Naturkundemuseum:Warten auf das Biotopia

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So soll es einmal aussehen: Die Entwürfe des Berliner Architekten Volker Staab für das Museum Biotopia am nördlichen Ende der Nymphenburger Schlossanlage liegen schon länger vor. (Foto: Biotopia)

Auch 2022 ist im bayerischen Haushalt kein Geld für den Neubau des Museums in Schloss Nymphenburg eingeplant. Wird ein eben noch als Leuchtturm gefeiertes Projekt so lange verzögert, bis es scheitert?

Von Sonja Niesmann

Das Museum Mensch und Natur bleibt ein Jahr länger, bis Ende 2022, geöffnet. Für Fans des Museums in Schloss Nymphenburg war diese Nachricht von Wissenschaftsminister Bernd Sibler im September erfreulich, bei anderen klingelten Alarmglocken. War das als Indiz zu werten, dass auch dieses Jahr wieder nichts vorangeht mit dem großen Nachfolge-Naturkundemuseum Biotopia?

Und tatsächlich: Im dieser Tage im Landtag vorgelegten Haushaltsentwurf für 2022 mit einem Rekordvolumen von fast 71 Milliarden Euro sind zwar 3,5 Millionen Euro Planungsmittel für das Biotopia-Team eingestellt, der große Brocken - die 200 Millionen Euro für den Neubau - aber nicht.

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Im Frühjahr hieß es noch, vor oder nach der Sommerpause werde der Landtag die Mittel für den Bau bewilligen

Die Entwurfsplanung des Berliner Architekten Volker Staab liegt fertig auf dem Tisch, führende Politiker wie Ministerpräsident Markus Söder und Wissenschaftsminister Bernd Sibler (beide CSU) haben sich immer wieder zu dem "Leuchtturm-Projekt" am nördlichen Ende der Nymphenburger Schlossanlage bekannt; im Frühjahr hieß es, entweder noch vor oder nach der Sommerpause werde der Landtag endlich die Mittel für den Bau bewilligen.

Wegen einer Gesetzesänderung, der zufolge auch erwartete Baukostensteigerungen sowie ein Risikopuffer einberechnet werden müssen, haben sich die ursprünglich auf 148 Millionen Euro angesetzten Kosten inzwischen auf 200 Millionen hochgeschraubt.

Noch kommt ihm kein Wort der Frustration über die Lippen: Biotopia-Gründungsdirektor Michael John Gorman. (Foto: Robert Haas)

Doch wieder hat sich die Politik nicht zum finalen Go durchgerungen, der Haushaltsausschuss hat sich gar nicht mit dem Neubau befasst. Eine Begründung dafür nennt das zuständige Haus auf Anfrage nicht. Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler unterstütze "weiterhin intensiv die Entstehung von Biotopia", teilt Ministeriumssprecher Michael Becker mit, Baumittel würden "bedarfsgerecht" in den Haushalt eingestellt werden.

Dem Biotopia-Gründungsdirektor Michael John Gorman will dennoch kein Wort der Frustration über diese Hängepartie über die Lippen kommen. Das Geld sei eben knapp wegen Corona, kommentiert der Ire, der vor fünf Jahren nach München kam, in verständnisvollem Ton. Die Politik wolle vielleicht abwarten, wie sich die Pandemie entwickle.

Biotopia konkurriert mit zahlreichen anderen Großprojekten

Zudem konkurriert Biotopia mit zahlreichen anderen, millionenteuren Sanierungsprojekten und Neubauten wie etwa der Sanierung des Klinikums Großhadern, des Hauses der Kunst, der Musikhochschule, einer neuen Physik-Fakultät, dem Konzertsaal.

Man dürfe allerdings, betont Gorman bei solchen Gelegenheiten, so auch diesmal, Biotopia nicht als reines Münchner Museum sehen, durch die geplanten Kooperationen mit anderen einschlägigen Einrichtungen werde es "ein Projekt für ganz Bayern". Und die Pandemie habe gezeigt, wie enorm wichtig heutzutage Wissenschaftskommunikation sei, auf der ein Fokus in diesem Museum der "Lebenswissenschaften" liegen soll.

Der FDP-Vorsitzende in Neuhausen-Nymphenburg kritisiert die CSU dafür, keine klare Linie zum Projekt zu haben

Felix Meyer, FDP-Vorsitzender in Neuhausen-Nymphenburg, macht anders als Gorman kein Hehl aus seiner Enttäuschung, dass Biotopia nicht recht vorankommt. Dieses wichtige Projekt werde auf die lange Bank geschoben, kritisiert er in einer Pressemitteilung, "nur weil die CSU es nicht schafft, innerparteilich eine Linie zu finden".

Im Sommer dieses Jahres hatte plötzlich heftiges Störfeuer aus der CSU eingesetzt, vom Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger über den Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses, Robert Brannekämper, bis zum Stadtrat Leo Agerer kamen skeptische Äußerungen zur Dringlichkeit dieses ehrgeizigen Vorhabens beziehungsweise dem Standort im denkmalgeschützten Schlossensemble. So plötzlich die Kritik aufgeflammt war, so schnell verstummte sie auch wieder, zumindest in der Öffentlichkeit.

Anfang 2022 soll eine Entscheidung fallen

Befürchtungen, Biotopia werde verzögert bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag und irgendwann ganz beerdigt, hegt Michael John Gorman nicht. Sagt er jedenfalls. Er habe Signale, dass die Entscheidung im ersten Quartal 2022 falle. Auch dazu ist aus dem zuständigen Ministerium nichts Konkretes zu erfahren.

Sprecher Becker sagt: "Bei der Finalisierung der Planungen für dieses Zukunftsprojekt wird vonseiten des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst großer Wert darauf gelegt, die Anregungen aller Beteiligten in der einem solchen Großprojekt gebührenden Gründlichkeit mit aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund können wir hinsichtlich der nächsten Behandlung im Landtag aktuell keine genaueren Angaben machen. Dass diese möglichst zeitnah stattfindet, ist dabei selbstverständlich unser Ziel."

Ärger über das Verkehrskonzept gibt es auch

Die Politiker im Viertel hält die Unsicherheit, ob überhaupt und wenn, wann Biotopia - geschätzte Bauzeit sechs Jahre - realisiert wird, nicht davon ab, den Blick auf einen ihnen wichtigen Aspekt abseits von Wissenschaftsvermittlung und Architekturdebatte zu richten: auf den Verkehr. 400 000 pro Jahr erwartete Museumsbesucher müssen ebenso gelenkt und geleitet werden, wie die Schlossbesucher, die Parkspaziergänger, Radfahrer, die Kinder aus benachbarten Schulen und Kindergärten, der Anfahrts- und Lieferverkehr. Deshalb fordert der Bezirksausschuss schon seit Längerem ein ordentliches Verkehrskonzept.

Beim Staatlichen Bauamt München 1 beißt das Gremium damit auf Granit. Man habe das vorliegende und mehrmals aktualisierte Verkehrsgutachten - eine "rein interne Arbeitsgrundlage für das Projekt und nicht zur allgemeinen Veröffentlichung vorgesehen" - im Mai dem städtischen Mobilitätsreferat übergeben. Diesem stehe es natürlich frei, dessen Inhalte als Grundlage für ein Verkehrskonzept zu verwenden.

So abspeisen lassen will sich der Bezirksausschuss aber nicht, in seiner jüngsten Sitzung forderte er das Staatliche Bauamt noch einmal auf, zwingend ein Konzept in Auftrag zu geben. Dessen Ergebnis müsse vor der Eröffnung von Biotopia umgesetzt werden.

Wann immer diese sein wird. Jedenfalls ehe er in den Ruhestand geht, scherzt der 50-jährige Gorman. Benedikt Grothe, Vorsitzender des internationalen Biotopia-Beirats, hat im Sommer einen ernsteren Ton angeschlagen. Wenn Biotopia, das Grothe "revolutionär und weltweit einmalig" nennt, "jetzt nicht kommt, werden noch mal 50 Jahre vergehen".

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