Die Corona-Pandemie macht Obdachlosen besonders stark zu schaffen. Das sind viele Migranten aus EU-Staaten, die auch schon vor der Krise unter sehr prekären Umständen lebten. Die Initiative Zivilcourage und die Rathausfraktion der Linken haben die Stadt deshalb aufgefordert, in der Bayernkaserne für diese Menschen mehr Hilfen als üblich anzubieten. Das Sozialreferat hat angekündigt, den Forderungen zumindest in Teilen nachkommen zu wollen, sofern der Stadtrat zustimmt.
Knapp zehn Migranten sind am Freitag zusammengekommen, um von ihrem Leben in München zwischen Notunterkunft und Straße zu berichten. Lisa Riedner von der Initiative Zivilcourage hat das Treffen organisiert. Die Sozialwissenschaftlerin beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Leben der EU-Migranten am Rande der Gesellschaft. Vieles bleibt bei dem Treffen vage, die sprachliche Verständigung ist schwierig, und doch kommt deutlich rüber: Unter den Armen gehören sie zu den Bedürftigsten. Sie kommen oft aus Südosteuropa, leben teils seit vielen Jahren in der Stadt, sprechen kaum Deutsch, haben keine Wohnung, viele erledigen als Tagelöhner Arbeiten, die sonst keiner macht. Sie fristen ein Leben jenseits der öffentlichen Aufmerksamkeit. Diesen Montag wollen sie auf dem Marienplatz demonstrieren.
Gesundheit:Anstecken zum Abschrecken
München muss bis zu 200 Pensionszimmer anmieten, um die Gefahr einer Corona-Infektion in Flüchtlingsunterkünften zu verringern. Die medizinischen Empfehlungen umzusetzen, ist aber schwierig - und wohl nicht im Interesse der Regierung, wie Kritiker befürchten.
Die Initiative Zivilcourage hat stellvertretend für diese Migranten Forderungen an die Stadtpolitik formuliert: Die Unterkunft in der Bayernkaserne, die seit März nicht nur nachts, sondern ganztägig geöffnet ist, soll weiterhin tagsüber offenbleiben, damit die Obdachlosen eine Alternative zur Straße haben. Die Unterkünfte sollen humanitären Mindeststandards genügen, was in Sammelunterkünften meist nicht möglich sei. Es soll drei Mahlzeiten pro Tag geben, und die Zimmer sollen mit wenigen Personen belegt werden; die Nutzer sollen sich ihre Zimmergenossen selbst aussuchen dürfen.
Ein Internetzugang sei sehr wichtig, um sich über die Corona-Lage zu informieren, Jobs zu suchen, Kontakt zu Ämtern und Angehörigen zu halten. Statt die Hausregeln mit drakonischen Strafen, teils Hausverboten durchzusetzen, sollen andere Wege gefunden werden, um ein gedeihliches Miteinander zu erreichen. Außerdem sollen auch wohnungslose Migranten Zugang zu Sozialwohnungen bekommen. Selbst wenn diese letzte Forderung umgesetzt würde, ist die Zahl der Sozialwohnungen viel zu gering, um auch nur annähernd alle Berechtigten zu versorgen.
Thomas Lechner, Stadtrat der Linken, verspricht den Obdachlosen, sie zu unterstützen. Untersuchungen zeigten, dass ihr Infektionsrisiko deutlich über dem Durchschnitt liege. Sie sollen nicht dazu gezwungen werden, täglich "mit Sack und Pack auf die Straße" zu gehen. Das Sozialreferat ist offenbar gewillt, den Kern der Forderungen umzusetzen: Man schlage dem Stadtrat vor, die Unterkunft, die eigentlich von Juli an nur noch nachts zugänglich sein sollte, bis Oktober ganztägig offen zu lassen. Eingestellt werde aber die Essensversorgung: Weil eine Eigenverpflegung aufgrund der gelockerten Corona-Regeln "wieder grundsätzlich möglich" sei, wolle man Kochmöglichkeiten in der Nähe der Unterkunft anbieten.