Süddeutsche Zeitung

Franz Xaver Bogner dreht neue Serie:Techtelmechtel mit dem Pfarrer

Lesezeit: 3 min

Der Regisseur und Autor Franz Xaver Bogner verfilmt das Buch "Himmel, Herrgott, Sakrament" des Kirchenrebellen Rainer Maria Schießler als Serie - allerdings sehr frei, inklusive Techtelmechtel mit der Nachbarin.

Von Julian Raff

Die Sommersonne steht schon schräg, gleißt aber immer noch hell aufs Kirchenportal, wo Hans Reiser auf die Firmlinge samt Familienanhang wartet. Nicht nur für den neuen Pfarrer ein heikler Termin, schließlich beschränkt sich der Kontakt mit der Mutter des dreizehnjährigen Florian nicht auf die Seelsorge...

Die pikante Szene wird nächstes Jahr erstmals im BR-Sechsteiler "Himmel, Herrgott, Sakrament" zu sehen sein und danach wahrscheinlich immer mal wieder, genau wie "Zur Freiheit", "Irgendwie und Sowieso" und all die anderen Serienklassiker aus der Hand von Franz Xaver Bogner. Der 73-jährige Regisseur und Autor dreht gerade hauptsächlich in Sendling die Geschichte eines umtriebigen, unkonventionellen Geistlichen, gespielt von Stephan Zinner, bekannt als Musiker und Kabarettist, noch bekannter als Eberhofers Leberkäsdealer "Simmerl" und als früherer Nockherberg-Söder.

Der Titel verrät nicht nur, um was es geht, sondern auch um wen: "Himmel, Herrgott, Sakrament" heißt das 2016 erschienene Erinnerungs- und Bekenntnisbuch des weit über seine Pfarrei St. Maximilian in der Isarvorstadt hinaus bekannten Geistlichen Rainer Maria Schießler. Der medienaffine Kirchenrebell freut sich gegen den Trend über ein volles Gotteshaus und wirbt für einen lebensfrohen Glauben mit neuen Ideen wie einer "Viecherlmesse" für Mensch und Tier, mit einem Nebenjob als Wiesn-Kellner sowie mit inzwischen fünf Büchern und diversen TV-Auftritten.

Die Sache entwickelt sich aber nicht in Richtung "Dornenvögel"

Wem das zu viel Remmidemmi ist, dem erlaubt das Buch einen Blick hinters Image des Spaßpfarrers: Es geht auch um unerfüllte Liebe und Sexualität, um Einsamkeit, Zweifel, drohenden Burnout und das Fremdeln mit der saturierten Stadtklientel - alles in allem keine lustige Anekdotensammlung, sondern ein introspektiver, kirchenpolitisch ambitionierter Text, der auf den ersten Blick nicht gerade nach Verfilmung schreit.

Bogner und seine Mitautoren Marcus Pfeiffer und Stefan Betz haben also bewusst frei herum gestrickt ums Grundgerüst: Neu in seiner Münchner Pfarrei knüpft Reiser schnell Kontakt zu seiner Nachbarin, der frisch vom Vater ihrer beiden Kinder getrennten Lisa Kirchberger (Anne Schäfer), die mit der Kirche nichts am Hut hat, anders als ihre stramm katholische Mutter Cornelia Vogelsang (Susi Stach), der Reisers forsches Auftreten gegen den Strich geht.

Natürlich schauen sich Pfarrer Reiser und Lisa trotzdem etwas zu tief in die Augen. Die Romantik bleibe aber geerdet und realistisch, verrät Kirchberger-Darstellerin Anne Schäfer. Auch Produzent Philipp Kreuzer stellt sicherheitshalber klar, dass die Sache nicht in Richtung "Dornenvögel" geht - was man von einem Bogner-Skript aber auch kaum erwartet hätte, schließlich leben die TV-Dauerläufer vor allem von ihrer Treffsicherheit und Finesse.

Pfarrer Reiser selbst ist denn auch "nicht nur rein komödiantisch geschrieben", findet sein Darsteller Zinner, eher seien es einige Figuren um ihn herum. Stereotype Charaktere wie die bigotte Alte, haben die Autoren aber wohl vermieden. Reisers traditionsbewusste Widersacherin Cornelia Vogelsang zum Beispiel kommt, so Darstellerin Susi Stach, eigentlich "aus der linken Ecke", was sich aber "konservativ abgeschliffen" habe, auch in ihrem Amt als Stadträtin. Trotzdem bewundert sie ihre klimaschutzbewegte Enkelin Natalie.

Authentizität erwarten, das darf der Zuschauer auch bei den Drehorten, die seit jeher zu Bogners heimlichen Hauptdarstellern mit hohem Wiedererkennungswert gehören. Einige Ecken der Stadt werden wohl aus der Motorradperspektive zu sehen sein. Pfarrer Reisers zweirädriges Dienstfahrzeug haben die Autoren nicht erfunden, wobei der echte Schießler nicht in den Sattel steigt, um Robustheit à la Don Camillo zu markieren, sondern um den Münchner Dauerstau auszutricksen und sich kurze Auszeiten zu gönnen, wenn ihm der eigene Erfolg mal wieder über den Kopf zu wachsen droht.

Gedreht wurde auch im Oberland, ihre Stadtviertelheimat hat die Geschichte aber in Sendling, wo Reisers Pfarrkirche "St. Innozenz" von St. Margareth beim Harras (innen) und St. Korbinian (außen) am Gotzinger Platz gespielt wird. Die gediegene, aber nicht überkandidelte Gegend hat es Bogner angetan, spätestens seit er hier und nebenan im Schlachthofviertel "Zur Freiheit" drehte. Auf dem Viktualienmarkt und im Zentrum zu filmen, das wäre ihm nach der Polizeiserie München 7, wie ein Selbstzitat vorgekommen, so Bogner. An Schießlers Original-Arbeitsplatz "St. Max" wiederum "wäre uns der Tontechniker verrückt geworden", so laut rauscht der Verkehr um die Kirche.

Seine akustischen Tücken hat auch der Drehort rund um St. Korbinian mit dem donnernden Kopfsteinpflaster in der Valleystraße. Ganze Straßenzüge tageweise zu sperren, das sei heute nicht mehr so einfach, sagt der Regisseur, manche Genehmigung sei bei den Behörden schon "schwer erkämpft". Auch sonst schlug sich das Filmteam mit einigen Widrigkeiten herum, vor allem in Form endloser Corona- und Hitzewellen. Auch an diesem Sommertag brennt es heftig auf den Kirchenvorplatz, die Maskenbildner müssen ihre ganze Kunst aufbieten, um die Darsteller halbwegs frisch aussehen zu lassen.

Manchmal helfen auch die alten Hausmittel: Nachwuchsdarstellerin Emilia Braumandl findet heute leicht in ihre Rolle als junge Klimaaktivistin Natalie Kirchberger. Eigentlich wollte sie in der Drehpause rüber zur Isar, dafür reicht aber die Zeit nicht, also hat ihr stattdessen ein Kollege quasi die Isar hergebracht, erzählt sie, mit den Füßen im kühlen Wassereimer. Den Darstellern wird der Hitzestress am Ende nicht anzusehen sein.

Trotzdem ist man am Set natürlich nicht glücklich über die festgenagelte Wetterlage, die, wie Produzent Philipp Kreuzer erklärt, auch immer die Gefahr einer gewissen Telenovela-Optik birgt. Kreuzer hofft auf noch ein paar verhangene Drehtage und auf gewohnt "hochwertige Bilder", die "die Stadt zeigen, wie sie ist, also auch mal mit Regen" - man könnte auch sagen, in gemischten Tönen, wie sie eine echte Bogner-Geschichte nun einmal braucht.

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