Baugebiete im Norden und Nordosten:Wie viel sind die letzten großen Bauflächen im Stadtgebiet wert?

Neubauprojekt München Hasenbergl, 2019

In Feldmoching soll ein Neubaugebiet entstehen.

(Foto: Florian Peljak)

Grundstückbesitzer kämpfen seit Jahren gegen die von der Stadt geplanten Wohnprojekte im Norden und Nordosten. Nun stellt sich der Landtag gegen Enteignungen - das löst umgehend hitzige Diskussionen aus.

Von Sebastian Krass

Es ist eine triumphierende Pressemitteilung, die Benno Ziegler am Mittwoch um 6.07 Uhr verschickt: "Landtag stellt sich hinter die Eigentümer und gegen Enteignungen" heißt es im Betreff. Ziegler ist Anwalt von "Heimatboden", einer Initiative von Menschen, Landwirte zumeist, die Grundstücke im Münchner Nordosten oder im Münchner Norden besitzen und seit Jahren gegen die von der Stadt geplanten Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen (SEM) kämpfen. In Zieglers Mitteilung heißt es, der Landtag habe festgestellt, dass die Stadt "bei Grundstückserwerb in den SEM-Gebieten Bauerwartungslandpreise zu bezahlen" habe. Weiter steht dort, dass der Bauausschuss "mit großer Mehrheit, einschließlich der Stimmen der Grünen" agiert habe.

Es vergingen keine zweieinhalb Stunden, da folgte um 8.29 Uhr eine Pressemitteilung von Josef Schmid, CSU-Landtagsabgeordneter und Mitglied des Bauausschusses. Betreff der Depesche: "Baulandpreis ist der richtige Wert für Boden in Münchner SEM-Gebieten - MdL Josef Schmid freut sich über einen Sieg gegen kalte Enteignung". Nun sei es "an der Landeshauptstadt, das Richtige zu tun".

Es liest sich, als hätte die Stadt eine schwere Schlappe erlitten. Schließlich hat sie vor, auf zwei der letzten großen weitgehend unbebauten Flächen im Stadtgebiet - 600 Hektar im Nordosten, östlich der S-8-Strecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen, und 900 Hektar im Norden, rund um den Ortskern von Feldmoching - Siedlungsgebiete zu entwickeln, mit bezahlbarem Wohnraum für möglicherweise jeweils mehrere Zehntausend Menschen. Dafür hält sie sich offen, mit dem im Baugesetzbuch festgeschriebenen Instrument der SEM zu planen. Indem sie dieses Verfahren für beide Areale zunächst förmlich eingeleitet hat, sind die Grundstückspreise - stark vereinfacht gesprochen - eingefroren. Mit der SEM soll verhindert werden, dass die Bodenpreise durch Spekulation auf neues Bauland sprunghaft steigen. Zudem sieht es das Gesetz vor, dass bei einer SEM im Extremfall Grundbesitzer enteignet werden können, wenn sie sich weigern mitzumachen und so das ganze Projekt gefährden. Die "Heimatboden"-Mitglieder sehen sich in die Ecke gedrängt, sie sollten mit der Drohung der Enteignung genötigt werden, ihre Schollen als Ackerland zu verramschen. Die Münchner CSU mit Josef Schmid als Vize-Chef steht fest an der Seite von Heimatboden.

Was also war da los im Landtag? Hat die dortige Mehrheit tatsächlich die Pläne der Stadt durchkreuzt? Und sind die Landtags-Grünen den Stadtrats-Grünen, die die SEM befürworten, in den Rücken gefallen? Am Nachmittag ergibt sich ein Telefonat mit der baupolitischen Sprecherin der Landtags-Grünen, Ursula Sowa - und damit auch ein Bild, das der Darstellung von "Heimatboden" diametral entgegensteht: Sowa ist Architektin von Beruf und beschäftigt sich nach eigenen Worten seit vielen Jahren mit dem Instrument der SEM. "Sie ist aus Sicht des Gemeinwohls ein sehr gutes Mittel, um Bodenspekulation zu verhindern und Quartiere mit kostengünstigen Wohnungen zu schaffen", sagt sie. "Ich habe sie in meinem Redebeitrag im Ausschuss in den grünsten und buntesten Farben beschrieben." Und die angebliche Abstimmung Seit an Seit mit der CSU? Dabei, so Sowa, habe es sich um die Bestätigung gehandelt, dass die Petition formgerecht behandelt wurde, "keinesfalls haben wir damit den Anliegen der Petition oder von Herrn Schmid den Weg bereitet".

Auch in der Stadt ziehen die Pressemitteilungen vom Morgen einige Telefonate nach sich. Das von Josef Schmid indirekt angesprochene Stadtoberhaupt Dieter Reiter will sich nicht äußern. Grünen-Fraktionschefin Anna Hanusch hingegen bleibt nichts anderes übrig angesichts der von "Heimatboden" in den Raum gestellten angeblichen Hinterrücks-Attacke der Landtags-Grünen. Hanusch hat sich auch mit Ursula Sowa ausgetauscht und teilt daraufhin lapidar mit: "Grüne Landtagsabgeordnete haben sich nicht gegen die SEM gestellt." Zudem betonte Hanusch: "Mit der SEM Nordost als sinnvollem Instrument zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum wollen wir einen kooperativen Prozess einleiten, an dessen Ende den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern faire Preise gezahlt werden."

Das Planungsreferat verweist darauf, dass es noch kein Protokoll der Ausschusssitzung gebe, aber die Petition "für erledigt erklärt wurde". Somit, erklärt ein Sprecher, habe sich auch "nichts an der grundsätzlichen Haltung" des Referats geändert: "einem klaren Bekenntnis zur Kooperation (...) im Münchner Norden und Nordosten zur Entwicklung von bezahlbarem Wohnraum". Es solle "in konstruktiven Gesprächen auf Augenhöhe eine Einigung erzielt werden". Die Stadt will dafür Hilfe von außen einholen: Man habe einen Auftrag für die "Ausarbeitung einer solchen kooperativen Lösung ausgeschrieben".

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:Umweltverbände warnen vor Bebauung im Münchner Norden

Bund Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz kommen zu dem Ergebnis: Fast die gesamten 900 Hektar rund um Feldmoching, auf denen einmal Wohnraum entstehen soll, sind von immenser Bedeutung für das Artenvorkommen und die Kühlung der Stadt.

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