Süddeutsche Zeitung

Gastronomie:Der lange Weg zum "Münchner Kindl"

Dietrich Sailer will die einst beliebte Marke wiederbeleben und eine kleine Brauerei mit Gaststätte bauen. Das Grundstück hat er - aber keine Baugenehmigung.

Von Franz Kotteder

Dietrich Sailer aus Traunstein würde gerne in München Bier brauen und dazu auch gleich noch eine eigene Brauerei bauen. Zu diesem Zweck hat er schon vor Jahren ein Grundstück am Stadtrand erworben, nämlich die ehemalige Tankstelle der US Army an der Tegernseer Landstraße, kurz vor Unterhaching. Dumm nur: Das Grundstück liegt laut Flächennutzungsplan in einer "ökologischen Vorrangfläche", gehört formalrechtlich also zu einem Biotop am Rande des Perlacher Forsts. Und das, obwohl das Grundstück komplett versiegelt ist.

Nun will Sailer Druck auf die Stadtverwaltung machen und gab deshalb am Mittwoch eine Pressekonferenz am Ort des Geschehens. Mit dazu eingeladen hat er seinen Chiemgauer Landtagsabgeordneten Klaus Steiner (CSU), mehrere Stadträte und den Kabarettisten Ottfried Fischer, der die ganze Thematik unter satirischen Gesichtspunkten betrachten durfte. Fischer lästert dann auch schön über das "Biotop der Lasterhaftigkeit", weil auf dem Firmengelände jede Menge alter Lastwagen abgestellt sind, und findet, da müsse ein Reinheitsgebot her. Die geplante Brauerei, zu der auch eine Wirtschaft, eine Pferdekoppel, eine Bienenweide und ein Hopfengarten kommen sollen, sei geradezu eine "Aktion für die Umwelt", und wer das nicht einsehe, der müsse schlimm bestraft werden: "Der soll dann auf der Stelle eine Mass Heineken saufen!"

Aber auch der Bauherr in spe argumentiert nicht ganz ohne Witz. Seine neue Brauerei sieht er auch optisch als Gewinn: "Wenn man bisher nach München reinfährt, sieht man erst eine alte Tankstelle und dann ein Gefängnis. Da ist eine Brauerei doch sehr viel passender." Und weil er das Grundstück irgendwie ja auch nutzen müsse, sagt er, hat er nicht nur den Bauantrag für eine Brauerei gestellt, sondern als Alternative dazu gleich auch noch einen für eine große Autowaschanlage. Die dient nun freilich eher als Drohkulisse. Denn lustigerweise dürfte er die problemlos hineinbauen in die ökologische Vorrangfläche, weil es sich dabei nur um eine Erweiterung der bestehenden Nutzung handelt. Der Abriss der alten Tankstelle und der Neubau einer Brauerei gehen hingegen nicht. Sailer: "Dabei wäre ich der einzige Bauherr, der gleichzeitig baut und Flächen entsiegelt."

Die ganze Angelegenheit klingt einigermaßen absurd, und so ist es nicht erstaunlich, dass praktisch alle Parteien im Stadtrat und Bezirksausschuss sich dafür aussprechen, die Brauerei mit Gaststätte doch bauen zu lassen. Sailers Rechtsanwalt Benno Ziegler ist der Auffassung, dass der Flächennutzungsplan an dieser Stelle ohnehin "funktionslos" sei und die Stadtverwaltung den Bau deshalb ruhig erlauben könne. Um das zu unterstreichen, drückte er dem Landtagsabgeordneten Steiner gleich eine Eingabe an den Petitionsausschuss in die Hand, die dieser gleich weiterreichen wollte: "Die gebe ich nachher gleich persönlich im Landtag ab!"

Bei so viel politischer Unterstützung stehen die Chancen wohl nicht schlecht für Sailers Projekt. Einschlägige Erfahrungen hat er ja bereits. Seiner Familie gehört das Hofbräuhaus Traunstein, "wir sind seit fünf Generationen Brauer". Er hat bereits vor 30 Jahren das Isarbräu im ehemaligen Isartalbahnhof gegründet, und er hat der Löwenbräu AG die Namensrechte für die Marke "Münchner Kindl Bräu" abgekauft. Diese Brauerei gab es seit 1880 in Haidhausen, 25 Jahre später wurde sie von der Unionsbrauerei aufgekauft, die später dann in Löwenbräu aufging. Ende des 19. Jahrhunderts war das "Münchner Kindl"-Bier sehr beliebt, der Brauerei gehörte auch der riesige Bierpalast mit 5000 Plätzen an der Rosenheimer Straße, auf dessen Grundstück heute das Motorama steht.

Sailer will die Marke nun wiederbeleben. Sein neues "Münchner Kindl" soll allerdings keine neue Großbrauerei werden. Gedacht ist an eine Jahresproduktion von 10 000 Hektolitern, das entspricht in etwa dem Tagesausstoß der Augustiner-Brauerei. Münchner Helles, Dunkles und Bockbier sind geplant, die Brauerei mit Gaststätte wird ein Backsteinbau im Stile der Gründerzeit des "Münchner Kindls" - wenn nur endlich die Baugenehmigung kommt.

Nun soll also die Petition weiterhelfen. Fragt sich nur, wer schneller ist: der Petitionsausschuss im Landtag oder die Münchner Stadtverwaltung. Der Pressesprecher Thorsten Vogel vom zuständigen Planungsreferat sagt jedenfalls: "Die Änderung des Flächennutzungsplans wird demnächst im Stadtrat behandelt." Falls der dann zustimmt, womit wohl zu rechnen ist, könne auch der Bauantrag von Sailer behandelt werden. Es läuft dann wohl doch auf eine Brauerei und nicht auf eine Autowaschanlage hinaus.

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SZ vom 06.02.2020/vewo
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