Süddeutsche Zeitung

Protest:Beerencafés sollen das Feld räumen

Weil die Stadtverwaltung die Auflagen immer weiter verschärft, droht den beliebten Ausflugszielen das Aus. Dagegen regt sich Widerstand.

Von Ellen Draxel

Kinder toben auf Strohballen, fahren Tretbulldog auf der Bobby-Car-Bahn, streicheln Ziegen oder planschen auf dem Wasserspielplatz. Eltern sitzen unter Sonnenschirmen, essen Kuchen, Pancakes mit frischen Beeren und trinken Milchshakes. Schließlich pflückt die ganze Familie Beeren und besucht das Maislabyrinth - so ist das seit Jahren im Sommer in den Beerencafés in Lochhausen, Feldmoching und Johanneskirchen.

Nun aber droht den beliebten Ausflugsorten das Aus. Der Grund: Die Beerencafés am Stadtrand stehen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, nicht auf Gewerbeflächen. "Ursprünglich waren diese drei Standorte Felder, wo man Beeren pflücken und kaufen konnte", erklärt Ingo Trömer, Sprecher im Planungsreferat. "Diese Art der Nutzung ist genehmigungsfrei und steht daher außer Frage." Im Laufe von 13 Jahren sei das Freizeitangebot rund um die Kulturen aber stetig gewachsen - ohne dass dafür eine Genehmigung vorliege. Deshalb hat die im Planungsreferat angesiedelte Lokalbaukommission den Event-Charakter der Beerencafés untersagt.

"2019 mussten wir schon Spielgeräte abbauen, das Sitzplatzangebot verkleinern und die Speisekarte verringern", berichtet Juniorchef Thomas Hofreiter. In Lochhausen beispielsweise fielen auf Basis des städtischen Bescheids vom März dieses Jahres der Streichelzoo, der Fußballplatz und das Stockbrot am Lagerfeuer weg. Sitzgelegenheiten gibt es nun nur noch für 40 Personen. Die Folge: weniger Besucher und ein Umsatzeinbruch um 40 Prozent. Im August hat der Betreiber der Beerencafés erfahren, dass weitere, verschärfte Auflagen folgen sollen. Noch weniger Sitzplätze, kaum Parkplätze und eine geringere Anzahl an Öffnungstagen. "Greifen diese Einschränkungen", erklärt Hofreiter, "rechnet sich der Betrieb für uns nicht mehr."

Bei Familien in München und im Umland löste die Aussicht auf ein Ende der Beerencafés umgehend eine Protestwelle aus. Innerhalb weniger Stunden formierte sich Widerstand: Eine an den Stadtrat gerichtete Petition, die die Schließung der Cafés verhindern will, unterzeichneten bis Dienstagabend mehr als 15 000 Menschen - bei steigender Zahl in sekündlichem Abstand.

Unterstützung bekommen die Hofreiters jetzt auch von der Politik. Die Beerencafés, fordert CSU-Stadtrat Johann Sauerer, müssten als ein Stückchen Land in der Stadt unbedingt erhalten werden. In einem Antrag bittet Sauerer die Verwaltung, dem Betreiber "auf schnellstmöglichem Wege" praktikable Lösungen aufzuzeigen. Auch die SPD-Stadträtinnen Verena Dietl und Julia Schönfeld-Knor wollen sich "dafür einsetzen, dass die vor allem bei Kindern so populären Aktionen wie das eigene Ernten von Früchten, das Spielen im Maislabyrinth und der Umgang mit kleinen Tieren auch künftig angeboten werden können". Gemeinsam mit Verwaltung und Cafés werde man "dafür nach Wegen suchen". Die Betreiberfamilie hat inzwischen Bauanträge für die drei Standorte eingereicht - um so eine langfristige Lösung zu schaffen und die Beerencafés zu erhalten.

Die Vorgaben der Lokalbaukommission vom August hatten zunächst sogar eine Schließung des Beerencafés in Johanneskirchen zum 1. September avisiert. Laut Referatssprecher Trömer hat sich die Verwaltung nun aber "mit dem Betreiber dahingehend verständigt, dass die Beerencafés zunächst bis zum Ende dieser Saison weiter betrieben werden können". Die Früchte und das Gemüse, das es in Johanneskirchen gibt, könnten noch mindestens bis Mitte September geerntet werden, hatte Hofreiter der Verwaltung erklärt. Nur die Erntezeit zu verlängern, reiche aber nicht. Das Café sei ebenso wichtig: Weil dort Ware verwertet werden könne, die nicht vermarktungsfähig ist. Krumme Gurken etwa. Oder Beeren, die wunderbar zur Herstellung von Marmeladen und Soßen dienen können.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2019
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