Kulturengagement von BMW:"Klassisches Sponsoring, das kann jeder"

Ilka Horstmeier, 2020

Ilka Horstmeier.

(Foto: Catherina Hess)

Der Münchner Autobauer BMW engagiert sich seit 50 Jahren auch kulturell. Verantwortlich ist dafür heute die Personalvorständin Ilka Horstmeier. Sie erzählt von ihren Plänen, Interesse aus Sydney und Nibelungen-Mut.

Interview von Susanne Hermanski

Als Personalvorständin von BMW, mit 120 000 Mitarbeitern weltweit, entscheidet Ilka Horstmeier über Projekte, die gewaltige Summen kosten, etwa den milliardenschweren Bau eines neuen Werks in Asien. Den Corona-Krisenstab des Unternehmens leitet sie überdies. Aber manchmal geht es bei ihr auch um die leichtere Muse - und die schwere. Denn sie verantwortet, gemeinsam mit dem Finanzvorstand, auch das kulturelle Engagement des Autobauers. Dessen Kulturengagement feiert derzeit sein 50-jähriges Bestehen.

BMW datiert dessen Beginn so, weil der damalige Vorstandsvorsitzende Eberhard von Kuenheim 1971 Gerhard Richter bat, drei Gemälde für das Foyer der damals neuen Münchener Konzernzentrale anzufertigen. Sie hängen dort seit der Eröffnung des Vierzylinders 1973. Und Ilka Horstmeier geht auf dem Weg zu ihrem Büro im 22. Stock stets an ihnen vorbei. Mehr Breitenwirksamkeit haben freilich andere Kulturformate, die BMW unterstützt.

SZ: Die Bayerische Staatsoper und BMW haben in dieser Woche ihre "Globale Partnerschaft" verkündet. Warum global?

Ilka Horstmeier: Wir arbeiten bei "Oper für alle" schon seit 25 Jahren zusammen, und wollen mitwirken, die Oper noch präsenter zu machen. Zum Beispiel durch Onlineformate, die nicht nur mehr und anderes Publikum erreichen, sondern auch einen spannenden Perspektivwechsel ermöglichen. Eine Digitalkamera auf der Schulter von Kirill Petrenko kann so etwas erfahrbar machen. Aber auch auf herkömmlichen Wegen. Als wir die Zusammenarbeit am Dienstag erstmals bekanntgaben, haben tags darauf gleich Kolleginnen aus Australien angerufen. Sie sagten, "da müssen wir doch sofort etwas mit der Oper in Sydney einfädeln!" Vielleicht wird "Oper für alle" demnächst auch in Australien stattfinden, wie jetzt schon in Berlin, London, Moskau und Shanghai.

Aber: What's in it for you? Was erwartet sich BMW im Gegenzug?

Wir sehen unser kulturelles Engagement als Teil unserer sozialen Verantwortung - und nicht als klassisches Sponsoring. Das kann jeder. Wir bringen gerne unser Know-how und Netzwerk ein, ohne je inhaltliche Vorgaben zu machen. Das versteht sich hoffentlich von selbst. Aber natürlich freuen wir uns, wenn jemand nach einer Veranstaltung auch noch einen BMW kauft. Unsere primäre Intention ist das nicht. Dann dürfte man nicht "Oper für alle" machen, sondern "Oper für Premium-Kunden".

In der Pandemie hieß es bald, die Industrie würde von der Politik begünstigt, die Kultur dagegen grob stiefmütterlich behandelt. Was sagen Sie dazu?

Über die unterschiedlichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zu reden, würde diesen Rahmen sprengen. Aber mir hat das Herz geblutet zu sehen, wie Kulturveranstaltungen unmöglich wurden, wie es Kulturschaffenden ging, die natürlich die Bühne brauchen, die Bühne wollen - die aber auch das Einkommen brauchen. Und wegen der Menschen, die einfach die Kultur brauchen.

Gilt das auch für Sie persönlich?

Ja, ich finde, man ist richtig ausgetrocknet in dieser Zeit. Besonders am Anfang der Pandemie haben wir gemerkt, wie sehr alles zusammenwirkt. Dass es nicht nur wichtig ist, dass der Vorstand die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Isolation zu Hause mit Informationen über die Pandemielage, unsere Elektrifizierungsoffensive oder unsere Nachhaltigkeitsstrategie versorgt. Sondern wie wichtig es ist, den Menschen auch Wärme zu geben und Emotionen. Wir haben vieles ausprobiert. Mitarbeiter haben Kochrezepte getauscht. Der Leiter unseres Kulturengagements hat in einem Literaturpodcast täglich Kurzgeschichten vorgelesen. Mich hat das sehr gerührt.

Wenn Sie sich Zeit nehmen für Kultur, dann wofür?

Ich gehe sehr gerne in die Oper. Zum letzten Mal war ich in Turandot mit Anna Netrebko. Das war kurz bevor der Shutdown kam. Mit 16 Jahren habe ich das erste Mal den Ring des Nibelungen gesehen.

Oh, wer hatte Sie dazu gezwungen?

Keiner. Ich war neugierig und habe mich auf das Erlebnis eingelassen. Es hatte mir anfänglich aber auch einen gewissen Mut abverlangt, als Jugendliche überhaupt in dieses ehrwürdige Haus zu gehen.

Wo war das?

In der Deutschen Oper am Rhein in Duisburg. Meine Eltern haben mir Karten für den Ring geschenkt. Manchmal musste ich mich auch durchkämpfen - die Walküre ist ja schon anstrengend - aber ich habe durchgehalten.

Ihre Lieblingsoper?

Ich liebe Wagner - Tannhäuser! Schon wenn ich die Ouvertüre höre, kribbelt es in mir. Ich liebe überhaupt Musik, auch den Jazz. Ich bin für den BMW Jazz Award ebenfalls zuständig. Und ich finde, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken auch wie ein Jazz-Ensemble zusammen. Jeder weiß genau was zu tun ist, wann er oder sie an der Reihe ist auf dem Weg zum Meisterwerk.

Kulturengagement von BMW: Dieser Sportwagen hat sich nicht verfahren. Jenny Holzers Art Car auf der Opernbühne symbolisiert die Partnerschaft zwischen Lautstärke und Pferdestärke.

Dieser Sportwagen hat sich nicht verfahren. Jenny Holzers Art Car auf der Opernbühne symbolisiert die Partnerschaft zwischen Lautstärke und Pferdestärke.

(Foto: Daniel Nikodem, @bmwjogge, BMW AG)

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für ein ganz besonderes Musikerlebnis, was wäre das?

In Bayreuth war ich schon. Aber mein Traum wäre, einmal in der Grotte in Linderhof eine Wagner-Oper zu hören. Aber das ist nur der eine Teil.

Und der andere?

Kunst begeistert mich auch. Als ich mein erstes Kunstwerk gekauft habe, hatte ich gerade angefangen bei BMW und war als Trainee in Südafrika. Kurz davor hatte Esther Mahlangu für uns einen Art Car bemalt, und ich wollte von ihr unbedingt ein Bild kaufen. Jemand riet mir, in das Dorf außerhalb von Johannesburg zu fahren, aus dem sie stammt. Sie ist Teil der Ndebele-Kultur. Also fuhren wir los, und ich dachte, wir finden sie auf alle Fälle, ich kenne ja Fotos von ihrem Haus, das ist ganz ähnlich bemalt wie ihr Art Car. Aber als wir ankamen, haben wir gesehen, dort sind fast alle Häuser so bemalt, weil das ja Stammeskunst ist.

Und, wurden Sie trotzdem fündig?

Ja, und ich habe ein Bild gekauft und bin heute wahnsinnig glücklich, dass ich es seit 26 Jahren besitze. Es hängt an einem sehr prominenten Platz bei uns zu Hause.

Sammeln sie systematisch?

Nein, ich würde eher sagen, für mich entscheidet der Bezug zum Künstler, der Mensch hinter der Kunst. Bei uns hängen Künstler, die wir getroffen und die uns beeindruckt haben. Ein Gerhard Richter tut dies natürlich auch. Aber den würde ich im Format, wie er bei uns im Foyer bei BMW hängt, ganz sicher nicht kaufen können.

Verkaufen Sie auch mal etwas, viele Kunstsammler haben ja schnell das Problem: zu viel Kunst, zu wenig Wand?

Dann müssen wir mehr Raum schaffen!

Architektur fasziniert Sie?

Besonders beruflich. Es ist ein Mehrwert meiner Aufgabe, dass ich nicht nur für Menschen zuständig bin, sondern auch für ihre Räume. Wenn wir Werksanlagen bauen, wollen wir solche schaffen, die nicht nur ästhetisch schön sind, sondern die auch dazu führen, dass Menschen ganz anders arbeiten, kreativ sein können. Zaha Hadid in Leipzig, Sir Douglas Grimshaw in Goodwood, Karl Schwanzer und Coop Himmelb(l)au hier in München. Das sind wunderbare Architekten! Und an der BMW Welt sieht man, was passiert, wenn die Symbiose zwischen Architektur und Funktion stimmt. Man sollte wissen, dass die BMW Welt häufiger besucht wird als ...

... Neuschwanstein, ich weiß. Sie haben unter anderem das Werk in Dingolfing geleitet und auch gemeinsam mit den Mitarbeitern am Band gearbeitet, um deren Arbeit genau kennenzulernen. Gibt es eigentlich noch eine Arbeiterkultur?

Ich sehe keinen Unterschied zwischen der Begeisterung für Kultur bei einem Facharbeiter in der Produktion oder einer Angestellten im Büro. Und vor Stigmatisierungen würde ich dringend warnen. Über 50 Nationen arbeiten im Werk München zusammen. Sie haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Das ist ein Querschnitt der Gesellschaft. Auch da gibt es Menschen, die kulturaffin sind. Andere sind fußballaffin, manche interessiert beides.

Es gab Zeiten einer durchaus stolzen Arbeiterkultur. Aber sagen Ihre Leute wirklich nie, schmeißt doch mal lieber ein schönes Peter-Maffay-Konzert für uns als "Oper für alle"?

In abgewandelter Form tun wir das ja. Alljährlich mit hunderten Engagements weltweit. Und über das "KulturMobile" bieten wir speziell unseren Beschäftigten seit 20 Jahren alle möglichen Kulturveranstaltungen auch exklusiv an und viele vergünstigte Karten. Das nutzen Tausende Mitarbeiter jedes Jahr.

Immer öfter ist zu hören, während Asien die Technologie der Zukunft und Amerika deren digitale Revolutionierung voranpeitschen, werde Europa zum Museum der Welt. Ehrbar vielleicht, weil es die Kultur in ihrer Vielfalt hochhält, aber eben doch hoffnungslos abgehängt. Wie sehen Sie das, an der Führungsspitze eines Konzerns, der all diese Kontinente überspannt?

Ich glaube, dass Europa eine Chance hat, gerade wegen seiner Kultur. Aber natürlich müssen wir uns transformieren. Das gilt für uns Unternehmen und auch für die Staatsoper. Die Oper ist über 400 Jahre alt. Wir müssen damit umgehen, wenn junge Menschen keine Lust haben, sich viereinhalb Stunden in eine Wagner-Oper zu setzen. Wenn die sich fragen, ist das etwa mein Lebensgefühl? Oder: Wie kann ich das digital bekommen? Und BMW muss sich fragen, was erwarten unsere Kunden in der Zukunft vom Fahren in einem Auto. Wir dürfen auch nicht stehen bleiben, in den Rückspiegel schauen und sagen: Alles okay, damals waren wir spitze.

Zum Abschluss eine kleine fiktive Aufgabe für die Zukunft. Stellen Sie sich vor, Sie geben für BMW eine neue Kühlerfigur in Auftrag - schließlich hat Rolls-Royce auch seine Emily und gehört zum Konzern. Wie könnte die Figur aussehen? Und welcher Künstler könnte sie gestalten?

Die Vorstellung widerstrebt mir sehr. Die Kühlerfigur bei Rolls Royce heißt übrigens "Spirit of Ecstasy". Und das Markenzeichen von BMW ist seit mehr als 100 Jahren der weißblaue Propeller. Den würde ich durch nichts austauschen. Auf der anderen Seite: Ich habe kürzlich Jeff Koons getroffen. Die Vorstellung, ihn eine Kühlerfigur entwerfen zu lassen, finde ich schon super!

Zur SZ-Startseite
Cocaine and lines (flour) on a black reflective surface Cocaine and lines (flour) on a black reflective surface PUBLICAT

SZ PlusDrogenkonsum
:"Das Koks war schon immer da in München"

So sicher, wie die Isar durch München rauscht, so konstant rieselt seit Jahrzehnten das weiße Pulver. Über die Stadt, in der es das ganze Jahr schneit.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: