Ermittlungen gegen mutmaßliche AnarchistenMünchner Brandanschläge: zwei Verdächtige freigelassen

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Wer hat im Sommer 2024 einen bei Oberhaching abgestellten Bauzug angezündet? Zwei als Verdächtige festgenommene Münchner kamen jetzt aus der Untersuchungshaft frei, in der sie wegen anderer Vorwürfe saßen.
Wer hat im Sommer 2024 einen bei Oberhaching abgestellten Bauzug angezündet? Zwei als Verdächtige festgenommene Münchner kamen jetzt aus der Untersuchungshaft frei, in der sie wegen anderer Vorwürfe saßen. (Foto: Henning Pfeifer/oh)
  • Zwei etwa 30-jährige Münchner Verdächtige einer Brandanschlagsserie wurden Ende September aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem sie seit Februar inhaftiert waren.
  • Die Generalstaatsanwaltschaft München hat inzwischen Anklage wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung erhoben, da sie dem Redaktionsteam der Anarcho-Postille „Zündlumpen“ angehört haben sollen.
  • Etwa 50 Brandstiftungen werden der Münchner Anschlagsserie zugerechnet, die sich vorwiegend gegen kritische Infrastruktur richtet und seit Jahren die Stadt beschäftigt.
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Seit Jahren brennt in der Stadt immer wieder kritische Infrastruktur. Gegen zwei Personen aus München besteht ein „Anfangsverdacht“ – doch Ende September mussten sie aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

Von Martin Bernstein

„Überraschend.“ So kommentieren zwei mutmaßliche Angehörige der Münchner Anarcho-Szene ihre Haftentlassung im Internet. Die beiden etwa 30-Jährigen, die sich im Netz selbst als „Nathalie“ und „Manuel“ bezeichnen, saßen seit Ende Februar in Aichach und Stadelheim in Untersuchungshaft. Neben anderen Tatvorwürfen besteht gegen sie ein „Anfangsverdacht“, an einer Brandanschlagserie beteiligt gewesen zu sein, die München seit Jahren in Atem hält.

Beide sollen – das berichteten Sympathisanten im Internet – in der Interims-Stadtbibliothek an der Brudermühlbrücke verhaftet worden sein, als sie gerade am Computer ihre Mails lasen. Die weiteren Personen in dem Bücherei-Lesesaal waren Zivilbeamte der Polizei. Die Festnahmen waren Teil einer groß angelegten Razzia der Münchner Ermittler zur Aufklärung einer Anschlagserie, die sich vorwiegend gegen Einrichtungen der kritischen Infrastruktur richtet.

In der Nacht vom 26. auf den 27. Februar schlug die Ermittlungsgruppe „Raute“ zu. Rund 140 Einsatzkräfte durchsuchten drei Objekte in den Münchner Stadtteilen Neuhausen, Untergiesing und Schwanthalerhöhe, eine Immobilie im Landkreis München, zwei Objekte in den Landkreisen Fürstenfeldbruck und Ebersberg sowie zwei Wohnungen in Österreich im Salzburger Land und im Pongau. Und nahm die beiden Münchner fest.

Sieben Monate später die überraschende Wende. Die beiden Verdächtigen sind wieder frei. „Juhuu“, jubelten sie auf der Plattform Indymedia. Und sie behaupteten: „Man gab uns noch den Ratschlag mit, doch ein Aussteigerprogramm beim K43 zu machen. Jetzt ruhen wir uns erst amoi aus...“ Das Kommissariat 43 ermittelt in Fällen politisch links motivierter Kriminalität.

Wie lange die beiden Zeit zum Ausruhen haben werden, ist offen. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat nämlich gegen sie Anklage wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zum Landgericht München I erhoben. Allerdings geht es dabei nicht um die Brandanschläge der „Raute“-Serie. „Nathalie“ und „Manuel“ sollen dem Redaktionsteam der ehemaligen Münchner Anarcho-Postille „Zündlumpen“ angehört haben, in der wiederum Brandanschlägen auf Infrastruktureinrichtungen das Wort geredet worden war.

„Autos, Straßen, Gleise und Züge, das Elektrizitätsnetz, Kommunikationsinfrastruktur, Informationstechnik, Tagebaue und Bergwerke, Panzer und Grenztechnologie (…)“ sollten „kompromisslos“ zerstört werden. Im September 2021 verabschiedete sich die „Zündlumpen“-Redaktion von ihren Lesern: „Wir machen den Laden dicht. Was an gedruckten Ausgaben noch da ist, damit zünden wir irgendetwas an.“

Über den weiter gehenden Verdacht, die beiden bis Ende September Inhaftierten könnten tatsächlich in einige Anschläge der Serie verstrickt gewesen sein, ist unter Hinweis auf laufende Ermittlungen nicht viel zu erfahren. Nur dass diese Ermittlungen laut Generalstaatsanwaltschaft voraussichtlich erst in einigen Wochen oder Monaten abgeschlossen sein dürften.

Etwa 50 Brandstiftungen können der Anschlagsserie mittlerweile zugerechnet werden. Zwei Attacken im laufenden Jahr waren die gravierendsten. Im Februar brannten Polizeifahrzeuge auf dem Gelände der Hundestaffel in Allach, im Mai Transporter der Reiterstaffel in Riem. Die Polizei bildete eine weitere Ermittlungsgruppe, genannt „Brand“. Danach endete die Serie, bislang zumindest.

Warum die Haftbefehle gegen die Münchner Verdächtigen aufgehoben wurden

Ob die Münchner Brandstifter einfach pausieren oder ob sie ihren Aktionsradius erweitert haben, ist offen. Bundesweit machten im Sommer einige Brandanschläge Furore, die wirkten, als hätten die Täter sich die Münchner Serie zum Vorbild genommen. Anschlagsziele waren Bahnstrecken bei Düsseldorf, Halle und Hannover, Bundeswehrfahrzeuge in Kassel, Rüstungsfirmen in einem Industriegebiet in Potsdam.

Anders als in München jedoch, wo das bisher nie der Fall gewesen war, gab es zu etlichen dieser Taten Bekennerschreiben, veröffentlicht auf Plattformen wie Indymedia und Switch-Off. Die Münchner Ermittler, die laut Generalstaatsanwaltschaft „mögliche Zusammenhänge mit anderen Vorfällen (…) selbstverständlich“ überprüfen, haben dafür bislang keine „konkreten Anhaltspunkte“ gefunden.

Den beiden jetzt aus der Untersuchungshaft entlassenen Münchnern soll – das behaupten zumindest ihre Unterstützer, eine offizielle Bestätigung der Ermittler gibt es nicht – die Beteiligung an sieben Taten der Anschlagserie vorgeworfen worden sein: Brandanschläge am 2. Oktober 2023 auf eine Geothermie-Baustelle und einen Kabelschacht der Bahn nahe Mühldorf am Inn, zwei Brandstiftungen an Forst- und Baumaschinen im Dezember 2023 in München, der Brand eines Bauzugs auf einer Bahnstrecke bei Oberhaching im Juli 2024 und im September desselben Jahres ein Brandanschlag in der Münchner Detmoldstraße sowie der Versuch, eine Windkraftanlage bei Berg am Starnberger See anzuzünden.

In den sieben Monaten Untersuchungshaft hat sich der damalige „Anfangsverdacht“ bislang jedenfalls offenbar nicht zu einem dringenden Tatverdacht verdichtet – sonst wären die beiden Münchner nicht auf freien Fuß gesetzt worden. Ein Sprecher des Landgerichts München erklärt: Die Haftbefehle – die ja allein wegen der mutmaßlichen „Zündlumpen“-Mitarbeit bestanden hatten – „wurden aufgehoben, weil das Gericht den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft als unverhältnismäßig angesehen hat“.

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