Schwabing/Freimann:Gegen den Kandidaten

Patric Wolf gewinnt die Wahl zum Gremiumsvorsitz. Auch Grüne votieren für den CSU-Mann - und damit nicht für den eigenen Bewerber

Von Stefan Mühleisen, Schwabing/Freimann

Manchmal ist das Schicksal ein bisschen gnädig und beschert einem Politiker bei einer drastischen Niederlage zumindest einen geeigneten Sitzplatz. Ekkehard Pascoe muss am Mittwochabend nach der Abstimmung wohl froh sein um seinen Platz in der ersten Reihe. Denn so muss er die Kollegen von seiner Grünen-Fraktion nicht anschauen. Sein Gegenkandidat Patric Wolf (CSU) gewinnt die Wahl zum Vorsitzenden des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann mit 22 zu neun Stimmen. Heißt: Vier von Pascoes Kollegen haben nicht ihn, ihren Kandidaten, sondern den Kontrahenten gewählt. "Ich weiß nicht, ob ich in dieser Fraktion weiterarbeiten kann", sagt er später in der kurzen Pause, sichtlich fassungslos.

Schwabing/Freimann: Kontinuität zugesagt: der neue Vorsitzende des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann, Patric Wolf.

Kontinuität zugesagt: der neue Vorsitzende des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann, Patric Wolf.

(Foto: Stephan Rumpf)

Es ist eine denkwürdige Sitzung, in mehrfacher Hinsicht. Wegen der Corona-Krise muss sich das Gremium in einer Sitzordnung konstituieren, wie sie Schüler von Prüfungssituationen kennen: an Einzeltischen in der Turnhalle der Ricarda-Huch-Realschule, in Abständen aufgereiht. Die so ungewöhnlich Angeordneten entscheiden sich für eine Neuordnung der Schwabinger und Freimanner Lokalpolitik: Nach Jahrzehnten der SPD-Vorherrschaft übernimmt mit Patric Wolf ein CSU-Mann das Ruder. Dabei dürfte das Verhalten der Grünen über das Stadtviertel hinaus für Aufmerksamkeit sorgen. Denn die Öko-Partei ist der große Partner in der Stadtregierung und in 15 Stadtbezirken die stärkste Kraft, in Schwabing-Freimann mit 13 Sitzen. Viele unerfahrene Kandidaten sind gewählt - und die können offenbar recht gnadenlos sein, wie sich in der Turnhalle zeigt.

Schwabing/Freimann: Bittere Niederlage: Grünen-Spitzenkandidat Ekkehard Pascoe.

Bittere Niederlage: Grünen-Spitzenkandidat Ekkehard Pascoe.

(Foto: Stephan Rumpf)

Dabei war Pascoes Niederlage absehbar. Das Gremium pflegt einen konsensuellen Stil, der 71-jährige pensionierte Lehrer gibt sich ironisch-provokant. Seit gut einem Vierteljahrhundert sitzt er für die Grünen im BA. Die Öko-Partei war immer in der Oppositionsrolle, Pascoe der Wortführer. Nach dem Triumph am 15. März erschien es den Grünen legitim, künftig qua Wählerwillen die tragende Rolle im BA zu spielen. Sinngemäß sagten sie das auch in den Video-Verhandlungsrunden der Fraktionen; dabei schickten die Grünen Pascoe erst vor einer Woche ins Rennen, Spitzenkandidatin Barbara Epple hatte ihre Kandidatur für den Vorsitz zurückgezogen. Es zeigte sich, dass die potenziellen Partner sie nicht wollten; das gilt auch für Pascoe, unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit: Sie mögen und schätzen ihn, doch führen lassen wollen sie sich nicht von ihm. Manche in seiner eigenen Fraktion schätzen ihn noch nicht einmal, wie jetzt dokumentiert ist - und was sie ihm noch am Tag vor der Sitzung zu verstehen gaben, wie Pascoe bestätigt. Doch dass sie tatsächlich Wolf unterstützten, habe ihn dann doch überrascht. "Das ist nicht hinnehmbar und vor allem kein Verhalten, einen Wahlsieg in politische Münze umzusetzen", sagt er. Völlig unklar sei es nun, wie die Fraktionsarbeit weitergehen soll.

So kommt es, dass die Wahlsieger vom 15. März noch vor dem Start zerstritten sind, die Wahlverlierer die politische Münze unter sich aufteilen: Stadtrat und SPD-Fraktionssprecher Lars Mentrup zieht seine Kandidatur für den Vorsitz zurück und wird für Wolf zum Mehrheitsbeschaffer, zusammen mit der zweiköpfigen FDP-Fraktion von Dagmar Föst-Reich, die ebenfalls nicht, wie zunächst angekündigt, für den Vorsitz antritt. Mentrup lässt sich mit 21 Stimmen zum Ersten Stellvertreter im BA-Vorstand wählen, Epple unterliegt mit elf Stimmen - auch hier versagen ihr zwei Fraktionskollegen die Gefolgschaft; sie kommt aber als Zweite Stellvertreterin zum Zug, mit immerhin 23 Stimmen. Womöglich ist Pascoe seiner Fraktion auch deshalb nicht recht, weil er sich selbst als "Achtundsechziger" bezeichnet, auch an diesem Abend, in seiner Bewerbungsrede, einem Plädoyer für Klimaschutz-Politik. "Deswegen haben uns viele Menschen ein klares Mandat gegeben: Überwindet die Klimakrise, sorgt für die Mobilitätswende", sagt er in beschwörendem Ton. So kennt ihn Wolf, der neue Vorsitzende, denn der 45-jährige Rechtsanwalt sitzt auch seit Mitte der Neunzigerjahre im Gremium. Der neue BA-Chef bietet Kontinuität statt Wandel an, in eher gelassenem Tonfall: "Ich will die langjährige und sehr erfolgreiche Arbeit von Werner Lederer-Piloty fortsetzen, so wie er es gehandhabt hat." Nach innen moderieren, nach außen kraftvoll gegenüber der Verwaltung auftreten, führt er aus. Der Zufall will es, dass er dabei inmitten der Reihen der Grünen steht.

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