Im Monat 50 Euro Bargeld im Portemonnaie in einer der teuersten Kommunen Deutschlands – damit müssen jetzt die Asylsuchenden in München zurechtkommen. Das sieht die neu eingeführte Bezahlkarte für Asylbewerber vor. Aktivistinnen und Aktivisten wollen diese aus ihrer Sicht diskriminierende Regelung umgehen. Dafür haben sie eine Tauschkampagne ins Leben gerufen.
Diese funktioniert so: Geflüchtete, die eine solche Bezahlkarte besitzen, gehen in einen Supermarkt oder eine Drogerie und kaufen mit ihrer Karte einen Gutschein von diesem Geschäft, zum Beispiel für 50 Euro. Diesen Gutschein bringen sie dann zu einem der Tauschorte. Dort hat ein Unterstützer 50 Euro hinterlegt und bekommt im Tausch dafür den Gutschein. So gelangen die Geflüchteten an Bargeld.
„Dafür gehen wir erst einmal in Vorleistung. Wir haben bereits ein paar hundert Euro an Spenden eingesammelt“, sagt Matthias Weinzierl. Er ist der Kopf hinter der Kampagne „Offen Bleiben!“, die sich für Geflüchtete einsetzt, und war jahrelang Projektleiter bei der Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco.
50 Euro bar im Monat findet er eine „ziemlich radikale Einschränkung der persönlichen Freiheit“. Viele Gemüsehändler im Bahnhofsviertel oder Afro-Shops würden nur Bargeld nehmen oder hätten eine Mindestgrenze für Kartenzahlungen. Das würde den Geflüchteten erschweren, einzukaufen, wo sie wollten, sagt Weinzierl. Mit der Idee der Gutscheine wolle man „etwas Abhilfe schaffen.“
Laut Weinzierl ist das Interesse bei den Betroffen groß. Als sie in den Sozialen Medien für ihre Aktion geworben haben, seien sofort positive Rückmeldungen aus ganz Deutschland gekommen. Und das sei auch die Motivation: Eine Idee zu pflanzen, die woanders aufgegriffen werden kann, um so Geflüchteten zu helfen. „Wir sehen das als solidarische Hilfestellung.“
Zurzeit gäbe es zwei Orte, die sich als sogenannte Wechselstuben nutzen lassen: das Bellevue di Monaco und das Ligsalz 8, ein Miethausprojekt im Westend. Aber auch andere Orte hätten Interesse angemeldet, sagt Weinzierl.
Seit der letzten Juniwoche wird die Bezahlkarte, eine blau-weiße Chipkarte, an Asylsuchende ab 14 Jahren in München ausgegeben. Laut Sozialreferat kommen dafür insgesamt 4670 Betroffene in Frage. Zunächst soll sie an die Geflüchteten verteilt werden, die in Leichtbauhallen untergebracht sind, sowie an Neuankömmlinge.
Die Karte hat neben der Einschränkung des Bargelds noch andere Begrenzungen. So können die Asylsuchenden bloß in der Stadt und in den umliegenden Landkreisen damit bezahlen. Außerdem muss jede Überweisung, etwa um das Deutschlandticket zu bezahlen, erst an das Sozialreferat gemeldet und von diesem genehmigt werden.
Der bayerische Flüchtlingsrat kritisiert die Bezahlkarte als „Instrument der Gängelung und Diskriminierung“ und unterstützt die Tauschaktion in München. Die Bezahlkarte sei letztlich Symbolpolitik, um bei den Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck zu erwecken, dass man etwas gegen Migration unternehme, sagt Katharina Grote vom Flüchtlingsrat. Dabei leiste man nur rechtspopulistischen Ideen Vorschub. So lasse sich etwa die These, dass bisher große Mengen von Asylleistungen ins Ausland oder an Schlepper gehe, gar nicht belegen, so Grote. Deshalb sei auch die Bargeld-Beschränkung in Wahrheit vor allem ein Machtinstrument.
Asylpolitik:38 weitere Kommunen führen Bezahlkarten ein
Bayernweit wird die Bezahlkarte für Flüchtlinge in immer mehr Städten und Landkreisen eingeführt. Bis Ende Juni soll die Auszahlung der staatlichen Leistungen auf das neue System umgestellt sein.
Die Beschränkung auf 50 Euro Bargeld pro Person kritisiert das Sozialreferat sogar selbst. Es gebe viele Bereiche, bei denen die Karte nicht akzeptiert wird, etwa bei Second-Hand-Läden, in kleinen Supermärkten oder gerade bei Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder, lässt ein Sprecher des Referats auf Anfrage wissen. Zur konkreten Tauschaktion will man sich allerdings nicht äußern.
Kritik an der Tauschaktion kommt aus der CSU-Stadtratsfraktion: „Die Aktion finde ich etwas daneben. Es gibt ein Rechtssystem und daran haben wir uns zu halten“, sagt die sozialpolitische Sprecherin Alexandra Gaßmann. Die Gutscheine hebelten die Idee der Bezahlkarte aus, sagt sie. Dass die Geflüchteten ihr Geld in bar hätten, sei ja genau nicht mehr gewünscht.
Gaßmann befürchtet, dass das zusätzliche Bargeld nicht für den Lebensunterhalt genutzt werde. Trotzdem sieht auch Gaßmann die 50-Euro-Grenze kritisch. In einer so teuren Stadt wie München sollte diese Grenze um zehn oder 20 Euro nachjustiert werden, sagt die Politikerin.
Auch von der Fraktion FDP/Bayernpartei kommt Kritik an der Tauschkampagne. Fritz Roth von der FDP versteht nicht, wieso man die kürzlich erst beschlossene Bezahlkarte wieder umgehen möchte: „Es gibt keinen Mehrwert.“ Er plädiert dafür, erst einmal abzuwarten, bis die Karte wirklich überall angekommen ist und zu schauen, welche Auswirkungen sie haben wird.
Für die Fraktion aus Grünen und Rosa Liste im Münchner Rathaus erklärt Clara Nitsche: „Die Bezahlkarte ist in ihrer bayerischen Ausgestaltung sehr bürokratisch und entmündigt die betroffenen Menschen. Für die Verwaltung bedeutet die Umsetzung einen immensen Aufwand, hier wollen wir ran und uns für pragmatischere Lösungen einsetzen. Wir haben das Sozialreferat bereits dazu aufgefordert, das beim Städtetag zu tun.“