Flüchtlingshilfe in München:Till Hofmann plant die "Bellevue Bildungs-Bäckerei"

Flüchtlingshilfe in München: Die Bildungsbäckerei soll in ein Haus in der Corneliusstraße einziehen, in dem es bis in die Neunzigerjahre eine Bäckerei gab.

Die Bildungsbäckerei soll in ein Haus in der Corneliusstraße einziehen, in dem es bis in die Neunzigerjahre eine Bäckerei gab.

(Foto: Bellevue di Monaco)

Nach der Kaperung des Hauses an der Müllerstraße 6 vor fast acht Jahren landen die Aktivisten von Bellevue di Monaco den nächsten Coup: diesmal im Hinterhaus in der Corneliusstraße 34.

Von Thomas Anlauf

Es sind Bilder, die Münchens Wohnungspolitik bloßgestellt haben. Prominente Künstler in Gorilla-Kostümen kaperten vor fast acht Jahren ein städtisches Haus an der Müllerstraße und richteten eine Wohnung kurzerhand mit Farbe und Pinsel, Spachtel und Mörtel so her, dass es dort richtig wohnlich aussah. Dazu rappte der Münchner Musiker Keno im Video zur Musik von Moop Mama: "Das Haus muss bleiben und der Bolzplatz auch. Und ich sag: Wir gehen hier nicht raus und so schaut's aus." Das grüne Haus an der Müllerstraße 6 wollte die Stadt unbedingt mit den beiden Nachbargebäuden abreißen, um neu zu bauen. Die Künstlerinnen und Künstler um den Kulturveranstalter Till Hofmann durften bekanntermaßen die Häuser sanieren, seit 2017 gibt es dort das Sozialprojekt Bellevue di Monaco. Jetzt landen die Aktivisten einen erneuten Coup: die "Bellevue Bildungs-Bäckerei".

"Bis vor dreißig Jahren gab es im Hinterhaus in der Corneliusstraße 34 eine Bäckerei. Die geben wir dem Viertel wieder", heißt es in einem Exposé von Bellevue di Monaco, das bereits der Süddeutschen Zeitung vorliegt. In dem Gebäude, das die Stadt laut Bellevue di Monaco vor zehn Jahren gekauft hat, waren im Hinterhaus einst Handwerker und eben eine Bäckerei angesiedelt. Die Räume stehen offenbar seit Jahren leer, während im Vorderhaus Menschen wohnen. Nach der Vision Hofmanns und des Vorstands der Sozialgenossenschaft von Bellevue di Monaco sollen die Gewerberäume saniert werden, entstehen soll ein dringend benötigtes Schulungs- und Beratungszentrum insbesondere für Geflüchtete.

Arbeitsplätze gäbe es für einen Bäckermeister und vier Auszubildende

Die Menschen in den vermieteten Wohnungen sollen natürlich weiterhin bleiben können. Kern des Projektes wird aber die Bäckerei. In den alten Räumlichkeiten könnte wieder eine große Backstube entstehen - ein Arbeitsplatz für etwa vier Auszubildende neben dem Bäckermeister. Die Bäckerei mit Café auf einem Dach im Hinterhof soll vor allem Nachbarn aus dem Gärtnerplatzviertel anlocken, per Lastenrad könnten auch Menschen in der Gegend sowie das Bellevue mit frischer Ware beliefert werden.

In dem Beratungs- und Vermittlungszentrum im Gebäude an der Corneliusstraße, das neben der Bäckerei den größten Teil des Hinterhauses ausmachen soll, will man junge Menschen zielgenau beraten und vermitteln. Als Kooperationspartner sieht das Bellevue die Monaco unter anderem das Netzwerk zur Arbeitsmarktintegration Fiba 2 und das Integrationsberatungszentrum (IBZ) beim städtischen Amt für Wohnen und Migration vor. "Die Bekanntheit des Bellevue unter Geflüchteten lässt sich so nutzen, um sie zu erreichen und in qualifizierende Angebote zu vermitteln", schreiben der Bellevue-Vorstand Till Hofmann und seine zwei Stellvertreter Angela Bauer und Stephan Dünnwald.

Flüchtlingshilfe in München: Die Räumlichkeiten an der Corneliusstraße sind grundlegend renovierungsbedürftig.

Die Räumlichkeiten an der Corneliusstraße sind grundlegend renovierungsbedürftig.

(Foto: Bellevue di Monaco)

Das Bellevue wird auch professionell von Architekten begleitet, dem Münchner Büro Zwingel/Dilg, das viel Erfahrung mit der Umnutzung und Sanierung von bestehenden Gebäuden hat. Die Architekten zeichnen unter anderem für das Wohnprojekt "Funk" am Domagkpark verantwortlich sowie das "Rioriem", das nach eigenen Angaben derzeit größte Münchner Wohnungsprojekt in Holzbauweise. "Die leerstehenden Räume im Hinterhaus sollen wieder genutzt werden und das Angebot des Bellevue di Monaco zur Unterstützung von Geflüchteten mit Ausbildungs- und Arbeitsplätzen ergänzen", heißt es in der Stellungnahme der Architekten. Tiefgeschoss und Erdgeschoss des Hinterhauses müssten "grundlegend saniert werden". Das gesamte Haus soll auch energetisch auf modernen Standard gebracht werden, und die anfallende Wärme in der Bäckerei will man in den Heizungskreislauf integrieren.

"Eine Bellevue-Ausbildungsbäckerei war bei uns schon von Anfang an irgendwie angedacht", sagt Till Hofmann. "Dass es jetzt eine Möglichkeit im Viertel gibt und wir mit der Wiederbelebung ein Stück altes München retten, Arbeitsplätze schaffen und gemeinsam mit der Stadt anpacken, freut mich sehr." Eine Gorilla-Aktion zur Rettung des Hauses ist offenbar nicht nötig. Denn bei den Grünen im Stadtrat stößt das Konzept auf große Zustimmung, auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) soll die Pläne laut Hofmann begrüßen.

Die bestehenden Mietverhältnisse sollen nicht verändert werden

Jetzt will die Fraktion Grüne/Rosa Liste möglichst gemeinsam mit SPD/Volt Anfang Januar ein Antragspaket schnüren, damit die Idee möglichst bald konkrete Formen annimmt. Ganz einfach ist es nicht, das Haus seiner neuen Bestimmung zuzuführen. Denn das Gebäude an der Corneliusstraße fällt nun aus der Bindung heraus, nachdem die Stadt vor zehn Jahren ihr Vorkaufsrecht ausgeübt hat. Nach Vorstellung von Bellevue di Monaco sollte das Gebäude, das im Erhaltungssatzungsgebiet liegt, von der Stadt in Erbpacht vergeben werden, die bestehenden Mietverhältnisse sollen demnach nicht verändert werden.

Sollte alles nach Plan laufen, würde neben dem Bellevue di Monaco an der Müllerstraße in unmittelbarer Nachbarschaft ein zweites bürgerschaftliches Sozialprojekt entstehen. Das Bellevue mit seinem Wohnprojekt für Geflüchtete, dem Infocafé sowie zahlreichen Bildungs- und Kulturangeboten gilt seit der Eröffnung 2017 bundesweit als viel beachtete Einrichtung für Integration mitten in München.

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