München-Freimann:Ökologisches Bauen aus altem Beton

Musterpavillion Recycling Beton

Die Studentin Magdalena Gernhäuser (2. von links) hat mit ihren Kommilitonen vier Muster-Betonpfeiler gestaltet.

(Foto: Catherina Hess)

Auf dem Gelände der Bayernkaserne sollen Wohnungen aus recyceltem Material entstehen. Studentinnen und Studenten der Architektur und des Bauingenieurwesens haben dafür einen Muster-Pavillon errichtet.

Von Jakob Wetzel

Die schönste Stütze sei für sie die mit den Noppen, sagt Magdalena Gernhäuser: Diese Noppen zeigen auf der einen Seite des Pfeilers nach außen, auf der anderen ragen sie als Vertiefungen nach innen, ganz so, als hätte sie einer mit dem Finger durch den Beton gedrückt. Unverputzter Beton sei aus optischen Gründen verpönt, sagt die 22-Jährige. Aber die Pfeiler würden zeigen: Beton könne auch schön sein.

Magdalena Gernhäuser studiert Architektur an der Hochschule München, am Donnerstagvormittag aber steht sie im Nieselregen auf dem Gelände der früheren Bayernkaserne in Freimann. Etwa 40 Studenten haben hier einen Pavillon errichtet, 20 Quadratmeter groß. Sie haben Pfeiler und eine Decke hergestellt und die Bauteile aufgerichtet. Nun haben sie das fertige Gebäude präsentiert. Sie nennen es einen Prototypen. Denn es soll nicht nur zeigen, dass man auch mit unverputztem Beton ästhetisch bauen kann. Sondern es hat noch eine zweite Besonderheit, die weniger unmittelbar ins Auge sticht: Die Bauteile bestehen aus vor Ort recyceltem Beton. Zu 100 Prozent.

Musterpavillion Recycling Beton

Die Pfeiler zeigen: Beton kann auch schön sein.

(Foto: Catherina Hess)

Auf dem einstigen Kasernengelände an der Heidemannstraße geht die Stadt neue Wege beim Bauen, gemeinsam mit dem Freistaat, Verbänden und Firmen. Hier sollen in den nächsten Jahren Wohnungen für bis zu 15 000 Menschen entstehen - und der beim Abriss der Kaserne anfallende Bauschutt soll vor Ort recycelt werden. 200 000 Tonnen Recycling-Beton sollen gewonnen werden. Der Baustoff könne "der Schlüssel zur Klimaneutralität auf dem Bausektor" sein, sagte Kommunalreferentin Kristina Frank am Donnerstag. Betonrecycling sei ökologisch und ökonomisch sinnvoll und langfristig alternativlos. Bei Bauträgern aber stoße das Material auf Vorbehalte; deshalb dieser Prototyp. Im Mai ist der Grundstein gelegt worden. Den fertigen Bau können sich nun Bauträger ansehen. Für die Öffentlichkeit ist er nicht zugänglich - er steht auf einer Baustelle.

Musterpavillion Recycling Beton

Der Pavillon ist als Mustergebäude für fünf Jahre ausgeleg.

(Foto: Catherina Hess)

Das Gebäude erinnert ein bisschen an einen Käfig. Vier der 20 Pfeiler sind tragend, die übrigen zeigen, was gestalterisch möglich ist: Jeder ist besonders. Einer hat Noppen - dazu hätten sie Noppenbahnen, wie sie auf dem Bau immer wieder übrig bleiben, in die Verschalungen montiert, erzählt Gernhäuser. Eine Stütze zeigt Abdrücke von Schuhsohlen, eine andere trägt das Profil eines Autoreifens, eine andere die Abdrücke von Jeans. Wieder eine andere Stütze sieht aus wie ein Sofa - und fühlt sich mit etwas Fantasie sogar so an. Dafür haben Studentinnen und Studenten mit Plastik bespannte Eierschachteln in die Verschalungen montiert.

Die beteiligten Professorinnen und Professoren der Hochschule hat der Baustoff überzeugt. Arthur Wolfrum, Professor für Architektur, sagt, er würde Recycling-Beton vielleicht nicht für hoch beanspruchte Teile zum Beispiel bei Brücken verwenden, ansonsten sei er aber eine "echte Alternative". Andrea Kustermann, Professorin für Bauingenieurwesen, sagt, ein Problem sei nur noch die Widerstandsfähigkeit des Recycling-Betons gegen Frost und Tausalz, das liege an kleineren Einschlüssen. Ein statisches Problem sei das aber weniger.

Kustermann will die Technologie fortentwickeln. Und Frank will dem Stadtrat noch 2021 weitere Ideen vorlegen, wie man beim Bauen stärker auf eine Kreislaufwirtschaft setzen könne. Auf dem Gelände der Bayernkaserne wolle die städtische Wohnungsgesellschaft GWG als erster Bauträger mit Recycling-Beton bauen, so Frank.

Und der Pavillon? Der sei als Mustergebäude erst einmal für fünf Jahre ausgelegt, sagt Wolfrum. Aber wer weiß: Vielleicht gefalle er ja später den Bewohnern, wenn das Gelände bebaut ist. Statisch könne er auch länger stehen bleiben.

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