fazit des Berichts, nehme eine Vorreiterrolle unter den deutschen Großstädten ein, weil es sich schon frühzeitig, kontinuierlich und mit beträchtlichem finanziellen Aufwand gegen den organisierten Rechtsextremismus und sämtliche "Ideologien der Ungleichheit" engagiert habe. München sei Heimat für Menschen mit "unterschiedlichen Lebensentwürfen, unterschiedlichen sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen". Die Stadt dürfe auch in schwieriger werdenden Zeiten nicht nachlassen, dies sicherzustellen, appellieren Miriam Heigl und ihr Team an die Stadträte.

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