Debatte um Böllerverbot:Warum München Silvester-Feuerwerke nicht verbieten kann

Böllerfreie Silvesterfeier am Marienplatz in München, 2019 / 2020

Schon im vergangenen Jahr durften in der Münchner Innenstadt keine Silvesterraketen mehr abgefeuert werden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Mehrheit der Stadträte will die Feuerwerke stärker einschränken - doch laut Kreisverwaltungsreferat ist das rechtlich nicht möglich.

Von Anna Hoben

Eigentlich wollen fast alle das Gleiche: Privatfeuerwerke zu Silvester deutlich einschränken - und den Bürgerinnen und Bürgern stattdessen Alternativen bieten, die im besten Fall viel schöner sind, etwa ein zentrales Feuerwerk oder eine Lasershow. Zugunsten besserer Luft; zugunsten der Menschen, die durch Raketen und Böller gefährdet werden; zugunsten der Tiere, die unter dem Lärm leiden. In diesem Jahr auch zugunsten der Ärztinnen und Pfleger in den Kliniken, die in der Pandemie ohnehin an der Belastungsgrenze sind, und denen man nicht zumuten will, dass sie sich auch noch um Feuerwerksverletzungen kümmern müssen.

Fast alle Parteien im Kreisverwaltungsausschuss des Stadtrats wollen also das Gleiche, allein die Bayernpartei gibt den Ausreißer, dazu später. Nur: Es lässt sich rechtlich nicht umsetzen, weil das Sprengstoffrecht Bundessache ist. Das teilte Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle den Lokalpolitikern am Dienstag mit. Wie die Parteien damit umgingen, war wiederum höchst unterschiedlich. Eine Stunde lang debattierten sie leidenschaftlich, das Ergebnis: Wie zum vergangenen Jahreswechsel wird das Böllern nach jetzigem Stand in Teilen der Innenstadt verboten sein. Mehr ist nicht drin, wobei abzuwarten bleibt, was aus Infektionsschutzgründen bis dahin verordnet wird. Wie Silvester in diesem Jahr tatsächlich aussehen kann und wird, das kann aktuell noch niemand sagen.

Vor allem die Fraktionen ÖDP/Freie Wähler und Linke/Die Partei hatten sich viel weitergehende Verbote gewünscht; sie stimmten am Ende dem Referentenantrag auch nicht zu. ÖDP/Freie Wähler hatten sich dafür eingesetzt, das Böllerverbot auf das gesamte Stadtgebiet auszudehnen. München sei die am dichtesten besiedelte Großstadt in Deutschland. Wo also, wenn nicht in München, fragte die Fraktion in ihrem Änderungsantrag, sollte die Möglichkeit genutzt werden können, in bestimmten dicht besiedelten Gemeinden ein über Stadtteile hinausgehendes Verbot zu erlassen? Die Linke/Die Partei zogen für ihre Argumentation das Beispiel der Niederlande heran, die für den Jahreswechsel sämtliche Privatfeuerwerke verboten haben, um die Kliniken zu entlasten. Die Fraktion will daher das gesamte Münchner Stadtgebiet zur "Knallverbotszone" machen.

Sie habe große Sympathien für diesen Vorstoß, sagte Gudrun Lux (Grüne), man könne aber nicht einfach Dinge beschließen und dann warten, bis man rechtlich ausgebremst werde. Die Bevölkerung sei wegen der Corona-Einschränkungen "eh schon am Ende ihrer Belastbarkeit", kommentierte Thomas Schmid (CSU). Marie Burneleit (Die Partei) entgegnete, stark belastet seien die Krankenhäuser - "wir können schon noch was aushalten". Die Münchner könnten genug tun an Silvester, auch ohne Böller und Raketen, "knutschen, Raclette essen, sich mit Champagner oder billigem Dosenbier betrinken". Worauf Richard Progl (Bayernpartei) die Befürchtung äußerte, manche Stadtratskollegen empfänden körperliche Schmerzen, wenn sie "mal einen Tag nichts verbieten" könnten. Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern sei eine "gute alte Tradition", und selten sei es so angebracht gewesen wie heuer, das alte Jahr davonzujagen. Man solle den Leuten "ihr geliebtes Feuerwerk" lassen.

Die ÖDP übt scharfe Kritik

Das wiederum konnte Evelyne Menges (CSU) so nicht stehen lassen. Wer in den vergangenen Jahren die eine oder andere Bürgerversammlung besucht habe, wisse, dass "eine große Mehrheit der Leute" sich für ein Feuerwerksverbot zu Silvester ausspreche. Kommunen bräuchten mehr Gestaltungsspielraum. Dafür soll sich nun laut Stadtratsbeschluss Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) weiter einsetzen, unter anderem über den Bayerischen und Deutschen Städtetag. So soll es für die Stadt irgendwann einfacher werden, für spezielle Bereiche wie etwa die Umgebung des Tierparks ein Feuerwerksverbot zu erlassen. "Wir bedauern es sehr, dass keine Feuerwerks-Sperrzone um den Tierpark möglich ist", sagte auch Christian Vorländer (SPD). "Denn gerade die Tiere leiden unter der Böllerei in der Silvesternacht besonders." Die Fraktion SPD/Volt hatte sich für eine Ausweitung des Verbots auf die Gegend um den Tierpark eingesetzt.

Tobias Ruff (ÖDP) nahm den anderen Fraktionen ihren politischen Willen nicht ab. Wenn es heiße, etwas sei schwierig und gehe nicht, könne man das übersetzen mit "wir wollen nicht". Die Stadt habe auch jetzt schon mehr Handlungsspielraum. Andere Städte wie Halle oder - in Bayern - Amberg machten vor, wie es gehen könne. Dem widersprach Referent Böhle deutlich: Das KVR gehe in vielen Bereichen "hart an die Grenzen des rechtlich Zulässigen". Die ÖDP übte nach der Sitzung scharfe Kritik: "Das Kreisverwaltungsreferat und die Rathausregierung schieben wenig begründete, bürokratische Bedenken vor, anstatt endlich auf die Bedenken von Anwohnern, Tier- und Umweltschützern zu hören", hieß es in einer Mitteilung.

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