Corona und München:Sehnsucht nach Seen und Bergen

Schneelandschaft in Oberstdorf

Schneelandschaft in Oberstdorf: Viele Münchner sehen sich in der Pandemie nach Tagesausflügen in die Natur.

(Foto: dpa)

Viele Münchner zieht es raus aus der Enge der Stadt. Aber sollte man dem Wunsch auch nachgeben, mitten in der größten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten?

Von Sabine Buchwald und Heiner Effern

Wer hätte geglaubt, dass einem die rauschende Isar einmal zu fad werden könnte? Dass man den wundervollen Englischen Garten, die Zeltdächer des Olympiaparks oder den Schlosspark in Nymphenburg nicht mehr sehen kann? Diese Orte waren die Rettung in diesem Jahr, in denen Körper und Seele eingesperrt waren, wie man es sich nie hätte vorstellen können. Sogar das Warten vor den Unterführungen an den Isarbrücken nimmt man geduldig hin, es gilt ja Abstand zu wahren. Aber jetzt reicht es selbst dem eingefleischten Stadtmenschen in diesem zweiten, langen Lockdown. Man will raus aus der Enge der Stadt. Die Weite spüren, die Landschaft der Berge und Seen, deren Nähe sich München stets rühmt.

Aber darf man das? Ist das in der größten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten richtig und angemessen, auch wenn es den Buchstaben nach erlaubt ist? Es gibt Stadtflüchtlinge, denen solche Gedanken total egal sind. Viele Münchner aber ringen in diesen Tagen mit sich und stellen quälende Fragen: Sollen sie sich mit ihrem Auto einreihen in die Blechkarawane ins Oberland und die Natur noch mehr belasten? Oder soll man mit dem Zug fahren, was virustechnisch eine Katastrophe sein könnte, weil dieser überfüllt ist? Trifft man draußen wieder halb München, sodass die Corona-Regeln ad absurdum geführt werden? Stimmt es denn, wenn die Bürgermeister und Landräte des Oberlands den Städtern eine Invasion ihrer Idylle vorwerfen? Ging der Stau früher nicht oft auch Richtung Stadt wegen Kultur und Einkaufsmöglichkeiten?

Andererseits, mal ehrlich, verstehen die Menschen da draußen mit ihren Gärten und Terrassen überhaupt, wie sich Pandemie in der Großstadt anfühlt? Wie es einem ergeht, wenn das Wasser am Balkon zu einem traurigen Eismuster gefriert, während hinter der Stadtgrenze Winterwunderland mit glitzerndem Weiß zu sehen ist? Wie sehr ein paar Stunden wohltuender Bergluftkälte im Gesicht den Corona-gequälten Kopf wieder frei machen würden? Also jetzt raus, hat man sich doch schon so lange korrekt verhalten. Ein Tag lang mit Freunden, einer Kanne Glühwein und 1,5 Metern Distanz durchschnaufen. Aber wenn das alle denken? Dann steht man auf der Wiese vielleicht so eng wie vor der Supermarktkasse? Nun hat man also auch noch einen dicken Gewissenskonflikt. Ein Mist-Jahr geht angemessen zu Ende.

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