Moosgrund in Bogenhausen:Schutzgebiet auf Sand gebaut

Moosgrund im Nordenwesten von München, 2019

Die Stadt München hatte immer wieder betont: sie wolle die Landwirtschaft innerhalb der Stadtgrenzen erhalten.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der "Moosgrund", der nordöstlicher Zipfel Bogenhausens, wird Anfang 2021 als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen - trotz Protesten. Sogar ein Kiesabbau ist aus Sicht der Stadt hier möglich.

Von Thomas Kronewiter, Bogenhausen

Wenn die Anzeichen nicht trügen, wird die seit vielen Monaten vorgebrachte Kritik an der Konzeption des neuen Landschaftsschutzgebiets "Moosgrund" dessen förmliche Ausweisung nicht verhindern. Der Rechtsakt ist für Anfang 2021 vorgesehen, bereits seit 2016 ist dieser nordöstlichste Zipfel des Stadtbezirks Bogenhausen an der Grenze zu den Nachbarkommunen Aschheim und Unterföhring unter vorläufigen Schutz gestellt. Zuletzt hat der Verein Bündnis Nordost, ein eher wachstumskritischer Zusammenschluss von elf Vereinen und circa 200 Bürgern im Nordosten der Stadt, in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) die Sinnhaftigkeit wesentlicher Eckpunkte des Landschaftsschutzgebiets in Frage gestellt, sich zugleich aber für den Schutz der "seit Jahrhunderten bestehenden einmaligen Niedermoorlandschaft" eingesetzt.

Die Stadt München betone immer wieder, dass sie die Landwirtschaft innerhalb der Stadtgrenzen erhalten wolle, heißt es dort. "Bei einer Ausweisung eines Landschaftsschutzgebiets wird es für die landwirtschaftlichen Betriebe sehr schwierig bis fast unmöglich, sich zu entwickeln." Damit blieben dies nur leere Worthülsen. Während bei dieser Argumentation nicht zuletzt betroffene Landwirte die Feder geführt haben dürften, die schon bei der öffentlichen Erörterung vor einem Jahr massive Sorgen über mögliche Einschränkungen hatten erkennen lassen, lässt das städtische Planungsreferat diese Sorge in einer Antwort auf eine SZ-Anfrage nicht gelten. Die Behörde, die bislang die Schutzgebietsausweisung betreut, weist nur knapp darauf hin, dass die "bisherige landwirtschaftliche Bodennutzung weiterhin ohne Einschränkungen möglich bleibt". Das gewähre eine Ausnahmeregelung.

Als ein Hauptproblem der geplanten Festsetzungen haben die Bündnis-Aktiven den Vorbehalt erkannt, der für künftigen Kiesabbau in dem 360 Hektar großen Areal gemacht werden soll. Auf etwa der Hälfte dieser Fläche, plus eventueller Infrastrukturbereiche, könnte künftig Kies abgebaut werden - dies ist nach Meinung des Nordost-Vereins "widersprüchlich zu einem Landschaftsschutzgebiet und ökologisch in keinem Maße vertretbar". Sollte Kies abgebaut werden, könnte nach Ansicht der Kritiker der Grundwasserspiegel sinken, und dem Niedermoorgebiet drohte die Austrocknung.

Aus Sicht des Naturschutzes schließe die teilweise Inanspruchnahme durch Kiesabbau jedoch eine Inschutznahme des gesamten Bereichs nicht aus, antwortet die Stadt. Das Landschaftsschutzgebiet könne auch mit beziehungsweise nach einem erfolgten Abbau von Kies und Sand seine Schutzfunktionen erfüllen. "Zudem besteht auch für Auskiesungsflächen die Chance zur Entwicklung von wertvollen Biotopen, die wie das Niedermoor immer seltener werden beziehungsweise zunehmend verschwinden." Dazu würden dann gegebenenfalls entsprechende Entwicklungs- und Pflegekonzepte aufgestellt, inklusive nachfolgender Renaturierung. Beispielsweise könne die Wechselkröte bei der Anlage von Laichgewässern, aber auch schon während des Kiesabbaus profitieren. Es sei zudem nicht absehbar, wann Kies oder Sand abgebaut würden.

Wie sinnvoll kann aber ein Landschaftsschutzgebiet mit einer sehr sensiblen Flora und Fauna sein, wenn in unmittelbarer Nähe im Zuge der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) Nordost in einigen Jahren bis zu 30 000 Menschen angesiedelt werden, die den Moosgrund als natürliche Naherholungszone sehen dürften? "Dieses Naherholungsgebiet wird eine ähnliche Frequentierung haben wie der Englische Garten", finden die Nordost-Aktivisten, die sich im Übrigen schon deshalb für eine weitere öffentliche Debatte des Themas stark machen. Nicht von ungefähr habe auch der Bund Naturschutz diese massive Besiedlung kritisch gesehen.

Für die Stadt dagegen ist gerade die geplante Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet wegen der Ansiedlungspolitik geboten. Im Ballungsraum München komme siedlungsnahen Freiräumen eine besondere Bedeutung zu - nicht nur für den Arten- und Biotopschutz, sondern auch für die Naherholung und die Freiraumversorgung. "Die Inschutznahme des Landschaftsschutzgebiets zielt in Richtung eines Schutzes des Charakters der Landschaft." Im Gegensatz zur höchsten Schutzkategorie, den Naturschutzgebieten, sind Landschaftsschutzgebiete häufig großflächiger und haben zumeist geringere Nutzungseinschränkungen.

Eine weitere öffentliche Debatte lehnt die Stadt ab - für Anregungen und Einwände hätten Bürger bei einem Diskussionsabend und den Planauslegungen ausreichend Gelegenheit gehabt.

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