Süddeutsche Zeitung

Benefiz-Aktion für Wiesn-Musikanten:Wir spenden, ihr macht Werbung

Auftritt abgesagt, und nun? Ein Händler von Wiesn-Devotionalien will die Oktoberfest-Musiker mit einer Spendenaktion unterstützen. Wenn da nicht das Finanzamt wäre. Aber man hat eine Idee.

Von Franz Kotteder

Tue Gutes und rede darüber - oder lasse andere darüber reden. An diese Handlungsanweisung für Marketing-Strategen fühlten sich Oktoberfestmusikanten erinnert, als sie dieser Tage eine E-Mail der Firma Bavariashop bekamen. Dort wurden sie aufgefordert, mit ihren Social-Media-Auftritten für Bavariashop zu werben - um dann in den Genuss einer Spende für Wiesnkapellen zu kommen. Das kam manchem Empfänger dann doch dubios vor: Werbung machen als Gegenleistung für Spendengeld? Und dahinter stehen auch noch der bekannte Karikaturist Dieter Hanitzsch, der Musikkabarettist und SPD-Stadtrat Roland Hefter sowie der städtische Referent für Arbeit und Wirtschaft, Clemens Baumgärtner (CSU), als Schirmherr?

Hintergrund ist eine Benefizaktion, die 2021 schon zum zweiten Mal stattfand. Unter dem Motto "Koa Wiesn" gestaltete Hanitzsch einen Masskrug, der von dem Familienbetrieb Bavariashop aus Otterfing, auch sonst für bayerische Souvenirs und Wiesn-Devotionalien zuständig, verkauft wurde. Der Reinerlös ging 2020 an die Gesellschaft der Münchner Schausteller, stolze 27 700 Euro waren das.

Im Jahr 2021, nach der erneuten Wiesnabsage, fand die Aktion eine Fortsetzung. Diesmal sollten die Oktoberfestkapellen profitieren. Es kam sogar deutlich mehr Geld herein: 50 000 Euro. Aber dann tat sich ein Problem auf. Bavariashop-Inhaber Andreas Greipl müsste die Summe versteuern, wenn er sie einfach so an die Musikanten auszahlte. Ein Problem, das es bei den Schaustellern nicht gegeben hatte, weil der Empfänger ein gemeinnütziger Verein war, der eine Spendenquittung ausstellen konnte. Wiesnkapellen aber sind selbst Unternehmen.

Andreas Greipl wählte einen Ausweg: Die Kapellen sollten einfach pro forma ein bisschen Werbung für Bavariashop machen. Dann durften sie eine Rechnung stellen, die er dann in Höhe des Anteils an den Gesamtspenden begleichen würde. Die erste Idee, alle Musiker an einem Ort zu versammeln und gemeinsam das "Prosit der Gemütlichkeit" zu spielen, schied wegen der Pandemie aus. So kamen Greipl und Hefter darauf, die Musiker könnten doch in den sozialen Medien Videos und Bilder mit einem Bavariashop-Hinweis posten und dann erst kassieren.

Das bekamen einige Musikanten dann allerdings in den falschen Hals: Spendengeld nur gegen Werbung? Ist das nicht sehr eigennützig? Nachdem Greipl und Hefter von diesen Reaktionen erfuhren, wandten sie sich erneut an die Kapellen, um noch einmal genau zu erläutern, warum das Finanzamt sonst nicht mitspielt. Und auch Schirmherr Clemens Baumgärtner sagt: "Wichtig ist ja, dass der Sinn des Ganzen erfüllt wird." Dass die Steuern nun von den Musikanten bezahlt werden müssen, die die Spenden als Einnahmen verbuchen müssen, glaubt er weniger: "Wenn die ohne Wiesn auch sonst keine Einnahmen haben, müssen sie ja keine Steuern zahlen."

Greipl hofft derweil, die Aktion möglichst bald abschließen zu können, denn das Spendengeld liegt immer noch auf seinem Konto. Was keineswegs ein Segen ist, wie er sagt: "Die Bank hat mich schon angerufen und gemeint, demnächst würden Negativzinsen fällig. Das brauch' ich nicht, dass ich da auch noch draufzahle."

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